Zusammenfassung
Die Gesetzesanwendung, so hatten wir früher (Kap. 3, 1) gesehen, ist ein gegenläufiger Prozeß, in dessen Verlauf aus dem „Rohsachverhalt“ im Hinblick auf die möglicherweise anwendbaren Rechtssätze der endgültige Sachverhalt als Aussage gebildet und der Inhalt der anzuwendenden Normen so weit präzisiert wird, als das wiederum im Hinblick auf den Sachverhalt notwendig ist. „Auslegen“, so hatten wir gesagt (Kap. 1 unter 3a), ist, „ein vermittelndes Tun, durch das sich der Auslegende den Sinn eines Textes, der ihm problematisch geworden ist, zum Verständnis bringt“. Problematisch wird dem Anwender der Normtext im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Norm gerade auf einen derartigen Sachverhalt. Daß die genaue Bedeutung eines Gesetzestextes immer wieder problematisch wird, liegt in erster Linie daran, daß die Umgangssprache, deren sich das Gesetz weithin bedient, anders als eine mathematisierte Logik und Wissenschaftssprache keine in ihrem Umfang genau festgelegten Begriffe verwendet, sondern mehr oder minder flexible Ausdrücke, deren mögliche Bedeutung innerhalb einer weiten Bandbreite schwankt und je nach den Umständen, der Sachbezogenheit und dem Zusammenhang der Rede, der Satzstellung und Betonung eines Wortes unterschiedlich sein kann. Selbst wo es sich um einigermaßen festbestimmte Begriffe handelt, enthalten diese häufig Merkmale, die ihrerseits einer scharfen Begrenzung entbehren. Erinnert sei an das Merkmal der „zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen“ (§ 94 Abs. 2 BGB) und der „Neuheit“ einer Sache (5 950 Abs. 1 BGB)1. Viele und gerade die wichtigsten Rechtsbegriffe, wie etwa „Rechtsgeschäft“, „Anspruch“, „rechtswidrig“ sind im Gesetz nicht definiert; andere gesetzliche Definitionen, wie die der „Fahrlässigkeit“ in § 276 BGB, erweisen sich als unvollständig oder mehrdeutig. Ein und derselbe Ausdruck wird häufig in verschiedenen Gesetzen, ja in demselben Gesetz in verschiedenem Sinne gebraucht; so der Ausdruck „Geschäftsbesorgung“; in den §§ 662, 667 BGB einerseits, 675 BGB anderseits.
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Larenz, K. (1979). Die Auslegung der Gesetze. In: Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Abteilung Rechtswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-08715-2_11
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