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Entscheidungsrechnungen bei Unsicherheit

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Interne Unternehmensrechnung

Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

Katharina Blumberger sitzt gerade vor einer Konkurrenzanalyse und starrt auf die Daten, die sie bisher gesammelt hat.“Das verstehe ich nicht”, denkt sie und geht schließlich zu Martin, ihrem Kollegen in der Controlling-Abteilung der ASD GmbH, die im Bereich der Kunststofftechnik tätig ist.“Martin, hast Du ein bißchen Zeit?” -“Für Dich doch immer, Katharina.”

Katharina beginnt: “Ich bin dabei, den Markt für PKW-Zubehör zu durchleuchten; das hängt mit dem top priority-Projekt zusammen, das unsere Geschäftsleitung ausgeheckt hat, die glauben, daß es sich lohnt, auf diesem Markt ebenfalls anzubieten. Jetzt habe ich zwei Unternehmen ausgemacht, Dobas Industries und Herber Technik. Die sind fast völlig gleich strukturiert: sie verwenden dieselbe Technologie und beziehen im wesentlichen von denselben Lieferanten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie unterschiedliche Kosten hätten. Soweit o.k.?” “Ja, da hast Du wahrscheinlich recht”, meint Martin.

“Dabei ist mir folgendes aufgefallen: Dobas verfolgt im Vergleich zu Herber eine ganz seltsame Produktpolitik. Zum einen machen sie auch Produkte, die einen niedrigen Deckungsbeitrag bringen, obwohl sie an der Kapazitätsgrenze produzieren. Und dann: Dobas ist in geringem Umfang auch in den Fahrrad-Markt mit so einer eigentümlichen Kunststoffhalterung eingestiegen. Wie ich gehört habe, ist der Markt aber dort ausgesprochen ungünstig, das heißt, sie machen dort auf jeden Fall Verluste. Ich schätze, sie können nicht einmal ihre variablen Kosten verdienen; daran wird sich auch mittelfristig nichts ändern. Ich verstehe das einfach nicht. Wissen die nicht, wie man ein Produktionsprogramm optimiert? Herber sieht da viel konsistenter aus.”

Martin denkt nach: “Naja, da kann ich mir mehrere Gründe vorstellen. Es kann schon sein, daß Dobas aus strategischer Sicht einen Fuß im Fahrradmarkt haben möchte, und bei den anderen Produkten werden sie vielleicht längerfristig gebunden sein. Dann können sie nicht so kurzfristig alles umstoßen. Vielleicht haben sie sich auch den Markt irgendwie aufgeteilt, daß Dobas in einem Segment stärker ist und Herber im anderen; das kann doch ein Weg sein, die Konkurrenzsituation zu verbessern.” “Ja, das dachte ich zuerst auch”, erwidert Katharina, “doch so einfach ist es nicht. Ich glaube nicht, daß sie so stark am Markt sind, daß sie sich gegenseitig derart spüren; da gibt es weit Größere am Markt. Und dann, soweit ich das bisher gesehen habe, können sie in weiten Bereichen wirklich kurzfristig planen. Das ist Spezialzubehör, das ist mehr zum Gag, es ist nicht wirklich notwendig, langfristige Lieferverbindungen mit einem bestimmten Produkt aufrecht zu erhalten.”

Nach einigem Hin und Her der Ratlosigkeit stößt Katharina auf ein Detail, das sie bis dahin nicht wirklich bedachte. Herber gehört zu einem größeren Industriekonzern, der in vielen Bereichen tätig ist. Wenn es im Kunststoff-Bereich Probleme gibt, zB aufgrund der Konjunktur, dann können sie sicher sein, daß sie finanzielle Unterstützung von “oben” bekommen. Bei Dobas ist das anders. Das ist ein Familienbetrieb ohne derartigen Rückhalt. Das könnte bedingen, daß die Einstellung zum Risiko anders ist; Herber ist sicher weniger risikoscheu als Dobas.

Martin sieht den Zusammenhang noch nicht. Katharina erläutert: “Diese üblichen Kriterien für die Festlegung des Produktionsprogrammes — Du weißt schon, die Reihung nach den Deckungsbeiträgen bezogen auf allfällige Engpässe — müssen für Unsicherheit nicht mehr gelten. Warum? Weil es plötzlich nicht mehr gleichgültig ist, ob das Risiko der einzelnen Produkte zusammenhängt oder nicht. Ja natürlich -jetzt wird mir auch die Strategie mit dem Fahrrad-Markt klar: Die sind gar nicht so dumm. Fahrräder und Autos sind mehr oder weniger substitutiv. Geht der Absatz bei Autos zurück, kann man annehmen, daß mehr Fahrräder gekauft werden. Das muß natürlich auch auf das Zubehör durchschlagen. Ist dieser Effekt hinreichend stark, kann es sogar günstig sein, Fahrrad-Zubehör anzubieten, das im Durchschnitt nur einen negativen Deckungsbeitrag erwarten läßt. Die Vorteile der Risikominderung für das gesamte Unternehmen können dies mehr als ausgleichen. Danke, daß Du mir geholfen hast, Martin. Ich weiß, daß ich mich auf Dich verlassen kann!” sagt sie und schlüpft aus dem Zimmer.

Nachdem Katharina ihren Bericht über die Situation am PKW-Zubehörmarkt fertiggestellt und der Geschäftsleitung übermittelt hat, wird sie von Richard Gutensohn, dem zuständigen Vorstand, gerufen.“Wissen Sie, Ihr Bericht ist sehr interessant. Aber Ihr Kernergebnis, daß sich der Einstieg in den Markt eher nicht lohnt, weil der erwartete Umsatz nur um 10% über dem Break Even-Umsatz liegt, hat mich irritiert. Sie erläutern das zwar kurz auf Seite 2; aber der Break Even-Umsatz mit 1, 3 Millionen erscheint mir doch sehr hoch gegriffen. Nach unseren Vorinformationen haben wir immer mit nur einer Million gerechnet. Wie kommen Sie zu 1, 3 Millionen?” fragt er Katharina.

Diese erwidert: “Das Problem ist, daß man für den Break Even-Umsatz Annahmen braucht; er ist bei mehreren Produkten nicht mehr eindeutig. Wir unterscheiden uns einfach in der verwendeten Annahme. Ich kenne die Version mit der einen Million auch, aber dabei wurde von einem sehr ‘günstigen’ Produktmix ausgegangen. Ich habe eher eine pessimistischere Variante gewählt, weil sehr schlecht abzuschätzen ist, wie sich die Situation wirklich entwickeln wird, wenn wir einsteigen.” Mit der im Hintergrund stehenden Abschätzung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Umsätze möchte sie Gutensohn lieber nicht belasten. Sie fügt jedoch schon hinzu: “Das habe ich aber hinten im Bericht recht ausführlich begründet.”

Gutensohn übergeht diese Meldung. Er steht unter Termindruck.“Liebe Frau Blumberger, darf ich Sie bitten, Ihre Meinung diesbezüglich noch einmal zu überdenken? Mir erscheint Ihr Pessimismus doch ein wenig aus der Luft gegriffen.” Mit diesen Worten schiebt ihr Gutensohn den Bericht über den Tisch zu.“Morgen Mittag brauche ich dann den endgültigen Bericht. Danke.” Katharina verläßt mit ihrem (nunmehr) Berichtsentwurf das Vorstandszimmer. Sie denkt: “Ganz verstehe ich nicht, warum er unbedingt in diesen Markt einsteigen will. Aber was soll’s. Bekommt er halt den Bericht so, wie er ihn haben will.”

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Literaturempfehlungen

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© 1995 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Ewert, R., Wagenhofer, A. (1995). Entscheidungsrechnungen bei Unsicherheit. In: Interne Unternehmensrechnung. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-07987-4_5

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