Zusammenfassung
Zweifellos ist es eine schwierige Aufgabe, den Begriff der Potenz genauer zu bestimmen. Meiner Meinung nach handelt es sich in der Potenz gegenwärtig urn einen biologischen Grundbegriff von allgemeiner Art, dem wir einstweilen möglichst wenig besondere Merkmale zuschreiben sollten, solange bis wir gereifter an Erfahrung sind. Ich halte es für das sicherste, d. h. ich glaube fehlerfrei zu bleiben, wenn ich den Begriff der Potenz mit den Worten » mögliches Schicksal « umschreibe, entsprechend der Grundauffassung von Driesch; denn es handelt sich um ein latentes Vermögen, in welches die normale Entwicklung, alle Arten der Restitution, ferner die Variationen einschließlich der Naturspiele und der Teratologie, aber auch die pathologischen Gewebsbildungen, bei Pflanzen z. B. die spezifischen Formen der Gallen, mit eingeschlossen sind. Zweifellos wird die Potenz bestimmt durch die Stammesgeschichte des Organismus, wobei die Anerkennung der Deszendenzlehre in einem allgemeinen Rahmen vorausgesetzt wird. Die Potenz enthält mithin eine »historische Reaktionsbasis «, und in diesem Sinne ist sie »retrospektiv «. Aber sie trägt einen Januscharakter an sich, indem sich ihr Antlitz teils nach rückwärts, teils nach vorwärts wendet. In diesem Zusammenhange betrachtet, ist das Verhältnis der Potenz zur Variation von besonderer Bedeutung; denn durch Variation erzeugen sich neu e Eigenschaften, und so beruhen auf ihr die Fortschritte der phylogenetischen Entwicklung.
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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
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Heidenhain, M. (1923). Der Begriff der Potenz. In: Formen und Kräfte in der Lebendigen Natur. Vorträge und Aufsätze über Entwicklungsmechanik der Organismen, vol 32. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-02124-8_11
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