Zusammenfassung
Schuld ist der subjektive Tatbestand des Verbrechens im Gegensatz zum objektiven. Genauer: Schuld sind die seelischen (psychischen) Beziehungen des Täters zu seiner Tat, die uns berechtigen, ihm aus dieser Tat einen Vorwurf zu machen und die deshalb unser Recht zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit fordert3.
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Literatur
Vgl. oben S. 84. Dazu eingehend Strafr. II, 270–288. Wenn wir im Strafprozeß den Angeklagten „schuldig“ sprechen, so gebrauchen wir das Wort im weiteren Sinne. Es umfaßt dann den gesamten, objektiven wie subjektiven Deliktstatbestand. — Bei der Strafzumessung handelt es sich ferner auch um größere oder geringere Schwere der Schuld. Hier beim Verbrechensbegriff dagegen nur um deren Vorhandensein (Strafbarkeit) oder Fehlen (Freisprechung). Logische Voraussetzung der „Schuld” ist stets, daß der Täter eine objektiv rechtswidrige und strafbare Handlung beging. Denn in der seelischen Beziehnung auf etwas Verbotenes, hier Strafbares, liegt das Wesen der Schuld vgl. oben S. 108 Anm.
Vgl. oben S. 9/10 (allgemein); S. 12, 15 (römisch); 21 (germanisch); 22 (fränkisch); 26 (Mittelalter). Dazu Strafr. II, 272/73.
Vgl. oben S. 32; näher Strafr. II, 272/73, 300/301.
Nicht Schuldvoraussetzung, sondern erstes grundlegendes Element der Schuld selbst; denn bei ihrem Fehlen entfällt der Schuldvorwurf.
Über die heutige eingehende Literatur zum Schuldbegriff vgl. näher, auch kritisch, Strafr. II, 273–279. Über das Erfordernis, die Eigenschaft der Tat als Unrecht begreifen zu können (sog. „normative“ Schuldauffassung) unten beim Vorsatz, S. 139ff. (näher Strafr. II, 279/80).
Und zwar gerade der Determinismus zu befriedigender Erklärung; dazu eingehend Strafr. II, 281–287, und meine dort zit. früheren Arbeiten.
Nicht bei den Übertretungen; vgl. RG. E. 38, 104; unten § 94.
Vgl. näher Strafr. II, 287/88. Durchgreifenden Fortschritt brachte hier die Reichsabgabenordnung v. 1919/31 § 395 (Straffreiheit bei unverschuldetem Rechtsirrtum).
Denn Strafe ohne Schuld ist ungerecht und schädigt damit den Staat, auch wenn sie ihm Geld einbringt. Anders steht es mit widerlegbaren Schuldvermutungen; vgl. das Folgende. Über Teilnahme unten S. 129 Nr. 3.
Beispiele: StrGB. § 186 (erweislich wahr); § 259 („oder den Umständen nach annehmen muß“); Preßgesetz 1874, § 20 Abs. 2 (Haftung des verantwortlichen Redakteurs). Dazu unten Teil III (Besonderer Teil).
Beispiele: StrGB. §§ 224, 226; vgl. dazu unten S. 148, V.
Vgl. oben S.9/10 (allgemeingeschichtlich); 12 (altrömisch); 21 (germanisch).
Vgl. oben S. 15, Anm. 3 (römische Kaiserzeit); 26, Anm. 1 (Mittelalter); 32, Anm 3 (Carolina); dazu Strafr. II, 289.
Dazu eingehend Strafr. II, 289–300, und meine dort zit. früheren Arbeiten.
Über ihre Eigenschaft als Grundlage der Schuld vgl. oben S. 126, III. —Systematisch betrachtet ist Zurechnungsfähigkeit strafrechtliche Handlungsfähigkeit.
Das StrGB. § 51 führt diese biologischen Grundlagen der Zurechnungsfähigkeit in negativer Fassung vor. Dazu ist zu bemerken: a) Das Wort „Bewußtlosigkeit“ (StrGB. § 51) umfaßt auch schwere Bewußtseins störungen (anerkannt; vgl. auch RG. E. 5, 338, Trunkenheit). b) Der Ausdruck „krankhafte Störung der Geistestätigkeit” (§ 51) umfaßt auch vorübergehende Störungen; dazu RG. E. 7, 427; 63, 46. c) Verstandesreife, vom StrGB. nur bei Jugendlichen (früher §§56,57) und Taubstummen (§ 58) besonders erwähnt, ist allgemeines Erfordernis der Zurechnungsfähigkeit (herrschende Ansicht, auch RG.; vgl. E. 23, 351). Sie bedeutet das zur Einsicht in die rechtliche Bedeutung der Tat erforderliche Maß von Kenntnissen und Urteilsfähigkeit, also eine intellektuelle, nicht eine sittliche Fähigkeit; vgl. auch E. 15, 97; 33, 108; 47, 385. — Über sittliche Reife bei Jugendlichen unten S. 130. Dem Erwachsenen machen wir mangelnde sittliche Reife mit Recht gerade zum Vorwurf. Näher zum Vorstehenden Strafr. II, 290/92.
Denn dann ist ein Schuldvorwurf unmöglich. Bei bloß befördernder Bedeutung besteht verminderte Zurechnungsfähigkeit, vgl. unten S. 129. Im Zweifel ist mangels Feststellbarkeit der Zurechnungsfähigkeit f reiz u s p r e ehe n; vgl. auch E. 21, 131; 63, 46.
D. h. die schädlichen bzw. gefährlichen Folgen zu erkennen (vgl. auch E. 47, 385) und darauf das Urteil zu gründen, daß die Tat sicher oder möglicherweise rechtlich verboten ist; vgl. Strafr. II, 294.
Das kann z. B. vorkommen bei Angetrunkenheit (vgl. RG. E. 63, 46), Hypnose, Epilepsie, bei sexuell perversen Geisteskranken usw. Vorstehende nähere Erfassung des psychologisch entscheidenden Grades des Defekts verdanken wir erst den Österreichischen Entwürfen (1912, § 3 usw.); ebenso jetzt unsere Deutschen Entwürfe; näher Strafr. II, 293/94. Nur eine ungefähre Kennzeichnung der Zurechnungsfähigkeit ist es, wenn unser Str.GB. § 51 den Ausschluß der freien Willensbestimmung im Sinne des täglichen Lebens (nicht etwa des Indeterminismus) für maßgebend erklärt. Gleiches gilt von der Fassung: normale Bestimmtbarkeit durch Motive (v. LISZT); vgl. näher Strafr. II, 292/93. Geradezu falsch, auch praktisch unbrauchbar, ist die stellenweise vertretene Auffassung der Zurechnungsfähigkeit als Straffähigkeit; die Schuld bezieht sich auf die Tat, nicht auf deren Folgen; vgl. näher Strafr. II, 294/95.
Vgl. insbes. Gerland, S. 79, 82; V. Lcszt-Schmidt, 25. Aufl., S. 226, 230/31, 234; anders früher v. LISZT, 21./22. Aufl., 1919, §§ 37/38.
Vgl. die Motive (Reichstagsvorlage, S. 56); dazu auch RG. E. 15, 97; näher Strafr. II, 295.
Daher Strafbarkeit bei den im gemeinen Recht streitigen sog. actiones 1 i b e r a e in causa (d. h. Handlungen, die im Entschluß — nicht in der Ausführung — frei sind). Heute anerkannt; vgl. auch RG. E. 22, 415; näher Strafr. II, 296. Beispiel: Der Weichensteller weiß, daß er zu bestimmter Zeit die Weiche zu stellen hat. Um dies nicht zu tun, betrinkt er sich sinnlos und bringt so den Zug zur Entgleisung (entsprechend bei Fahrlässigkeit).
Beispiel: Taschendiebstahl gegenüber Fundunterschlagung. Vgl. auch RG. E. 5, 338 (Störung des Gottesdienstes). So auch, wenn dieselbe Tat mehrere Gesetze verletzte (Ideal-bzw. Gesetzeskonkurrenz); vgl. RG. E. 11, 387 (unzüchtige Handlungen und Nötigung); E. 47, 385. Näher Strafr. II, 296/97.
Vgl. oben S. 126; auch RG. E. 29, 130; 50, 199; 56, 211.
Dieser ganze Standpunkt ist wissenschaftlich wie praktisch gleich verfehlt. Dagegen auch unsere Entwürfe seit 1913, wie das Jugendgerichtsgesetz, unten S. 130. Haltbar ist allein die Entscheidung, daß Schuldausschluß nur für den wirkt, bei dem er vorliegt; dazu unten S. 162 ff.; näher Strafr. II, 297/98.
Nach der früheren Fassung des StrGB. (§ 55) waren K inder unter 12 Ja hr en straffrei (evtl. Erziehungsmaßregeln nach Landesrecht). Jug endliche (12 bis 18 Jahre) waren bei Mangel der zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderlichen „Einsicht“ freizusprechen (evtl. unter Anordnung der Verbringung in Erziehungsanstalt); sonst milder strafbar (§§56/57). Über die große kriminalpolitische Reformbewegung auf diesem Gebiet (auch Jugendwohlfahrtsgesetz v. 1922) vgl. oben S. 65; eingehend Strafr. I, 559/61; II, 299/300.
Vgl. näher das Gesetz § 3 (anders bei Erwachsenen, vgl. oben S. 128, Anm. c). Auch bei Vorliegen dieser Erfordernisse hat das Gericht von Strafe abzusehen, falls Erziehungsmaßregeln ausreichen (§ 6). Es kann ferner Erziehung neben der Strafe wie bei Freisprechung anordnen (§§ 5, 7, 8).
Unzulässig sind danach: Todesstrafe, lebenslange Freiheitsstrafe, Zuchthaus, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Überweisung an die Landespolizeibehörde (Arbeitshaus, StrGB. § 362), Polizeiaufsicht. An die Stelle von Todesstrafe bzw. lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Gefängnis (bzw. Festungshaft) von 1 bis 10 Jahre, an die Stelle zeitiger Zuchthausstrafe Gefängnis. Im übrigen ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der angedrohten Strafart und der Hälfte des Höchstbetrages der angedrohten Strafe zu bestimmen. — Diese Regelung schließt wesentlich an den früheren Rechtszustand an. Über bedingte Strafaussetzung (sog. bedingte Verurteilung) vgl. näher das Gesetz §§ 10–15; dazu unten § 100, VII. Der Strafvollzug soll die Erziehung fördern (§ 16).
Ebenso Begünstigung und Hehlerei.
Der Schuldausschluß wirkt also hier nur persönlich für das Kind bzw. den Jugendlichen, in dessen Person er vorliegt. Diese Regelung ist auch grundsätzlich allein richtig und praktisch brauchbar; vgl. oben S. 129, Anm. 6. Verfehlt ist es, wenn das RG., anschließend an frühere mißglückte Rechtsprechung, hier bloß einen persönlichen Strafausschlie ßungsgrund annimmt Vgl. E. 57, 208. — Neuerdings läßt RG. E. 61, 265 die Frage (unter Hinweis auf die überwiegend gegenteilige Auffassung des Schrifttums) dahingestellt. Eingehend hierüber Strafr. II, 297/98.
Dazu über die Bedeutung der Carolina oben S. 32. Eingehend über die geschichtliche Entwicklung Strafr. II, 300–304; Ausland 304/05.
Ich selbst habe der näheren Feststellung des Vorsatzbegriffs als der gewollten Verwirklichung des Deliktstatbestandes eingehende wissenschaftliche Arbeit gewidmet und fasse im folgenden ganz kurz zusammen. Vgl. dazu zuerst v. IIIPPEL, Grenze v. Vorsatz u. Fahrlässigkeit, 1903; dann V.D.Allc. T. III, 1908 (rechtsvergleichend); später wiederholte Arbeiten, zitiert Strafr. II, 306; dazu Strafr. II, 306–326: ferner unten S. 139, Anm. 1.
Daß unser geltendes StrGB. als Vorsatz den verbrecherischen Willen betrachtet, ist schon nach dieser Entwicklung zweifellos, überdies in den Motiven ausdrücklich ausgesprochen; vgl. näher Strafr. II, 307. Ebenso jetzt das Bürgerliche Gesetzbuch einschließlich Reichsgericht und herrschender Lehre; vgl. Strafr. II, 308. Im Gesetz selbst fehlt leider (vgl. näher Strafr. II, 303/04) eine Begriffsbestimmung des Vorsatzes; nur die Preußische Bestimmung über sog. Tat -irrtum fand in § 59 Abs. 1 StrGB. Aufnahme. Danach schließt Unkenntnis von „Tatumständen, welche zum gesetzlichen Tatbestande gehören oder die Strafbarkeit erhöhen“, den Vorsatz aus (Abs. 2 betrifft die Fahrlässigkeit). „Tatirrtum” ist also nicht etwa Irrtum über Tatsachen, sondern über gesetzliche Tatbestandsmerkmale (auch rechtliche, z. B. die Eigenschaft der Sache als fremder). Bei Unkenntnis eines Tatbestandsmerkmals fehlt also der Vorsatz, und zwar deshalb, weil Nicht-Vorgestelltes niemals gewollt sein kann. Beispiel: Der Täter hat den Menschen, auf den er schoß, für ein Stück Wild gehalten (keine vorsätzliche Tötung). Oder er hat die straferhöhende Eigenschaft des Getöteten als Aszendenten nicht erkannt (kein Aszendententotschlag; vgl. StrGB. § 215). Dazu unten S. 137, II.
In zahlreichen Entscheidungen; Beispiele im folgenden.
Näher Strafr. II, 306. 6 Vgl. dort 324/26.
Vgl. dort 304/05.
So wiederholt das RG.; vgl. z. B. E. 44, 325; 51, 311. Die obige erste Fassung ist schärfer, die zweite vielleicht anschaulicher. Beide gehen davon aus, daß gewollt nur sein kann, was sich der Täter — mindestens als möglich — vorstellte, und betonen, daß der Wille auf die Verwirklichung des gesamten Deliktstatbestandes gerichtet sein muß. Das „Wollen der Deliktsmerkmale“ (zweite Fassung) ist eine leichtverständliche Abkürzung hierfür; vgl. näher Strafr. II, 306/07.
D. h. selbstverständlich: Des Erfolges im weiteren Sinne, also der Verwirklichung des gesamten Deliktstatbestandes; vgl. oben S. 92.
Die psychologische Literatur bietet hier wenig von Bedeutung; vgl. Strafr. II, 308. Die folgende Klarstellung beruht auf meiner eigenen Arbeit (vgl. oben S. 131, Anm. 1), auf die ich zur näheren Begründung verweise.
Die hohe praktische Bedeutung der Frage gerade für das Strafrecht liegt darin, daß die Fahrlässigkeit grundsätzlich milder und überwiegend nicht strafbar ist; vgl. unten S. 146.
Vgl. näher Strafr. II, 308/09.
Bei den reinen Unterlassungsdelikten — Omissivdelikten, oben S. 100 — handelt es sich um Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes; vgl. näher Strafr. a. a. O.
Bei dieser Einschätzung spielen Verstand und Gefühl in mannigfacher Verbindung die maßgebende Rolle.
Wie im Bilde der Gegenwart.
Denn was als einheitlicher Vorstellungskomplex den Entschluß hervorruft, ist damit notwendig auch als solcher Gegenstand des Willens, also gewollt und damit vorsätzlich herbeigeführt. Beispiel: Der Käufer will nicht nur die Ware, sondern auch die Geldausgabe dafür.
Vgl. näher Strafr. II, 309/313.
Beispiel: Rettungsversuche aus Gefahr, Mord aus Rache, beides bei geringer Erfolgsaussicht.
An diesen Fall denkt zunächst jeder, weil nur die Vorstellung erwünschter Folgen den Willensentschluß hervorzurufen vermag.
Hier weiß der Täter: Wenn ich mein Ziel erreiche (was durchaus unsicher sein kann), so tritt notwendig zugleich die Folge X ein. Dann ist X mitgewollt als notwendiger Bestandteil des vorgestellten und erstrebten Gesamt e rg e b ni s s e s; vgl. näher Strafr. II, 310. — In solchem Sinne auch mehrfach die Literatur wie das RG.: vgl. E. 31, 217; siehe auch E. 24, 55; 25, 427; 27, 241; näher Strafr. II, 311. Es entspricht dies auch durchaus der Auffassung des täglichen Lebens: Beispiel: Bergbesteigung, erwünscht die Aussicht; als notwendig mitgewollt: unbequemer An-und Rückmarsch, mangelhaftes Nachtquartier.
Dies ist der im Strafrecht praktisch häufigste Fall des Vorsatzes. Beispiel: Raubmord; Vermögensdelikt zwecks Befriedigung wirtschaftlicher Bedürfnisse usw.
Beispiel: Umstürzen eines Motorrades mit 2 Fahrern aus Rache gegenüber dem ersten. Das Umstürzen des zweiten (Körperverletzung) ist mitgewollt.
Beispiel: Schuß auf Pappscheibe. Als notwendig mitgewollt die weitere Folge der Sachbeschädigung des fremden Gegenstandes, auf dem der Täter sie befestigte.
Vgl. zur Begründung eingehend Strafr. II, 311–316. — Auch der dolus eventualis ist in Deutschland anerkannt; in breitem Umfang auch im Ausland (vgl. Strafr. II, 305, und neuerdings Z. 51, 154).
Das Reichsgericht (zahlreiche Urteile, vgl. näher Strafr. II, 312) kennzeichnet den dolus eventualis durch Erläuterungen, wie Einverständnis, einwilligen, billigen, im voraus genehmigen; Wille, die Folgen evtl. auf sich zu nehmen; Rechnen mit der Möglichkeit usw. Im Gegensatz dazu die Fahrlässigkeit: den Erfolg Vermeiden-Wollen; an den Nicht -Eintritt glauben; auf einen vorteilhaften Ausgang rechnen; innerlich ablehnen; auch mit der Fassung: wenn ihn die Gewiß heit des Erfolges von der Tat abgehalten hätte. Durchaus entsprechend die Literatur wie der 24. Deutsche Juristentag (Posen, 1898). Meine obige Fassung ist eine schärfere begriffliche. Bestritten wurde der dolus eventualis in Deutschland nur vereinzelt, so insbes. von v. BAR und LIEPMANN; vgl. näher Strafr. II, 318.
Beispiele: Schuß auf den Beamten, um sich jedenfalls von der Verfolgung zu befreien (vorsätzliche Tötung); Beschwören möglicherweise unrichtiger Tatsache, um auf jeden Fall den Angeklagten zu retten (Meineid; vgl. auch RG. E. 61, 159); Eisenbahntransportgefährdung, zugleich als vorsätzliche Tötung (Attentat in Leiferde, 1926); E. 4, 38 (dolus eventualis bei Bigamie); E. 10, 337 (betr. § 176 3); E. 26, 314 (Desertion, § 141, Rettung des Sohnes vor Selbstmord, einerlei wie); E. 18, 309 (§ 271; Falschbeurkundung möglicherweise unrichtigen Geburtsjahres); E. 12, 64; 59, 3/4 (Explosion; Sprengstoffgesetz); E. 10, 234 (§ 292; Handeln unbekümmert um die Jagdbarkeit); E. 26, 242 (Körperverletzung); weitere Fälle Strafr. II, 212.
Sog. bewußte Fahrlässigkeit (luxuria); vgl. unten S. 143.
Beispiele: Bewußt unvorsichtiges Fahren, wobei der Genosse oder ein Dritter tödlich verunglückt; Rauchen im Bette (fahrlässige Brandstiftung); lebensgefährliche Operation mit Todeserfolg wegen Kunstfehlers.
Vgl. näher Strafr. II, 314/16.
Denn was nicht mindestens als möglich vorgestellt ist, kann überhaupt nicht gewollt sein.
Denn dann fragt es sich gerade erst (vgl. oben), ob dolus eventualis oder bewußte Fahrlässigkeit vorliegt.
Denn die Hoffnung auf deren Ausbleiben kann niemals entscheidend für die Vornahme der Handlung sein. Vgl. auch RG. E. 10, 337 (StrGB. § 1763: Das Alter unter 14 Jahren dem Täter gleichgültig). Entsprechend E. 20, 235 (StrGB. § 348); E. 25, 222 (StrGB. § 259). So auch überwiegend die Literatur.
So auch die herrschende Ansicht und RG.; vgl. insbes. E. 19, 90 usw.; neuerdings E. 56, 169; 61, 159. Ungenau ist danach die öfters auftretende Fassung, daß der Täter beim dolus eventualis den Erfolg wolle „für den Fall seines Eintritts“; vgl. näher Strafr. II, 314/15.
Sie wurde rein empirisch zunächst von FRANK (1890) aufgestellt. Ich wies nach, daß FRANKS Formel (von mir gebrauchter Ausdruck, heute üblich) auf der Willenstheorie beruht und psychologisch richtig ist. Sie wird heute in der Literatur (hier einzelne Gegner) wie vom RG. verwertet. Vgl. E. 22, 65 (Vereinigte Strafsenate) und E. 33, 4 (das eingehendste Urteil betr. dolus eventualis); näher Strafr. II, 316/17.
Denn dann war die Hoffnung auf das Ausbleiben dieser Folge nicht entscheidend für Vornahme der Tat. Beispiel: Der Täter verkauft einen möglicherweise unechten Gegenstand zum vollen Preise als echt (vorsätzliche Vermögensbeschädigung, Betrug).
Beispiel: Der Schütze auf der Treibjagd schießt in gefährliche Nähe des Nachbarn; fahrlässige Körperverletzung (bei sicherer Vorstellung des Erfolges hätte er nicht geschossen).
Vgl. näher Strafr. II, 317/18.
D. h. hier: Die übertriebene Wertschätzung der eigenen Interessen gegenüber denen der Rechtsordnung, auch wenn erstere altruistischer Art waren.
Nähere Darstellung und Kritik Strafr. II, 319/22, und eingehend meine oben S. 131 Anm. 1 zit. früheren Arbeiten.
Vgl. die vorausgehende Darstellung.
Vgl. zur Kritik Strafr. II, 220. So neuerdings noch SAUER, Z. 51, 164ff. Eine Kombination erstrebt ENGrscx, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1930 (vgl. insbes. S. 129, 234). Über sonstige abweichende Ansichten Strafr. II, 322/23.
Beispiele oben S. 132, Anm. 9.
Beispiel: Höchst lebensgefährliche Operation trotz verweigerter Einwilligung; Erfolg: Tod. Der Tod ist zweifellos nicht vorsätzlich herbeigeführt.
So möglicherweise in Fällen der Beispiele oben S. 134, Anm. 1; 135 Anm 2, 3.
Beispiele: Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ (Strgb. § 223a); § 221: Aussetzung Hilfloser, d. h. vorsätzliche Verbringung in eine das Leben gefährdende Lage; vgl. dazu über Verletzungs-und Gefährdungsdelikte oben S. 87.
Sachlich umfaßt ein Deliktstatbestand vorsätzlicher Gefährdung (z. B. vorsätzlicher Lebensgefährdung) sämtliche Fälle vorsätzlicher sowie die große Mehrzahl (nicht alle) Fälle bewußt fahrlässiger Verletzung, und zwar letztere ohne Rücksicht auf den Eintritt des Erfolges; vgl. näher, auch kritisch, Strafr. II, 328/29.
Insbes. genügt auch hier dolus eventualis; vgl. auch RG. E. 43, 383 (am Schluß; betr. StrGB. § 297); näher Strafr. II, 326/27.
Der Vorsatz der Verletzung schließt also, falls er vorliegt, den der Gefährdung ein, nicht etwa aus (wie öfters behauptet wird). Beide Vorsätze können auch als direkte (nicht nur als eventuelle) zusammentreffen. Unrichtig insoweit RG. E. 25, 321; E. 62, 8 (betr. §§ 217, 221); vgl. näher Strafr. II, 328.
So auch insbes. Frank; näher a. a. O., auch gegen Gesetzeskonkurrenz. Dazu unten S. 191, Anm. 2. 8 Näher Strafr. II, 329/30.
So vielfach im früheren Recht. Heute z. 13. in StrGB. § 43, 461; § 266 (vgl. RG. E. 53, 194).
Also im Gegensatz zum dolus eventualis. So nach RG. E. 27, 241; 59, 315; in Strgb. § 288; E. 39, 138 betr. Konkurs-Ordg. § 241.
Absichtsdelikte im technischen Sinne. So insbes. Diebstahl, Betrug usw., bei denen die Absicht auf einen jenseits des objektiven Deliktstatbestandes gelegenen, zukünftigen Erfolg gerichtet ist (Zuneigung, Bereicherung usw.); vgl. dazu RG. E. 50, 55; auch E. 49, 140; 55, 261. Gleiche Bedeutung hat die Fassung „umChrw(133) zu“ (z. B. Strgb. §§ 131, 229, 257). — In diesem technischen Sinne verwerten jetzt unsere Entwürfe das Wort „Absicht”; vgl. näher Strafr. II, a. a. O.
Beispiele: StrGB. §§ 48 Abs. 2, 49; §§ 127, 153/54, 257; näher Strafr. II, 330.
So insbes. in der Wendung „wider besseres Wissen“, StrGB. §§ 164, 187, 189, 278 (dazu E. 32, 302); aber auch sonst, z. B. in § 131; näher a. a. O. In diesem Sinne jetzt auch die Entwürfe.
Erfordernis beim Mord (Strgb. § 211); dazu RG. E. 48, 174; 55, 208; 62, 196; näher Strafr. II, 330.
Beispiele StrGB. §§ 103a, 134, 135, 223a Abs. 2, 36013; dazu E. 48, 174; E. 58, 336; näher a a. O.
StGB. § 59 Abs. 1; vgl. näher oben S. 131, Anm. 2.
Eine Irrtumslehre also hat hier lediglich Zweifelsfälle durch Anwendung des Vorsatzbegriffs zu entscheiden; sonst irrt sie selbst; vgl. näher Strafr. II, 331/32.
Beispiel: Der Täter hielt den Menschen, auf den er schoß, für ein Stück Wild (keine vorsätzliche Tötung); er hielt die fremde Sache für herrenlos (kein Diebstahl).
Beispiel: Der Täter erschießt den A, den er für B hielt; vorsätzliche Tötung (denn beide sind Menschen). Oder: er will einen echten Schmuck stehlen, dieser aber ist unecht; vollendeter Diebstahl (fremde Sache).
Beispiel: Der gegen A gerichtete Schuß trifft den B. Vorstehenden Standpunkt betr. error und aberratio vertritt auch das RG. (E. 19, 179; 58, 28) wie überwiegend die Literatur; vgl. näher Strafr. II, 334.
Den Fällen des error entsprechend liegen diejenigen, in denen der Vorsatz während der Tat we chs elt. Beispiel: Der Einbrecher will Geld stehlen, nimmt dann Silberzeug; vgl. dazu (teilweise abweichend) RG. E. 14, 312ff.; näher Strafr. II, 335. Dort auch über die seltenen Fälle des sog. dolus alternativus.
Z. B. Beamter, Pfändung, Beschlagnahme, fremde Sache, öffentliche Urkunde usw.; vgl. näher Strafr. II, 331/33.
Beispiel: Wer die Eigenschaft der Sache als fremder nicht kennt, ist kein Dieb; wer die Eigenschaft der Vortat als strafbarer nicht kennt, kein Hehler, kein Begünstiger; vgl. RG. E. 13, B.
Ich habe diesen Ausdruck wohl zuerst gebraucht und er ist heute üblich geworden.
Beispiele: Urkunde (vgl. RG. E. 39, 370; 40, 203); Unzucht; Beamter (vgl. E. 53, 131; 57, 366); vgl. im Einzelnen den Besonderen Teil.
Verfehlt ist es, wenn das RG. hier Strafrechtsirrtum für gleichgültig. au ßerstrafrechtlichen für erheblich erklärt. Einmal ist diese Unterscheidung überhaupt grundsätzlich abzulehnen (vgl. unten S. 140). Sodann aber handelt es sich in unserem Falle nicht um Irrtum über das Verbotensein der Tat (Rechtsirrtum), sondern über Tatbestands merkmale. Solcher aber schließt, soweit er vorliegt, unter allen Umständen den Vorsatz aus. Gegen das RG. auch die Wissenschaft wie die Entwürfe; vgl. näher Strafr. II, 332/33.
Vgl. näher Strafr. II, 336/37.
Beispiel: Schuß mit Tötungsvorsatz: Eintritt des Todes infolge Vernachlässigung der Wunde oder durch Unglücksfall im Krankenhaus. Im ersten Falle adäquate Verursachung, im zweiten nicht.
Das RG. stimmt hiermit insoweit überein, als es im entsprechenden Falle der Fahrlässigkeit wiederholt für maßgebend erklärte, ob der Kausalverlauf innerhalb der Grenzen der gewöhnlichen Erfahrung lag oder in irgendeinem Punkte ein ganz ausnahmsweiser war. Vgl. E. 6, 146; 15, 345; 28, 273; 29, 219; 34, 91 (dazu unten S. 145 Nr. 3). Vgl. oben S. 97, Anm. 3. In der Literatur wird hier ein Sonderfall, der sog. dolus generalis erörtert. Er liegt vor, wenn der Täter den Erfolg (z. B. des Todes) bereits als gegeben ansah und ihn in Wahrheit erst durch weitere Handlungen (z. B. Verbrennen der Leiche) herbeiführte. M. E. liegt (bei adäquater Verursachung, wie z. B. in diesem Falle) vollendetes vorsätzliches Delikt vor. Überwiegend wird nur versuchtes vorsätzliches Delikt angenommen, evtl. in Konkurrenz mit vollendetem fahrlässigen.
Dazu eingehend Strafr. II, 337–355 und meine dort zit. früheren Arbeiten. Als Zusammenfassung: D. Bewußtsein d. Rechtswidrigkeit, 1924 (Vortrag in der JKV., Hamburg, auch gesondert erschienen), und neuerdings: Vorsatz u. Bewußtsein d. Rechtswidrigkeit, Z. 51, 153–164, 1931 (Gutachten f. d. intern. Gefängniskongreß in Prag; hier internationale Darstellung). Vgl. auch oben S. 131, Anm 1
Dieser liegt, bewußt oder unbewußt, der Gedanke zugrunde, daß der Täter die Anforderungen des Rechts stets kennt oder mindestens kennen muß. Das kann für einfachere Rechtszustände durchaus zutreffend und brauchbar sein.
In unseren heutigen komplizierten Verhältnissen kommen wieder und wieder Fälle vor, in denen der Täter angesichts schwierigerer Sach-bzw. Rechtslage das Verbotensein seines Tuns nicht erkannte, oft sogar nicht erkennen konnte. Allein das Reichsgericht erließ bis 1922 ungefähr 250 Urteile über Rechtsirrtum; auf Grund Bundesratsverordnung v. 1917 (vgl. unten S. 142, Anm. 4) erfolgten wegen schuldlosen Rechtsirrtums über Kriegsnotgesetze in 8 Monaten 1765 Einstellungen; vgl. näher Strafr. II, 338.
Strgb. § 59 bezieht sich lediglich auf die Unkenntnis von Tatbestandsmerkmalen des einzelnen Deliktstatbestandes; vgl. oben S. 131, Anm 2, 137, Anm. 5; näher Strafr. II, 338/39.
Sog. Putativnotwehr, Putativnotstand usw.; vgl. oben S. 109, Anm. 4. usw.; näher Strafr. II, 339.
Beispiele: Strgb. §§ 239, 303 usw.
So ein Teil der Literatur und des RG., z. B. E. 20, 393; 26, 265; 37, 142; 51, 12/13. Vgl. näher Strafr. II, 340. M. E. ist dies nur für einen Teil dieser Fälle zutreffend; vgl. oben S. 110/111.
So insbes. Bncding und seine Anhänger; näher Strafr. II, 341.
So insbes. Liepmann, Finger, Graf Donna, V. Liszt-Schmidt Usw.; näher Strafr. II, 341.
So insbes. A. Merkel, M. E. Mayer, Frank; Vgl. näher a. a. O.
Also rein psychologische Auffassung; so insbes. v. LISZT (noch 21./22.Aufl. 1919, S. 172/73); näher Strafr. II, 342.
Massenhafte Urteile (vgl. oben S. 139, Anm. 3), aber niemals ernstlich begründet; dagegen die gesamte Wissenschaft. Vgl. näher Strafr. II, 343/46.
Da hierfür weder die systematische Stellung der Vorschrift noch die Straffolge maßgebend ist.
Kritik: Dann gäbe es überhaupt nur Strafrechtsirrtum. Denn entweder regelt das Strafgesetz eine Rechtsfrage selbst oder es nimmt auf andere Gesetze Bezug.
Vgl. näher Strafr. II, 343/46 und dort zit. frühere Arbeiten. Ganz verfehlt ist es, daß das RG. auch bei Unkenntnis einzelner Deliktsmerkmale Vorsatz annimmt, wenn jene Unkenntnis auf „Strafrechtsirrtum“ beruht. Kritik: Unkenntnis von Tatbestandsmerkmalen schließt stets den Vorsatz aus (StrGB. § 591); vgl. oben S. 131, Anm 2, 137, Anm 5
Vgl. über diesen meinen Standpunkt eingehend Strafr. II, 342, 346–350, und dort zit. frühere Arbeiten; dazu oben S. 131 Anm 1, 139 Anm. 1. Hervorzuheben ist: Die Schuld bezieht sich auf die Eigenschaft der Tat als rechtswidriger (rechtlich verbotener), nicht als pflichtwidriger (unsittlich, antisozial usw.). Denn wir strafen nicht pflichtwidriges, sondern rechtswidriges Verhalten. Wer aber schuldhaft-pflichtwidrig handelt, hat meist (nicht immer) auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit oder sollte und könnte es haben. Insoweit bildet solches Verhalten häufig ein wertvolles Indiz für schuldhafte Rechtswidrigkeit.
So auch die heute durchaus herrschende Ansicht in der Literatur; vgl. Strafr. II, 350. Das Bürgerliche Recht verneint Schadensersatzpflicht bei schuldlosem Rechtsirrtum; um so weniger ist Bestrafung haltbar; vgl. Strafr. II, 349.
Denn der Untertan ist verpflichtet, sich nach Möglichkeit um das Gesetz zu kümmern. Ein Staat, der auf diese grundsätzlich berechtigte und notwendige Forderung verzichten wollte, würde die Geltung seiner eigenen Rechtsordnung untergraben. Dies um so mehr, als der Nachweis des Vorsatzes hier in massenhaften Fällen nicht zu führen wäre. Betr. RG. unten S. 144 Anm. 9. Weder im früheren deutschen noch im ausländischen Recht ist denn auch das Erfordernis des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit für den Vorsatz durchgeführt; vgl. näher Strafr. II, 349; Z. 51, 157ff. Auch die Entstehungsgeschichte unseres StrGB. spricht dagegen; vgl. Strafr. II, 348.
Die Fahrlässigkeit ist nur bei einer Minderzahl von Delikten strafbar.
Beispiel: Vorsätzliche Tötung bei fahrlässiger Annahme der Rechtmäßigkeit (z. B. Notwehr, Waffenrecht). Unzutreffend ist die Behauptung, daß solch kombinierte Schuldform widerspruchsvoll, daher hier Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Kritik: Diese kombinierte Schuldform ist keine juristische Erfindung, sondern eine Tatsache des Lebens. Sie vereinigt in sich Vorsatz (hinsichtl. der Tat) und Fahrlässigkeit (hinsichtl. der Rechtswidrigkeit). Da sie aber kriminalpolitisch Bestrafung verlangt, muß sie zum Vorsatz gerechnet werden. Das entspricht auch der natürlichen Lebensauffassung: Wenn der Lehrer vorsätzlich einen Schüler schlägt unter fahrlässiger Annahme eines nicht bestehenden Züchtigungsrechts, so wird das niemand für eine fahrlässige Körperverletzung halten. Unserem geltenden Recht ist übrigens auch sonst eine aus Vorsatz und Fahrlässigkeit zusammengesetzte Haftung nicht fremd; vgl. z. B. RG. E. 48, 323 (Übertretungen); näher Strafr. II, 342, 349/50.
Entwurf 1913, verbessert 1919 (hier volle Annahme der von mir vertretenen Dreiteilung); entsprechend die Reichstagsvorlage 1927. (Der Entw. 1925 forderte, über das Ziel schießend, zum Vorsatz die Erkenntnis des Unerlaubten der Tat.) Ferner: Die Bundesratsverordnung v. 18. Jan. 1917 (betr. Kriegsverordnungsrecht) erklärte unverschuldeten Rechtsirrtum ausdrücklich für straffrei (vgl. oben S. 139, Anm. 3); ebenso die Reichsabgabenordnung v. 1919 (§ 358, jetzt 1931, § 395) auf dem Gebiet des Steuerrechts. Näher hierzu und über das Recht des Auslands Strafr. II, 351–355; ferner Z. 51, 157–160.
Vgl. oben S. 15, Anm. 7; 19, Anm. B. In Deutschland erste kasuistische Ansätze in fränkischer Zeit, die sich im späteren Mittelalter mehren. Vgl. oben S. 22, Anm. 11; 26, Anm. 10; näher Strafr. II, 355 und dort zit. Bd. I.
Art. 146, oben S. 32, Anm 4; näher Strafr. II, 355/56.
Näher, auch über die Wissenschaft bis 1870 und über die grundsätzliche Anerkennung im ausländischen Recht, Strafr. II, 356/57.
Nach § 59 Abs. 1 schließt Unkenntnis von Tatbestandsmerkmalen (Erfolg oder sonstige) den Vorsatz aus (vgl. oben S. 140, Anm 2) Anschließend sagt Abs. 2: „Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntnis selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist.“ Also nur schuldlose Unkenntnis von Deliktsmerkmalen schließt die Fahrlässigkeit aus; vgl. den Text unten Nr. IV.
Vgl. näher Strafr. II, 357/58.
Als der gewoliten Verwirklichung des Deliktstatbestandes; vgl. oben S. 131 ff. 11 Vgl. näher Strafr. II, 359/60.
Denn Nicht-Vorgestelltes ist niemals gewollt, vgl. oben S. 134, Anm. 5.
Dies ist der praktisch weitaus häufigste Fall. Beispiel: Verletzung eines Menschen, den der Täter nicht sah (Unkenntnis des Erfolges); Verletzung eines für ein Stück Wild gehaltenen Menschen (Unkenntnis des Deliktsmerkma]s „Mensch“).
Im weiteren Sinne, also Verwirklichung des Deliktstatbestandes; so auch im folgenden.
Beispiel: Bewußt unvorsichtiges Schießen oder Fahren, das den Freund verletzt.
Dies ist das Grenzgebiet der Fahrlässigkeit gegenüber dem dolus eventualis; vgl. oben S. 134/35. — Die Einteilung der Fahrlässigkeit in bewußte und unbewußte ist heute anerkannt; vgl. auch RG. E. 56, 349; 61, 320.
Das wird regelmäßig betont; vgl. auch RG. E. 20, 191; 36, 78; 36, 334ff.; 57, 173. Näher zum Folgenden Strafr. II, 360–364.
Vgl. auch RG. E. 57, 173; dazu oben S. 141, Anm. 1.
So bereits meine früheren Arbeiten. Ebenso heute meist die Literatur, scharf insbes. Frank, § 59, VIII. Ungenau ist die häufige Bezeichnung als pflichtwidrige Unaufmerksam-k ei t; denn Unvorsichtigkeit kann auch bei größter Aufmerksamkeit vorliegen. Direkt unrichtig ist die Kennzeichnung als Voraussehbarkeit (zutreffend RG., E. 30, 50; 57, 173). Fehlt diese, so fehlt allerdings die Fahrlässigkeit; liegt sie aber vor, so ist damit Unvorsichtigkeit, also Fahrlässigkeit, noch keineswegs gegeben; denn auch bei vorsichtigem Verhalten lassen sich voraussehbare Gefahren keineswegs immer vermeiden. Beispiel: Durchgehen eines unruhigen Pferdes (E. 30, 25); sonstige verkehrsmäßige Gefahren; vgl. unten Anm 9
Z. B. des Eisenbahn-oder Baubetriebes, des Straßenverkehrs, des Jagdbetriebes, der ärztlichen Tätigkeit usw. Durch solche Anwendung im Einzelfalle wird der obige, scheinbar sehr allgemeine Maßstab klar und scharf. Vgl. dazu auch RG. E. 39, 3 ff.; 59, 342.
Dessen Nichtachtung man einem verständigen Menschen (verständiger Bauleiter, Arzt, Jäger, Autolenker usw.) noch zweifellos als verkehrswidrige Unvorsichtigkeit in Hinblick auf den Erfolg vorwerfen kann. — So auch vielfach die Literatur wie das RG., z. B. E. 29, 219; 30, 25; 35, 131; 36, 334; 58, 30; vgl. näher Strafr. II, 362.
So mit Recht auch RG. E. 58, 30. Vorsicht ist hier um so nötiger, als für den Zivilrichter die Versuchung naheliegt, zugunsten des Geschädigten zu entscheiden. Sehr richtig schrieb v. BAR, G. u. S. 1I, 476: Nur zu leicht läßt sich „hinterher unschwer deduzieren, wieviel man hätte voraussehen können und müssen“. Im Zweifel ist freizusprechen, weil Fahrlässigkeit nicht feststellbar.
Im Privatrecht arbeitet die herrschende Lehre lediglich mit dem objektiven Maßstab. Für Berücksichtigung auch des subjektiven insbes. Siber und FR. Leonhard; dagegen Oertmann, Leipz. Z. 18, 1924, S. 241ff.
Beispiele: Körperliche Mängel; Fehlen der in der betr. Lage, in die der Täter geriet, nötigen Kenntnisse.
Vgl. näher Strafr. II, 363/64. Herrschende Ansicht, so auch RG., z. B. E. 20, 191 usw.; neuerdings E. 56, 349ff.; 58, 30; 60, 351.
Beispiele: Berücksichtigung von Erregung (E. 58, 30); kollidierende sittliche (E. 36, 81) oder Berufspflichten (E. 20, 191); sonstige Zwangslage (E. 30, 25), keine beliebige Anspannung des Gedächtnisses (E. 57, 234, Falscheid).
Vgl. RG. E. 59, 356; ebenso z. B. Frank, Allfeld. Beispiel: Der Kurpfuscher. Gegensatz: ein bei Unglücksfall unrichtig Helfender.
Wichtig hier RG., 1916, Leipz. Z. 10, S. 1082: Keine allgemeine Pflicht des Staatsbürgers zur Nachforschung in Gesetzblättern und Tageszeitungen; wohl aber Pflicht, sich um die in den eigenen Beruf einschlagenden Rechtssätze möglichst erschöpfend zu kümmern; dazu Strafr. II, 364.
Oder ausführlicher gemäß Entw. 1913 § 19: „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist und infolgedessen entweder nicht voraussieht, daß sich der Tatbestand der strafbaren Handlung verwirklichen könne oder, obwohl er dies für möglich hält, darauf vertraut, daß es nicht geschehen werde“; über die Entwürfe im übrigen vgl. Strafr. II, 367.
Vorsätzliche Lebensgefährdung z. B. bedeutet noch nicht, daß fahrlässige Tötung vorliegt; vgl. RG. E. 57, 172; näher Strafr. II, 365. Dazu oben S. 87, ferner S. 136.
Durch Gesetz (z. B. StrGB. § 3601°, Nothilfe), Verordnung, Dienstinstruktion.
Beispiele: Rasches Fahren, mangelnde Beleuchtung, unterlassene Straßenreinigung usw.
So auch wiederholt das RG.; vgl. E. 3, 208; 6, 41; 14, 362; 15, 345; 20, 190; 59, 341; 61, 320; in gleichem Sinne Frank, Lobe, Ols1rausen; näher Strafr. II, 365/66. Dazu oben S. 102 bei Anm. 10, 11.
So auch im Ergebnis wiederholt das RG., das hier die Fahrlässigkeit verneint; vgl. oben S. 138, Anm. 8; neuerdings scharf E. 56, 350; 61, 320/21; verfehlt das Urteil E. 54, 349 (Kritik: nur fahrlässige Körperverletzung, nicht Tötung); vgl. näher Strafr. II, 366/67.
Blindes Draufloshandeln kann strafwürdiger sein als falsche Überlegung; vgl. näher Strafr. II, 367/68.
Einteilung in leichte und schwere Fahrlässigkeit (culpa levis, lata) ist unserem Strafrecht fremd. Über berufliche Fahrlässigkeit vgl. StrGB. §§ 2222, 2302.
Es ist dies eine Minderzahl von Delikten; die Strafdrohung ist hier mit Recht weit milder als beim Vorsatz. Vgl. StrGB. §§ 222, 230; 309, 316, 318, 326, 329; 163; 1212, 3472; 3452.
Einziger anerkannter Fall im StrGB. selbst ist § 330; vgl. auch RG. E. 25, 91; 29, 73; streitig sind die §§ 259, 139, 154; vgl. näher Strafr. II, 368 und unten den Besonderen Teil. Häufiger sind solche Fälle mangelhafter Redaktion in Nebengesetzen.
Weil bei den geringen Übertretungsstrafen kein Bedürfnis nach besonderen Strafrahmen für Fahrlässigkeit betsand. Vielfach aber handelt es sich auch hier nur um vorsätzliche Delikte (vgl. z. B. §§ 360 11, 13; 3613, 4 [erster Teil]; 363/64/65; 3663,6; 370 4, 5, s Auch sonst ist im Zweifel nur der Vorsatz strafbar; vgl. näher Strafr. II, 368/69.
Dagegen insbes. V. Liszt-Schmidt, Olshausen, Goldschmidt, Frank; näher Strafr. II, 369/70. Über und gegen den Begriff des Polizei-bzw. Verwaltungsdelikts siehe dazu oben S. 87/89.
Vgl. näher Strafr. II, 370.
Früher nahm das RG. bei „präventiv-polizeilichen“ Vorschriften Strafbarkeit der Fahrlässigkeit an; vgl. z. B. E. 38, 104/05; 48, 317. In E. 48, 323 rückt das RG. hiervon ab und erklärt die Lage des Einzelfalles für maßgebend. Noch weiter in dieser Richtung geht zutreffend E. 49, 118; vgl. näher Strafr. II, 370.
Dann gehörte wohl jeder Mensch, und zwar öfters, vor den Strafrichter.
Denn fahrlässige Täter sind keine Verbrecher im gewöhnlichen Sinne; in breitem Umfang handelt es sich hier auch nur um gelegentliche Entgleisungen sonst vorsichtiger und ehrenwerter Menschen. Deshalb ist auch die Forderung verfehlt, die Strafe nach oben an die des Vorsatzes anschließen oder gar übergreifen zu lassen; vgl. näher Strafr. II, 370/71.
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v. Hippel, R. (1932). Die Schuld. In: Lehrbuch des Strafrechts. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-00275-9_9
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