Zusammenfassung
Die Zahl der methodologischen Arbeiten, die in den letzten 4 Jahren erschienen sind, ist verhältnismäßig groß. Drei Problemkreise stehen, sehe ich recht, im Vordergrund der hier anzuführenden Literatur. Der erste betrifft das Verhältnis der meist in sprachlich vagen Ausdrücken gefaßten allgemeinen Norm, wie sie im Gesetze steht, zu ihrer endgültigen, zur Anwendung auf einen konkreten Fall geeigneten, im Hinblick auf ihn näher bestimmten Fassung, die dann als „Entscheidungsnorm“ (Fikentscher: „Fallnorm“) fungiert. Welcher Weg führt von der einen zur anderen; läßt sich, wie es doch die Gesetzesbindung des Richters verlangt, die zweite in irgendeinem Sinne auf die erste zurückführen? Das zweite Problem hängt damit eng zusammen; es ist das nach dem Sinn und nach der Realisierbarkeit der richterlichen „Bindung“. Gibt es keinen methodisch auch nur einigermaßen gesicherten Weg von der Gesetzesnorm zur Entscheidungsnorm und damit zur Entscheidung des Einzelfalles, dann muß die richterliche Bindung mehr oder weniger leerlaufen. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Frage nach der Aufgabe und der (relativen) Selbständigkeit der Rechtswissenschaft und ihre Verteidigung gegen „Ideologieverdacht“ — Fragen, denen Haverkate unter dem Stichwort der „Gewißheitsverluste im juristischen Denken“ nachgeht. Die dritte, damit wiederum eng zusammenhängende Frage ist die nach der Begründbarkeit von Werturteilen. Sie spielt eine bgsondere Rolle auch in den nicht wenigen Schriften, die sich um eine juristische Argumentationstheorie bemühen. Diese Diskussion findet auf dem Hintergrund einer weiter ausgreifenden Diskussion über die Möglichkeit „zutreffender“ Aussagen auf dem Felde der Ethik, über Argumentationsweisen auf dem Gebiete der praktischen Vernunft, des „richtigen Handelns“, statt. In sie spielen allgemein wissenschaftstheoretische und sprachphilosophische Erwägungen hinein. Grundsätzlich ist zu bedauern, daß sich zwar Rechtstheoretiker zunehmend mit jenen anderen Wissenschaften — auch mit der Logik und der Wissenssoziologie — befassen, deren Vertreter bisher aber kaum Notiz von dem Material nehmen, das ihnen die juristischen Denk- und Argumentierweisen zu liefern vermöchten.
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Larenz, K. (1979). Nachwort zur vierten Auflage. In: Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Abteilung Rechtswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-08715-2_14
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