Zusammenfassung
Die Chirurgie des Ösophagus stand lange Zeit im Schatten der rasanten Entwicklung der Chirurgie des übrigen Verdau-ungstraktes, da sie sich erst sinnvoll entwickeln konnte, als durch die Einführung der Intubationsnarkose eine geplante und sichere Thoraxchirurgie möglich wurde. Konsequenterweise hat die Speiseröhrenchirurgie erst nach dem 2. Weltkrieg eine rasche Entwicklung genommen; dies, obwohl sie noch über Jahrzehnte durch eine hohe Morbidität und Mortalität belastet war. Die Folge davon war, daß Erkrankungen der thorakalen Speiseröhre, insbesondere das Ösophaguskarzinom, in vielen Kliniken als chirurgisch nicht erfolgreich behandelbar betrachtet und die Patienten meist palliativ bestrahlt wurden. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten ist die Ösophaguschirurgie zumindest in Zentren so standardisiert und sicher geworden, daß sie als sinnvolle Therapie auch für die Behandlung des Speiseröhrenkrebses allgemein akzeptiert ist. Wie in vielen Bereichen der onkologischen Chirurgie ist auch hier der operative Eingriff häufig eingebunden in multimodale Therapiekonzepte.
Interessant ist, daß es schon vor dieser modernen Phase der Ösophaguschirurgie nicht an Versuchen gefehlt hat, sich diesem Organ chirurgisch zu nähern. Die erste Resektion eines Ösophaguskarzinoms überhaupt hat bereits 1877 (Czerny, Heidelberg) stattgefunden. Allerdings handelte es sich um ein zervikales Karzinom. Ähnliche Versuche waren zuvor bereits von Billroth (1871) unternommen worden. Knapp ein Jahrzehnt später versuchte Mikulicz (Breslau 1886), die Resektion eines thorakalen Ösophaguskarzinoms durch extrapleurales Vorgehen. Der Versuch scheiterte.
Einen ganz anderen Weg ging Denk (Wien 1913). Er erinnerte sich der Embryogenese der Speiseröhre, während derer sich die Speiseröhre aus zwei Anteilen (aus der Nabelschleife vom Abdomen her; aus der Schiundtasche vom Hals aus) bildet und entfernte das Organ auf diesem durch die Embryogenese vorgegebenen Weg erstmals von zervikal und abdominell her, transmediastinal,„blind”, ohne Eröffnung der Thoraxhöhle. Dieses Vorgehen hat bis heute seine Bedeutung behalten und hat im modernen Verfahrensspektrum der Ösophaguschirurgie seinen festen Platz.
Als eigentlicher Vater der modernen Ösophaguschirurgie gilt Thoreck (New York), der bereits 1913 (!) die erste transthorakale Ösophagektomie — also noch in der Vor-Intubationsära — vornahm. Seine Patientin überlebte diesen Eingriff dank multipler Pleuraadhäsionen, die sie vor dem letalen „Lungenkollaps” bewahrten. Der Eingriff endete mit einer zervikalen Speichelfistel und einer Magenfistel. Eine Rekonstruktion fand nicht mehr statt, obwohl die Patientin noch 13 Jahre überlebte.
Das Karzinom ist und bleibt die große Herausforderung der Ösophaguschirurgie. Dennoch gehören auch gutartige Er-krankungen zu ihren Aufgaben. Hier ist an allererster Stelle die häufige und volkswirtschaftlich wichtige Refluxkrankheit zu nennen. Die moderne Anti-Refluxchirurgie begann 1956 mit Rudolf Nissen (damals New York, später Basel), als er die bis heute effektivste Operationsmethode, die Fundoplicatio, beschrieb. Die Herausforderung der Anti-Refluxchirurgie ist heute nicht mehr die Verfahrenswahl, sondern die Indikationsstellung in Anbetracht einer erfolgreichen konservativen Therapie. Im Gegensatz zur Ulkuskrankheit gewinnt aber die Anti-Refluxchirurgie durch überzeugende Langzeitergebnisse und dank der Entwicklung minimal-invasiver Operationstechniken wieder — nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten — ständig an Boden.
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Siewert, J.R., Stein, H.J. (2001). Speiseröhre. In: Allgöwer, M., et al. Chirurgie. Springer Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-06245-6_25
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