Zusammenfassung
Noch immer ist es der Weltgesundheitsorganisation nicht gelungen, den Begriff Gesundheit zu definieren. Viel weniger wissen wir, was Krankheit ist. Fragen wir einen Anatom, einen Pathologen, einen Internisten oder einen Allgemeinpraktiker nach seiner Meinung, so werden wir jeweils unterschiedliche Antworten erhalten. Und doch sehen wir Ärzte in der Praxis uns tagtäglich dem Phänomen ‚Krankheit‘ gegenüber, das es zu behandeln gilt. Bei dem Versuch, uns diesem Phänomen zu nähern, kann uns vielleicht die Kenntnis der subjektiven Erlebnisweise dessen hilfreich sein, der damit lebt. Wir lassen deshalb ganz bewußt den Krankheitsbegriff der Naturwissenschaft außer acht und definieren anders. So schreibt zum Beispiel Fürstenau1: „Psychotherapie ist die Behandlung von Störungen des Erlebens und des Sichverhaltens mittels seelischer Einflußnahme“. Störungen des Erlebens und des Sichverhaltens sind es also, die wir mit Psychotherapie behandeln wollen. Dabei bleibt offen, ob diese Störungen das Soma oder die Psyche betreffen, denn nach einhelliger Auffassung können Störungen des Erlebens und des Sichverhaltens sowohl zu körperlichen Erkrankungen führen, etwa im Sinne der psychosomatischen oder somatopsychischen Krankheiten, als auch zu rein psychischen Leiden wie zum Beispiel zu Neurosen. — Mit der Definition von haben wir das Objekt unserer Behandlung ausreichend scharf definiert. Später werden wir noch überlegen müssen (s. u.), welche Einschränkungen des Indikationsgebietes die Kurzpsychotherapie im Speziellen erfordert. Zunächst begnügen wir uns festzustellen, daß das Objekt unserer Behandlung die Störungen des Erlebens und des Sichverhaltens sein sollen. Wir bedienen uns dabei seelischer Mittel, die wir unter dem Oberbegriff ‚Psychotherapie‘ zusammenfassen.
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Rechenberger, HG. (1974). Notwendigkeit einer Kurzpsychotherapie. In: Kurzpsychotherapie in der ärztlichen Praxis. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-00962-8_1
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