Zusammenfassung
Die Augenheilkunde bietet einige Besonderheiten. Die Feinheit und Empfindlichkeit des Organs erfordern eine besonders zartfühlende Untersuchung und Behandlung. Das Auge ist klein. Bei der Untersuchung und bei Operationen blickt der Arzt meist durch das Mikroskop. Er sieht Feinheiten, die anderen Fächern der Medizin unsichtbar bleiben. In der Hornhaut erkennt man Nerven. Die Netzhaut erscheint bei der gewöhnlichen Untersuchung mit dem Augenspiegel bereits in 16facher Vergrößerung. Kapillaren werden sichtbar. Das Untersuchungsmikroskop erlaubt die Mikroskopie des lebenden Organs. Die Blutströmung in der Bindehaut, die durch die Verdünnung mit Kammerwasser sichtbar ist, oder das mikroskopische Bild der in steter Bewegung spielenden Iris sind Anblicke von großer Schönheit, die den Betrachter Ehrfurcht vor der Natur empfinden lassen. Die Möglichkeit, so klare Befunde zu erheben, veranlaßt ihn zu exaktem Beobachten und genauem ätiologischen und therapeutischen Denken. Eine augenärztliche Untersuchung ist erst dann abgeschlossen, wenn der objektive Befund mit den subjektiven Angaben des Patienten in Einklang steht. In der Regel läßt sich klären, warum die Sehschärfe oder das Gesichtsfeld nicht normal sind. Ganz besonders kostbare Quadratmillimeter des Körpers sind die beiden Foveae centrales. Der hohe Wert des Auges legt dem Arzt eine besonders große Verantwortung auf. Augenärztliche Fehler wiegen schwer: der Kranke hat ein Leben daran zu tragen und spricht darüber. Mit keinem Organ identifiziert sich der Mensch so sehr wie mit seinem Auge. Jede Augenkrankheit spielt sich psychologisch ganz nahe am Ich ab. Der Augenkranke ist seelisch stets zutiefst betroffen, er ist mißgestimmt, labil und ängstlich. Wer Augenkranke behandelt, muß den Menschen mitbehandeln können. Ohne angewandte Psychologie, ohne Takt und Mitgefühl kann man kein guter Augenarzt sein. Nur durch stete Arbeit an sich selbst kann man Ruhe und Zuversicht ausstrahlen trotz der Hast des Berufslebens.
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Leydhecker, W., Grehn, F. (1993). Die Augenheilkunde. In: Augenheilkunde. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-05924-1_1
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