Zusammenfassung
Arztrecht, Arzneimittelrecht, Recht der Medizinprodukte sind neue Begriffe, die gegenständliche Rechtsgebiete bezeichnen. Der besondere Schwerpunkt macht es notwendig, die herkömmlichen Unterteilungen in Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht zurücktreten zu lassen. Das Arztrecht ist nicht ein subjektives Recht, also nicht ein dem Arzt als Person oder Berufsausübender zustehender Anspruch. Vielmehr stellt es als objektives Recht die Zusammenfassung aller Rechtsregeln dar, die sich auf die Berufsausübung durch den Arzt und auf das Verhältnis des Patienten zum Arzt beziehen. Dabei ist „Arzt“ hier im weiteren, die Institution ebenso wie die Pluralität umfassenden Sinne gebraucht. Auch die das Krankenhaus, soweit es ärztliche Dienste vorsieht, betreffenden Regeln fallen darunter; die Mehrheit von Ärzten, die sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen hat oder die als Team im Wege moderner Arbeitsteilung den Patienten behandelt, ist ebenso einbezogen. Als objektives Recht ist der Begriff Arztrecht nicht auf dem Wort Arzt akzentuiert. Interessen- und wertungsjuristisch erscheint vielmehr der Patient gleichberechtigt. Arzt und Patient bringen beide ihre oft übereinstimmenden, gelegentlich aber auch kollidierenden Interessen in die Regelung ein: Recht, Ethik und vor allem das die Arzt-Patienten-Beziehung beherrschende Vertrauen haben die Aufgabe, den Interessengegensatz zwischen Arzt und Patient, wo er besteht, aufzulösen und zu harmonisieren, notfalls zu entscheiden.1
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Jung, Das Recht auf Gesundheit (1982); Laufs, Grundlagen des Arztrechts, FS Weitnauer (1980), 363; Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik (1986), § 5; Giesen,Health Care as a Right, Med Law 94,285.
Siehe dazu BGHZ 105, 160; Gitter, Sozialrecht (1986), 77 ff.; RGRKINüßgens 1 2, § 823 Anh. II, Rn. 9; Deutsch/Geiger, „Empfiehlt sich eine besondere Regelung der zivilrechtlichen Beziehung zwischen dem Patienten und dem Arzt im BGB?“, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 2, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz, 1981. Anders OLG Frankfurt VersR 88, 305.
Zu den Prinzipien vgl. Laufs, Arztrechts, Rn. 14 ff.; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Rn. 718 ff.
Zuletzt auf dem 44. Juristentag 1962 in Hannover ausführlich erörtert, vgl. Verh. 44. DJT 1. 17 ff. (Gutachten von Eb. Schmidt); II F. Aus neuerer Zeit BGH MedR 96, 22 — strafrechtliche Haftung für Aufklärungsmängel und RefEntw. 6. StrRG v. 18.10.1996: § 229 — Eigenmächtige Heilbehandlung, § 230 — Fehlerhafte Heilbehandlung.
S. dazu den Vortrag von Reiter, Verfassungsrechtliche Aspekte im Gesundheitswesen vom 8.10.1993.
Convention for the protection of human rights and dignity of the human being with regard to the application of biology and medicine: Convention on Human Rights and Biomedicine v. 6.6.1996.
Tauritz, Die Standesordnungen der freien Berufe (1989) passim; ders., Rechtliche Bindungen des Arztes: Erscheinungsweisen, Funktionen, Sanktionen, NJW 86, 2851; KleineCosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz (1986), 259 ff.
Vgl. BVerfG 33, 125 — Fachärztebeschluß; OLG Celle NJW-RR 89, 555 — unzulässige Androhung von standesrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen gegen Zahnärzte, die an einem Dental-Hygiene-Institut mitarbeiten. Gemäß BVerwG NJW 92, 1577 sind jedoch die Ärzte an die Richtlinien für In vitro-Fertilisation der Landesärztekammern gebunden.
Vgl. Illhardt, Medizinische Ethik (1985); Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik (1986) §§ 1 u. 5; Sass u. Viefhues, Ethik in der ärztlichen Praxis und Forschung (1988); Creutzfeldt, Ärztliches Ethos im medizinisch-industriellen Komplex, Med.Klin 93, 658 f.; Koch, Medizinrecht: Ersatz oder Pendant medizinischer Ethik?, EthikMed 94, 2.
Zur inneren Sorgfalt: Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht (1930), 269 f., in das Zivilrecht übernommen von BGH VersR 86, 766.
BVerwG arztrecht 87, 117 — Röntgenreihenuntersuchungen an Soldaten sind zulässig, da 1984 auf 10000 untersuchte Soldaten 4,6 behandlungsbedürftige TBC-Erkrankungen festgestellt wurden.
Beecher, Scarce Resources and Medical Advancement, Daedalus 98 (1969), 279 f.
So ist als Heilbehandlung angesehen worden die operative Verkürzung des Magen-DarmTrakts zur Behandlung schwerer Fettsucht (OLG Hamm VersR 82, 49), die künstliche Insemination unter Eheleuten (LG Stuttgart VersR 85, 776) und die In-vitro-Fertilisation mit dem Sperma des Ehemannes (BGHZ 99, 228).
Vgl. Franz u. Hartl, „Doping“ durch den Arzt als „ärztliche Tätigkeit”, NJW 88, 2277; Extraktion von Zähnen ohne Indikation ist Verstümmelung (BGH NJW 78, 1206); die Deklaration von Tokio 1975 des Weltärztebundes richtet sich gegen die Folter.
Zur Problematik des Standards und der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung in der Medizin vgl. Neuhaus (Hrsg.), Pluralität in der Medizin (1980), 137 ff. mit Beiträgen von Neuhaus, Deutsch und Wieland; Schreiber, Rechtliche Maßstäbe des medizinischen Standards, DMW 84, 1458.
Deshalb hat sich auch ein Arzt, der öffentlich auf die mittelalterliche Heilkunst der Hildegard von Bingen und deren göttlichen Ursprung setzt, eine kritische Würdigung seiner Behandlungsmethode gefallen zu lassen, OLG Karlsruhe NJW 96, 1140.
Genauer Deutsch, Vertrauen und Recht im Arzt-Patienten-Verhältnis, in: Medizin und Recht 81, 59. Vgl. auch Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts (1992), 221 ff.
BVerfGE 52, 131; Eser, Der Arzt zwischen Eigenverantwortung und Recht, FS Auer (1980), 185 f.; Günther, Voluntas aegroti suprema lex — Juristische Erwägungen, in: Koslowski, Maximen in der Medizin (1992), 124.
Dazu Pichler, International Developments in Patient’s Rights (1992); Deutsch, Das Persönlichkeitsrecht des Patienten, AcP 192, 161; Lahti, Towards Comprehensive Legislation Governing the Rights of Patients, in: Patient’s Rights (1994), 207.
OLG Karlsruhe VersR 88, 1 134 — Patientin wurde 1957 die Diagnose Osteosarkom mitgeteilt und erst 1980 das alsbald festgestellte Gegenteil.
BGH NJW 85, 671 — Umfang des Schadensersatzanspruchs bei fehlgeschlagenem Schwangerschaftsabbruch. Ganz anders BVerfG NJW 93, 1751, 1778. Einschränkend jetzt BGH NJW 95, 1609 — verfassungsrechtliche Voraussetzungen über die Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs bestimmen die Haftung.
Steffen, Einfluß verminderter Ressourcen u. von Finanzierungsgrenzen aus dem GSG auf die Arzthaftung, MedR 95, 190; Goetze, Arzthaftungsrecht und kassenärztliches Wirtschaftlichkeitsgebot (1989); Marsh, Health Care Cost Containment and The Duty To Treat, The Journal of Legal Medicine, Vol. 6 No. 2 (1985), 157. Vgl. auch Regina v. Cambridge Health Authority (1995) 1 W.L.R. 898 — Kosten einer erneuten Chemotherapie und einer zweiten Knochenmarkstransplantation bei einer Erfolgsrate zwischen 10 und 20%.
Der Arzt darf nicht den Doktortitel einer Scheinuniversität führen (Obergericht Aargau SJZ 81, 390); hat ein Arzt die Ernennung zum Professor in einer ausländischen Universität erlangt und keines der herkömmlichen Merkmale für ein deutsches Professorenamt erfüllt, so ist die Verwendung der Bezeichnung Professor im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Arztes irreführend und verboten (BGH NJW 89, 1545).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1997 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Deutsch, E. (1997). System und Grundlagen. In: Medizinrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-08640-7_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-08640-7_1
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-08641-4
Online ISBN: 978-3-662-08640-7
eBook Packages: Springer Book Archive