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Zusammenfassung

Als der Krieg ausbrach, befand sich die Hysterielehre in einem eigentümlichen Zustand. Man haßte FREUD, aber man glaubte an ihn. Das heißt, während man viele seiner besten Gedanken und Beobachtungen ignorierte, wenn er selbst sie aussprach, sickerte durch unbemerkte Seitenkanäle vieles von seinen Begriffen “unbewußt” in die Schulpsychiatrie hinüber. Zuletzt gab es niemanden mehr, der nicht an das Unbewußte glaubte. Die erst zögernd eingebürgerte Hypothese wurde bald zum tragenden Rückgrat des Hysteriebegriffes und ist es bis heute geblieben. Noch nie hat ein theoretisch konstruierter Hilfsbegriff so sehr praktisches Handeln tyrannisch beherrscht, wie dieses Unbewußte oder Unterbewußte1, noch nie ist ein solcher so mit dem vollen Kurswert einer längsterkannten Wahrheit beliehen von Hand zu Hand gegangen.

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Literatur

  1. Beide Ausdrücke werden hier als gleichbedeutend gebraucht, so wie sie sich im populären ärztlichen Sprachgebrauch eingebürgert haben.

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  2. Ziehen (Leitfaden der physiologischen Psychologie) hat bereits auf die überflüssigkeit des “Unbewußten” gerade in diesem Zusammenhang hingewiesen.

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  3. Ich betone ausdrücklich, daß sich diese Polemik nicht gegen die ernsthafte Forschung richtet, die den Begriff des Unbewußten wegen seiner Handlichkeit benutzt, sofern sie vernünftige, klare Vorstellungen damit verbindet. Noch weniger richtet sie sich gegen die psychoanalytische Schule als solche, der die Psychopathologie trotz allen Auswüchsen lebendigste Anregung verdankt. Man wird auch nicht sagen, FREUDS phantasievoll plastische, mythologisierende Sprach-prägung sei für die Psychiatrie von vornherein zum Schaden gewesen. Sie hat gerade durch ihren starken Phantasiewert eine ganze Forschungsrichtung in gang gebracht. Als Anregung waren diese Konzeptionen gut — als Dogmen sind sie unerträglich. Hierin aber liegt jetzt die große Gefahr, daß popularisierte, dichterische Bilder mit Bruchstücken aus der Empirie des Alltags allmählich zu festen Scheinwahrheiten zusammenschmelzen und dadurch die Hysterielehre verknöchern.

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  4. Der Psychologe Schumann sagt: “Wenn wir uns nicht vor Augen halten, daß es im Unbewußten ganz gewiß keine Empfindungen und Gefühle als solche, sondern nur Prozesse gibt, die unter gewissen Bedingungen Empfindungen und Gefühle hervorrufen, dann laufen wir Gefahr, ins Unbewußte mithineinzunehmen auch die Begriffe, die wir uns durch Vergleichung, Beziehung usw. der Bewußtseinsinhalte gebildet haben; wir laufen Gefahr, die logischen Denkformen als Ursachen ins Unbe-wußte zu verlagen, kurz gesagt: das Unbewußte zu rationalisieren.

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  5. Entwurf zu einem einheitlichen Begutachtungsplan für die Kriegs- und Unfallneurosen. Mönch. med. Wochenschr. 1919, Nr. 29, S. 804.

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  6. Mit anderen Worten: Ich habe es mit der “Hysterie” so gemacht, wie die Entente mit dem bunten alten Österreich — ich habe sie aufgeteilt und dem übrigbleibenden Rest das alte Firmenschild “Krankheit” gelassen. Als Trost für schwache Gemüter.

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  7. So ist es ein offenbares Mißverständnis, wenn BLEULER zu der Ansicht kam, ich wolle das Unbewußte “abschaffen”. Vielmehr habe ich ausdrücklich gesagt, daß ich das Unbewußte als handlichen Sammelbegriff in der Hand ernsthafter und klardenkender Forscher anerkennē (S. 378), daß ich gar nicht gegen das Unbewußte BLEULERS, sondern gegen seinen gedankenlosen Mißbrauch durch die Durchschnittsneurologen polemisiere. Ja, ich habe die “ganz außerordentlich fruchtbringenden Wirkung-en” (S. 369) dieses Begriffs besonders unterstrichen. Ebenso ist es ein rein sprachliches Mißverständnis, wenn BLEULER annimmt, daß ich das Unbewußte mit dem “Nichtgewußten” identifiziere. Vielmehr sagte ich an der fraglichen Stelle (S. 371): Nennen wir diese Art von Unbewußtem das Nichtgewußte; im vorhergehenden sprach ich nämlich nicht von dem Unbewußten überhaupt, sondern von seiner falschen, überwuchernden Verwendung als eines billigen und immer bereiten Schlagworts. Im Gegenteil habe ich einen großen Teil der Abhandlung darauf verwendet, die außerordentlich verschiedenartigen Bedeutungen dieses Begriffs, sowohl des ursprünglichen Kerns wie der nachträglichen Auflagerungen klarzustellen (S. 377 u. 378). Das Nichtgewußte ist nur ein kleiner Teil dieser Bedeutungen.

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  8. Mir geht es mit der “Psyche” so, wie es BLEULER mit der “Seele” geht. Schmeckt ihm diese zu stark nach der Kanzel, so erinnert mich jene zu sehr an ästhetischen Tee und Feuilleton.

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  9. “Phänomenologie” hier im ursprünglichen Wortsinn etwa gleich: deskriptive Psychologie, Lehre von den unmittelbaren psychischen Phänomenen.

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  10. Auch für den Mediziner leicht verständliche Darstellung aes Kausdl begriffs mit seinen Abwandlungen und Varianten bei C.STUMPF. Vergleiche auch B.BAVINK. Unerläßlich für tieferes Eindringen: KANT, Kritik der reinen Vernunft.

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  11. “Gesetzmäßig” in dem konditionalen Sinne einer benennbaren statistischen Wahrscheinlichkeit als moderne naturwissenschaftliche Formulierungen.

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  12. Die quantitative Bestimmung (causa aequat effectum) ist erst spät hinzugekommen und hat mit dem Kern des Kausalbegriffes nichts zu tun.

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Kretschmer, E. (1974). Medizinische Psychologie (9). In: Kretschmer, W. (eds) Psychiatrische Schriften 1914–1962. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-02269-6_2

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