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Part of the book series: Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft ((ENZYKLOPRECHT))

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Zusammenfassung

Was ist die Rechtswissenschaft? Ist sie, soweit sie sich weder als Geschichts-, noch als Sozialwissenschaft, sondern als etwas anderes und eigenes, als „Jurisprudenz“ versteht, überhaupt eine „Wissenschaft“, d. h. eine auf die Gewinnung von Erkenntnissen gerichtete planvolle geistige Tätigkeit, oder nur ein geordnetes Wissen von dem, was in einer bestimmten Rechtsgemeinschaft, hic et nunc, als „Rechtens“ angesehen wird, oder vielleicht eine „technische Kunstlehre“, eine Anweisung dazu, Rechtsfälle nach bestimmten Regeln, die als praktische Maximen oder Konventionalregeln zu kennzeichnen wären, in gleichmäßiger Weise zu entscheiden? Ist sie vielleicht dieses alles zugleich? Alle nur denkbaren Antworten sind auf diese Fragen gegeben worden. Zumal im 19. Jahrhundert hat man, unter dem Eindruck der Erfolge der Naturwissenschaft, häufig versucht, die Rechtswissenschaft dadurch in den Rang einer Wissenschaft zu „erheben“, daß man eine der naturwissenschaftlichen ähnliche Methode für sie forderte. Das beginnende 20. Jahrhundert hat dann, vornehmlich gegenüber einer rein naturwissenschaftlich verfahrenden Psychologie und Soziologie, die Selbständigkeit der „Geisteswissenschaften“ (oder „Kulturwissenschaften“) und ihrer Methoden zu begründen versucht. Eine zu ihrer Zeit sehr einflußreiche, heute schon wieder fast vergessene philosophische Richtung, der Neukantianismus, der gerade in der Rechtsphilosophie einen starken Widerhall gefunden hat, ließ sich dies besonders angelegen sein. Seither rechnete man (in Deutschland) die Rechtswissenschaft meist zu den „Geisteswissenschaften“, ohne damit immer eine klare Vorstellung von den methodischen Folgerungen zu verbinden. Andererseits sind die Stimmen nie verstummt, die der Jurisprudenz den Charakter einer „Wissenschaft“ überhaupt absprechen, sei es, daß man meint, so Wechselndes und Zufälliges wie der Inhalt „positiver“ Rechtsnormen könne überhaupt nicht Gegenstand einer „Wissenschaft“ sein, sei es, daß man die Rolle des Erkennens beim Zustandekommen rechtlicher Entscheidungen gegenüber dem Willens- und dem Gefühlsmoment für sekundär erklärt, die „wissenschaftliche Methode“ der Rechtsfindung für eine Selbsttäuschung hält. Als die einzig mögliche Wissenschaft vom Recht sieht man dann wohl die Rechtssoziologie (als „Tatsachenwissenschaft“) oder aber eine formale Rechtslehre an, die sich allein mit den logischen Verhältnissen der Rechtserscheinungen befaßt, ihren Inhalt aber beiseite läßt. Hinter solchen Auffassungen steht zumeist der positivistische Wissenschaftsbegriff, dem zufolge es außer Logik und Mathematik nur von wahrnehmbaren Tatsachen und deren im Experiment zu erhärtender Gesetzlichkeit eine wissenschaftliche Erkenntnis geben kann. Die Jurisprudenz, die sich mit dem Inhalt von Sollenssätzen (Normen) befaßt, läßt sich diesem Wissenschaftsbegriff nicht einordnen.

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Literatur

  1. Die Rechtsdogmatik, als die Wissenschaft eines bestimmten positiven Rechts, bleibt freilich gebunden an den Geist dieser Rechtsordnung, ihre spezifischen Wertungsgrundlagen. Das kommt bei uns zum Ausdruck in der Forderung nach einer „verfassungskonformen“ Auslegung. EMGE, Philosophie der Rechtswissen¬schaft, S. 339, meint zugespitzt, „unter soziologischer Perspektive“ diente „die dogmatische Jurisprudenz der immer vollkommneren Ausarbeitung der Ideologie, worauf sich der jeweilige historische Staat gründet“. Doch fügt er (S. 440) hinzu, daß das Recht, und daher auch die dogmatische Arbeit ihrem Sinngehalt nach, noch mehr als das sei, was nur der soziologische Aspekt zur Geltung bringe. Dieses „mehr“ ist eben der Sinnbezug auf Gerechtigkeit. Er ist für die dogmatische Rechtswissenschaft ebenso konstitutiv wie die Einengung auf die besonderen Wert¬relationen und Deutungsschemen eines bestimmten positiven Rechts.

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  2. Vgl. hierzu vorläufig: Erir Wolf, Fragwürdigkeit und Notwendigkeit der Rechtswissenschaft (Freiburger Universitätsreden, N. F. 5, Heft 15), S. 27 ff.

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  3. Grundlegung der Rechtswissenschaft, S. 491.

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  4. Wir meinen damit die Epoche, in der sich die Rechtswissenschaft — un¬erachtet ihrer zeitweiligen Vereinseitigung, z. B. im Positivismus — als eine „histo¬rische und philosophische Wissenschaft zugleich“ und dabei, vermöge ihrer Metho¬de, als etwas durchaus eigenes begreift. Hiermit übereinstimmend sieht auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. S. 367, das „eigentlichste Wesen der historischen Schule“ in „der Neubegründung einer methodenbewußten systematischen Rechtswissenschaft“. Ihr Kern sei „ein innerer Wandlungsprozeß der Rechtswissenschaft selbst, die um 1800 das neue Ideal einer zugleich positiven, d. h. autonomen, und philosophischen, d. h. systematisch-methodischen Rechts¬wissenschaft ins Auge faßt“.

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© 1975 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Larenz, K. (1975). Einleitung. In: Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-08717-6_2

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