Zusammenfassung
Farbe wird üblicherweise definiert als diejenige Empfindung, die es uns ermöglicht, zwischen zwei strukturlosen Flächen gleicher Helligkeit zu unterscheiden. Es lohnt sich, auf zwei Aspekte dieser Definition gleich zu Anfang näher einzugehen. Zunächst ist wichtig, dass Farbe eine Empfindungsgröße ist. Es ist nicht das Licht, das farbig ist („The rays are not coloured” — Isaac Newton). Das Licht wird zunächst im Auge in Nervenimpulse umgewandelt. Erst durch die Verarbeitung dieser Impulse in den nachgeschalteten Hirnstrukturen kommt es zuder Empfindung, die wir „Farbe” nennen. Der zweite wichtige Aspekt der obigen Definition betrifft die Funktion des menschlichen Farbensehens. Obwohl die Frage nach der evolutionären Funktion des Farbensehens noch heftig umstritten ist (Mollon u. Jordan 1988), lässt sich doch mit Sicherheit sagen, dass diese nicht hauptsächlich in der Unterscheidung von Flächen gleicher Helligkeit liegt. Zum einen tauchen solche rein spektralen Unterschiede von Oberflächen in unserer Umgebung nur äußerst selten auf. Zum anderen konnte in zahlreichen Untersuchungen in den letzten 20 Jahren gezeigt werden, dass die Unterscheidung von Flächen gleicher Helligkeit („Isoluminanz”) für das menschliche visuelle System eine relativ schwierige Aufgabe darstellt (Shapley 1990).
Einen Hinweis auf die Rolle der Farbinformation bei der Wahrnehmung natürlicher Szenen gibt Abb. 1.1. Fast alle Objekte unserer Umwelt weisen unter natürlichen Beobachtungsbedingungen eine unregelmäßige Helligkeitsverteilung (Textur) auf. Es ist oftmals sehr schwer, Texturen natürlicher Objekte voneinander abzugrenzen, z. B. wenn wie bei Abb. 1.1 eine Blüte von Blättern unterschieden werden soll. Die Farbinformation ermöglicht uns, diese Unterscheidungen schnell und effizient zu treffen (Gegen-furtner u. Rieger 2000).
Farbe wird daher besser definiert als diejenige Empfindung, die es uns erlaubt, Objekte leicht voneinander zu unterscheiden, die aufgrund ihrer Textur nur schwer unterscheidbar sind.
Im Folgenden wird zuerst auf die physikalischen Eigenschaften der Reize eingegangen, die im menschlichen visuellen System Farbempfindungen auslösen. Anschließend werden die wichtigsten Schritte der Verarbeitung in der Netzhaut durch die 3 Typen von Photorezeptoren und in den anschließenden Gegenfarbkanälen besprochen. Schließlich wird auf die Verarbeitung der Farbinformation im visuellen Kortex eingegangen. Während die ersten Stufen der Farbverarbeitung in der Netzhaut und den retinalen Ganglienzellen wohl besser als jeder andere Aspekt der visuellen Wahrnehmung erforscht sind, ist über höhere Verarbeitungsmechanismen, die semantische oder emotionale Aspekte der Farbe betreffen, bisher nur wenig bekannt.
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Gegenfurtner, K.R. (2003). Farbwahrnehmung und ihre Störungen. In: Karnath, HO., Thier, P. (eds) Neuropsychologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-08957-6_2
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