Zusammenfassung
Blutungen in die Gelenke oder die Muskulatur bedürfen neben einer hämostaseologischen Behandlung auch einer orthopädischen Therapie. Die Gelenkblutungen sind dabei die häufigsten und auf lange Sicht auch die medizinisch relevantesten. Am schwersten sind die Kniegelenke betroffenen, gefolgt von den Sprunggelenken und den Ellbogengelenken. Grundlage für die gesamte Pathogenese ist der je nach Grunderkrankung fehlende Gerinnungsfaktor. Je geringer die Restaktivität des jeweiligen Gerinnungsfaktors, desto wahrscheinlicher wird die Gelenkblutung. Die erste Blutung kann sowohl durch ein adäquates Trauma, ein Minimaltrauma als auch atraumatisch als Spontanblutung verursacht werden. In der absoluten Mehrzahl der Fälle gehen diese Blutungen von den synovialen Zotten aus.
Die Anzahl der Synovialfalten und deren Kapillarisierung korrelieren mit der dynamischen Gelenkaktivität. Je mehr ein Gelenk bewegt wird, desto größer ist sie. Besonders ausgeprägt ist das bei Kindern, die gerade Laufen lernen. Es muß daher nicht wundern, daß in diesem Alter das Risiko für die erste Gelenkblutung groß ist. Zusätzlich besteht noch ein Koordinationsdefizit durch die Umschaltung der Motorik vom Krabbeln zum Gehen. Auch muskulär unkontrollierte Bewegungen während des Schlafens können genügen, um eine Einklemmung der gut durchbluteten Synovia zwischen Femur und Tibia oder Femur und Patella als eine mögliche Ursache für die Gelenkblutung zu provozieren. Im gesunden Gelenk würde die sofort einsetzende Gerinnung die Blutung stoppen und der Gelenkbinnendruck durch die Resorption des Blutes durch die Syno-vialmembran abgebaut. Bei Patienten mit Hämophilie wird die Blutung jedoch erst gestoppt, wenn der Gelenkbinnendruck gleich dem systolischen Druck des blutenden Gefäßes ist. Wie im gesunden Gelenk kommt es jetzt auch zur Resorption des Blutes durch die Synovialmembran. Da die Blutungsquelle jedoch nicht verschlossen ist, blutet diese weiter bis zur erneuten Selbsttamponade. Von der Größe des geschädigten Gefäßes hängt daher der weitere Verlauf ab (Abb. 22.1). Je größer das blutende Gefäß, desto größer ist auch der ständige Gelenküberdruck und die durch Blut, Druck und Synovitis vermittelte Schädigung des Gelenkes. Im Extremfall ist schon nach 2 Gelenkblutungen mit strukturellen Gelenkveränderungen zu rechnen. Die chemischen Einflüsse des Blutes auf die Gelenkbinnenstrukturen und die mechanischen, druckvermittelten Auswirkungen auf artikulare und extraartikuläre Bestandteile der arthromuskulären Einheit wirken pathogenetisch wie ein Zahnradsystem zusammen. Aus didaktischen Gründen sollen jedoch die einzelnen Ursachen und deren Auswirkung auf die einzelnen Gelenkbestandteile getrennt betrachtet werden.
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Seuser, A., Oldenburg, J., Brackmann, HH. (1999). Pathogenese, Diagnose und orthopädische Therapie der hämophilen Gelenkarthropathie. In: Müller-Berghaus, G., Pötzsch, B. (eds) Hämostaseologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-07673-6_22
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