Zusammenfassung
Das Delikt entwickelt sich mit der Verwertung der Schrift im Rechtsleben, zunächst in begrenzten Fällen. Allmählich wird die Urkunde zum allgemeinen Beweismittel im Rechtsverkehr und bedarf als solche des Strafschutzes.
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Literatur
Geschichte: Im römischen Recht ist seit Sulla die Testamentsfälschung strafbar; seit der ersten Kaiserzeit erfolgte allgemeine Ausdehnung auf Urkundenfälschung; vgl. Strafr. I, 647; näher MoMMSaN S. 669ff. — Im kanonischen Recht erscheint die Fälschung von Papsturkunden; der allgemeine Begriff nur stellenweise (Provinzialkonzilien) seit ca. 1200; vgl. Strafr. I, 83; näher Hiuscnius V, 199/200. — in Deutschland treten Fälle von Urkundenfälschung bereits in den Volksrechten auf, das spätere Mittelalter behandelt sie meist gleich der Münzfälschung; vgl. näher His, Strafr. 1928, S. 167/68. — Mit dieser stellt sie auch die tarolina zusammen (Art. 112: Welche falsch siegel, brieff, instrument, urbar, renth oder zinssbücher, oder register machen); vgl. näher Strafr. I, 181/82. — Das Preuß. Landrecht II, 20, § 1380ff. bestraft die Urkundenfälschung lediglich unter dein Gesichtspunkt des Betruges (vgl. dazu auch GOLTD. Mat. II, 563). Allgemeine Fassung dann im Freud. StrGB. 1851, §§ 247ff.
Vgl. unten S. 350. Ebenso die Entwürfe.
Zur Grenzverrückung vgl. römisch MOMMSEN, 822; deutsches Recht His, Strafr., 1928, S. 168; Carolina, Art. 114 (Strafr. I, 182).
Zur Vermeidung von Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung des Preuß. StrGB.; vgl. Motive, Reichstagsvorlage S. 78/79.
Beispiele: Gesetzliche Abkürzungen: Wechsel, Eisenbahnfahrkarte, Stempel auf Frachtbrief E. 46, 293. — Verkehrssitte: Theaterbillet, Eigentumszeichen auf Tieren; beglaubigtes Handzeichen (3 Kreuze) E. 62, 261. — Vereinbarung: Chiffreschrift.
So der Entw. v. 1913 § 12 Nr. 6; Entw. 1919 § 9 Nr. 7. — Fast wörtlich ebenso — als ständige Rechtsprechung — RG. E. 46, 293 (1912); vgl. auch z. B. E. 64, 98. Verfehlte Einengung des Begriffs in Entw. 1925/27; zur Kritik oben Anm. 5.
Es muß also fur den, der die betr. Schriftzüge versteht, objektiv feststellbar sein, daß sie eine menschliche Aussage enthalten, die einen bestimmten Sinn hat (analog einer mündlichen Aussage); vgl. auch. E. 17, 106 (am Schluß): Erkennbarkeit des Gedankens, d. h. Beweisfähigkeit. Gegensatz: Irgendwelche Zeichen (z. B. abgerissene Worte, Knoten im Taschentuch), die Gedanken anregen sollen (z. B. etwas nicht zu vergessen), aber selbst keinen objektiv feststellbaren Sinn haben. Sonstige Zeichen, bei denen „ihr körperliches Dasein“ (E. 64, 48; Verschlußplomben) das Wesentliche ist (bloße „Kennzeichen, Unterscheidungszeichen, Identitätszeichen”), nicht aber eine darüber hinausgehende Gedankenäußerung. 1-lier handelt es sich um Augenscheinsobj ekte, nicht um Urkunden; vgl. auch E. 64, 97; 55, 98.
Das ist stets der Fall bei der öffentlichen Urkunde (vgl. unten Anm. 5). Sie wird aufgenommen, um die darin bezeugten Tatsachen mit öffentlichen’ Glauben für und gegen jedermann zu beweisen; vgl. ZPO. §§ 417/18; E. 61, 330; 63, 149; 42, 234; 22, 153.
Begriff gemäß ZPO. § 415: „Welche von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person — (Beispiel: Notar) — innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden).“ Dazu oben Anm. 2; vgl. auch oben S. 319 Anm. 4. - Darunter fallen nicht Aufzeichnungen für lediglich innerdienstliche Zwecke; E. 64, 331.
Weiter z. B.: Ein Liebesbrief kann die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, einen Ehebruch, die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193) oder sonstige rechtserhebliche Tatsachen beweisen. Eine Kündigung ohne Datum die Tatsache erfolgter Kündigung; ein nicht datiertes holographisches Testament die Zurechnungsfähigkeit usw. Grund: Bei freier Beweiswürdigung gibt es keine Tatsache, die nicht als Indiz für irgendwelche Rechtsverhältnisse von Bedeutung werden könnte.
Vgl. z. B. E. 62, 261 („worin also mit der Urkunde eine Täuschung über die Identität der Person des Ausstellers bezweckt worden ist“). — Deshalb auch, wenn der Aussteller (durch den Inhalt der Urkunde oder durch Zusätze zu seinem Namen) den Anschein erweckt, daß er eine andere Person sei; E. 55, 174. — Dagegen nicht bei Unterzeichnung mit anderem Namen, wenn der Aussteller selbst damit gekennzeichnet wird; E. 48, 241. — Unterschrift mit Zustimmung des Namensträgers bleibt Fälschung, sofern das Gesetz eigenhändige Unterschrift zwingend vorschreibt; vgl. E. 57, 235 (holographisches Testament). — Wie Einwilligung, so kann auch Geschäftsführung ohne Auftrag möglich sein; vgl. Strafr. II, 250; LOBE, Leipz. Komm., 4. Aufl., S. 21 (Beispiel: unter Ehegatten).
Bei Depeschenfälschung fälscht der Aufgebende als mittelbarer Täter die Ankunftsdepesche; vgl. E. 8, 92ff. (Vereinigte Strafsenate). So auch bei Aufgabe durch Fernsprecher; E. 57, 321.
Vgl. E. 60, 188 (feststehende Rechtsprechung); 60, 378; 57, 238.
Hält aber der Täter sein Verhalten aus besonderen Gründen für rechtlich erlaubt (z. B. das Niederschreiben eines holographischen Testaments für einen anderen), so greifen die Grundsätze über Rechtsirrtum durch (Freisprechung bei unverschuldetem Irrtum); vgl. oben S. 141. (Das RG. arbeitet mit seiner Unterscheidung oben S. 140; vgl. E. 57, 235; in Wirklichkeit lag aber hier Zivilrechtsirrtum vor.) Vgl. näher Strafr. II, 344, Anm. 6.
Auch hier technisch, also Beweggrund (wenn auch nicht einziger und ausschließlicher) des Handelns; vgl. E. 59, 18; 53, 268; oben S. 345 Anm. B.
Es genügt, daß diese Absicht zur Zeit des Gebrauchmachens vorhanden war; E. 51, 239; 53, 111.
Nicht notwendig Vermögensschaden (es können viel höhere Güter durch Urkundenfälschung angegriffen werden). Rechtswidrigkeit ist nach RG. nicht erforderlich; vgl. E. 53, 268 (Gefahr der Strafverfolgung); E. 50, 215.
Ich halte die vorstehende Rechtsprechung mit ihrem Verzicht auf Rechtswidrigkeit des erstrebten Vorteils bzw. Nachteils für zu weitgehend. Die bedeutende Strafsehärfung des § 268 ist lediglich erklärlich aus der Annahme eines vom Täter verfolgten verwerflichen Ziels. Es muß sich um solche Folgen handeln, die der andere zu dulden rechtlich nicht verpflichtet ist; vgl. dazu näher v. therm, Jur. Wochenschr. 56, 1927, 3040; siehe auch FRANK § 268, I, 1.
Strafe § 268 Nr. 1: „Wenn die Urkunde eine Privaturkunde ist“, Zuchthaus bis 5 Jahre; Nr. 2: wenn öffentliche Urkunde: Zuchthaus his 10 Jahre. In beiden Fällen daneben Geldstrafe zulässig. — Bei milderen Umständen Gefängnis (bei Privaturkunde nicht unter 1 Woche, bei öffentlicher nicht unter 3 Monate; dazu E. 56, 365); daneben Geldstrafe zulässig.
Vgl. auch E. 48, 344 (bloße Klarstellung). Insbes. gehört zur Vollendung auch hier das Gebrauchmachen; E. 64, 17; 63, 39 (unzutreffend nach obigem die Annahme von Idealkonkurrenz gegenüber § 267 in E. 64, 226).
Dem zweiaktigen Tatbestand der Urkundenfälschung (oben S. 344) stellt das Gesetz (§ 270) den einaktigen des Gebrauchmachens von einer falschen oder verfälschten Urkunde zwecks Täuschung’, „wissend, daß sie falsch oder verfälscht ist“, gleiche.
Als Übertretung (StrGB. § 363)3 ist aus den Tatbeständen der Urkundenfälschung und des Gebrauchmachens (§§ 267–270) ausgeschieden4 der Spezialfall der Fälschung bzw. des Gebrauchs von Legitimationspapieren° und Zeugnissen zwecks besseren Fortkommens’.
So auch z. B. v. LISZT, V. LISZT-SCHMIDT, FRANK. Grundlegend bereits E. 1, 160. Dann E. 3, 370: „Das Vergehen des § 274 ist auf Beseitigung eines Beweismittels, die Urkundenfälschung auf Herstellung eines falschen Beweismittels gerichtet“; vgl. auch E. 16, 151/52; auch der Fall E. 20, 415 fällt in. E. unter obigen Begriff. - Näher zu § 274’, auch über die Möglichkeit objektiv rechtmäßigen Handelns (Notwehr, Notstand, Pflichtenkollision) und Rechtsirrtums vgl. v. HIPPEL, Jur. Wochenschr. 56, 1927, S. 3038ff.
Strafe: Gefängnis; daneben Geldstrafe zulässig, auch Ehrverlust (§ 280).
Letzteres nimmt das RG. auch bei dinglichen Rechten Dritter an der Sache an; dahingestellt in E. 33, 290, ausgesprochen in E. 38, 38 (auch bedingte Übereignung genügt); streitig.
Für weite Auffassung, gegen Beweiserheblichkeit für Rechte bzw. Rechtsverhältnisse, auch das RG., E. 57, 311; 55, 74. Nicht genügend klar in positiver Richtung: Nach E. 55, 74 „genügt“ es,,,wenn die Urkunde zuni Beweis einer Tatsache geeignet oder bestimmt ist”. Nach E. 57, 311 „genügt“ es, „wenn das Schriftstück bestimmt und geeignet ist, eine Tatsache, nämlich den in ihm bekundeten Vorgang, zu beweisen”. Maßgebend soll nach E. 40, 146 der Zeitpunkt der Unterdrückung sein (Analogie mit § 267, Zeitpunkt des Gebrauchmachens). Kritik: Diese Analogie verkennt, daß es sieh bei § 2741 mit Schutz einer erst künftigen Verwertung im Rechtsverkehr durch einen Dritten handelt, die der Täter hindern will, natürlich weil er sie für erheblich hält, mag sie dies sein oder nicht. Das Erfordernis der Beweisbestimmung aber übersieht, daß eine Disposition des Verletzten in solchem Sinne noch gar nicht vorzuliegen braucht. Beweisbestimmung aber schon bereits bei der Errichtung der Urkunde zu fordern, wäre viel zu eng gegenüber dem Zweck des Be,deismittelschutzes und im Widerspruch zu § 267 (oben S. 343 Nr. 5).
Die Entwürfe haben die Vorschrift mit Recht gestrichen; zutreffend die Begründung zum Vorentw. 1909, S. 801/02.
Die §§ 277/279 schließen die Anwendung der §§ 267–270 aus; vgl. E. 20, 168; 31, 296. Ebenso den § 363 StrGB. (oben S. 347 Nr. 10); vgl. E. 31, 296.
Zeugnis“ ist auch das Gutachten; E. 33, 294. — Gleichgültig ist auch hier (wie bei § 267) die inhaltliche Richtigkeit; E. 32, 295; oben S. 344/45. — Kein „Gesundheitszeugnis” ist Angabe falscher Todesursache; E. 65, 78. — Die Hebamme ist nach der Gewerbeordnung keine „approbierte Medizinalperson“; E. 10, 341. (Möglich bleibt landesrechtliche Approbation; herrschende Ansicht.)
Vgl. betr. Versicherungsmarken RVO. 1911 (Fassung 1924/26) §§ 1496 bis 1499; Angestellten-Vers.-Ges. 1924 §§ 350–353; Steuerzeichen: Reichsabgabenordnung § 369a (eingefügt 1924); siehe ferner die Kommentare. Für das römische Recht kommt zunächst der Sammelbegriff des falsum in Betracht, unter Sulla (lex Cornelia) wird die Münzfälschung zum crimen ordinarium; vgl. Strafr. I, 64, 181!; MOMMSEN, 672%74. Im kanonischen Recht erscheint die Münzfälschung seit dem 12. Jahrhundert; vgl. Strafr. I 83, 1818; Hivsoaius V, 20001. In Deutschland ist der Solidus der Volksrechte zunächst Rechnungseinheit, tatsächliches Zahlungsmittel das Vieh; vgl. Strafr..I, 103, 111, 112’. Seit den karolingischen Kapitularien tritt die (spiegelnde) Strafe des Handverlustes auf, seit dem 13. Jahrhundert Todesstrafen, Brandmarkung; vgl. Strafr. I, 132, 153 (Sachsenspiegel), 1818; His, Strafr. 1928, S. 166. — Eingehende Regelung bringt die Carolina (Art. 111); vgl. näher Strafr. I, 181/82. - Im Preuß. Landrecht II, 20, §§ 252ff. erscheinen die Münzdelikte als Verbrechen gegen „die vorbehaltenen Rechte des Staates“.
Dazu E. 58, 256: Auszugehen ist vom allgemeinen Rechtsbegriff des Geldes..,Danach ist Geld jedes vom Staat oder von einer durch ihn dazu ermächtigten Stelle als Wertträger beglaubigte, zum Umlauf im öffentlichen Verkehr bestimmte Zahlungsmittel ohne Rücksicht auf eine Annahmepflicht“; vgl. GEHLAND, Ger. S. 59, 128; E. 51, 411.
Zum Tatbestand ist hervorzuheben: a) „Nachmachen” erfordert eine Ähnlichkeit, die im gewöhnlichen Verkehr den Arglosen zu täuschen vermag; E. 58, 351 (nicht notwendig das Vorhandensein eines entsprechenden echten Stückes); E. 6, 142. Fehlt obige Ähnlichkeit, so liegt (untauglicher) Versuch vor; E. 16, 111 (zu § 147). — Gleichgültig ist der Geldwert. — b) Gebrauch als echtes ist nach RG. auch bereits das Vorzeigen als echt zwecks Erlangung von Kredit oder sonstiger Täuschung im Rechtsverkehr; E. 14, 161. — c) In Verkehr bringen bedeutet: weitergeben zur Verwertung als echt (nicht erforderlich ist dabei Vorspiegelung der Echtheit; vgl. E. 1, 408 (zu §§ 146/47). — d) „Verrufenes“ Geld ist außer Geltung gesetztes; E. 60, 316; 59, 373 usw.
Also obligatorische und unterschiedslose Einziehung, d. h. ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse. Insoweit bei Eigentum dritter Unbeteiligter über das Ziel schießend in Fällen, in denen Unbrauchbarmachung genügen würde; Verbesserung hier in den Entwürfen seit 1913 (§ 251); vgl. dazu auch oben S. 253, Anm. B.
Die Einziehung greift hier Platz, „auch wenn die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht stattfindet“, also als selbständige Maßregel; vgl. E. 46, 133 („polizeiliche Vorbeugungsmaßregel”); E. 14, 161. Zweck: Verhütung des Inverkehrbringens, ferner Sammlung an Zentralstellen zwecks Verbrechensermittelung; Verurteilung oder Freisprechung einer bestimmten Person ist danach unwesentlich. Nach herrschender Ansicht aber muß jedenfalls der objektive Tatbestand eines Münzdelikts vorliegen; vgl. dazu auch E. 44, 320.
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v. Hippel, R. (1932). Urkunden- und Münzverbrechen. In: Lehrbuch des Strafrechts. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-00275-9_22
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