Zusammenfassung
Dieses in seiner Erkennung nicht leichte und nicht ganz seltene Krankheitsbild, welches uns besonders durch Asch, Halban und Hoehne in seiner Bedeutung erschlossen worden ist, zeichnet sich durch eine meist dauernde, entweder umschriebene oder den ganzen Bauch betreffende, oft heftige Schmerzhaftigkeit der Bauchdecken selbst, und zwar sowohl der Cutis wie des Unterhautzellgewebes, aber auch der Muskulatur aus. Zweifelsohne sind neurolabile Frauen mehr davon betroffen als nerven-gesunde. Konstitutionstypen scheinen keine entscheidende Rolle zu spielen, auch die Körperfülle ist nicht ausschlaggebend, findet man doch dieses schmerzhafte Leiden, mit dem manche Frau von Arzt zu Arzt irrt, der immer auf ein inneres Leiden untersucht, sowohl bei Frauen mit fetten Bauchdecken, wie bei ausgesprochen mageren, bei Hängebauch und lordotischer Verstärkung der Wirbelsäule ebenso wie bei straffem Bauche. Es wird offenbar, wenn man die Bauchhaut in Falten aufhebt, sie kneift und quetscht, wobei sich herausstellt, daß diese Manöver auf der Bauchhaut äußerst schmerzhaft empfunden werden, während sie an anderen Stellen keinen Schmerz auslösen. Auch beim sanften Auflegen der Hand auf die Bauchdecke und dem Befehl an die Patientin, sich rasch mit dem Oberkörper zu erheben, wird dieser zarte Druck als Schmerz empfunden. Bei diesem Leiden kann es sich entweder um ein selbständiges Krankheitsbild handeln, das man als Adiposalgie, Gelose und Zellulalgie bezeichnet, oder um eine neuralgische oder vielleicht rheumatische Krankheit der Bauchdecken ohne Erkrankung innerer Organe. Reichelt grenzt diese Fälle als essentielle Bauchdeckenhyperästhesie von der symptomatischen Form ab, die Ausdruck einer inneren Erkrankung ist und entsprechend den Headschen Zonen gleichsam eine Projektion der inneren Organschmerzen auf die Körperoberfläche darstellt. Das kommt bei Appendizitis, Adnexerkrankungen und Krankheiten der Gallenblase in Frage, aber auch bei Laparotomienarben nach Totalexstirpation des Uterus wird sie beobachtet. Wie Reichelt mit Recht bemerkt, sind Fehldiagnosen deswegen so häufig, weil der Arzt an das Krankheitsbild nicht denkt und daher die richtige Behandlung nicht einleitet. Vage Adnexschwellungen, die nicht vorhanden sind, Appendizitiden ohne Befund, Adhäsionsbeschwerden u. ä. werden angenommen. Aufklärung der Patientin über die Ungefährlichkeit des Zustandes und das verläßliche Schwinden der Schmerzen, Verschreibung von Antineuralgicis und Antirheumaticis (20%ige Ichthyolsalbe oder 10%ige Salicylvasogene) nebst Aspirin genügen in leichteren Fällen. Bei großer Hartnäckigkeit des Leidens wird man sich am besten der Hochfrequenz-strahlen nach Kowauscasa bedienen, wobei sich fast durchwegs eine Besserung, oft sogar ein völliges Schwinden der Beschwerden einstellt. Sollte diese Behandlung einmal fehlschlagen, vermag dann noch die Diathermie Linderung zu bringen, die allein angewandt, gewöhnlich versagt. Auch die Massage der Bauchhaut, die aber von geübter Hand einschleichend und zart ausgeführt werden muß, kann versucht werden. Umständlicher und auch Dauererfolge nicht immer versprechend ist die örtliche Betäubung der betroffenen Nerven im Sinne der Blockierung der Headschen Zonen. Der betreffende Quadrant wird mit1%iger Novokainlösung umspritzt. Auch dieses, besonders von Halban und Hoehne geübte Verfahren, wird gelegentlich anzuwenden sein. Die Annahme, daß bei Enteroptose und Hängebauch ursächliche Zusammenhänge mit der Bauchdeckenhyperästhesie bestehen, scheint sich insofern nicht haltbar zu erweisen, als trotz entsprechender Maßnahmen gegen den Hängebauch durch orthopädische Mieder die Schmerzhaftigkeit erhalten bleibt.
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Kahr, H. (1937). Die Bauchdeckenhyperästhesie und ihre Behandlung. In: Konservative Therapie der Frauenkrankheiten. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-02087-6_10
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