Zusammenfassung
Als König Friedrich Wilhelm I. gegenüber den feudalen Reminiscenzen seines Adels das bekannte Wort von der Stabilining seiner souveraineté gleich einem rocher de bronce aussprach, da war diese Hervorhebung des Souveränitätsbegriffs als Quintessenz damaliger Staatsraison schwerlich das Resultat subtiler staatsrechtlicher Begriffskonstruktion. Aber mit dem ihm eigenen glücklichen Griff für die realen Forderungen der Zeit hat der König auch hier in Sinn und Wort den Kern der Sache getroffen. Zu einer Zeit, da die Staatsverwaltung „zu einem künstlichen Uhrwerke geworden, dessen einzige Feder der König war“; zu einer Zeit, da „der durch seine Stellung von gesellschaftlichen Einflüssen freie König zum einzig belebenden Elemente des ganzen Staates“ 1) wird, bedurfte es keiner mühsamen Definition des Souveränitätsbegriffs; das Wesen dieses Begriffs war mit Händen zu greifen, er beherrschte das Staatsleben in allen seinen Aeusserungen. Und wenn es darauf ankam, dem dahingegangenen Lehnsstaate gegenüber den Charakter des damals modernen Staates klarzustellen, sprang dem einsichtigen Sohne der Zeit das Wort Souveränität von der Lippe. Kurz, damals war die Souveränität kein todter Schulbegriff, sondern nur der abstrakte Ausdruck einer realen, lebendigen Kraft.
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Literatur
Stahl: Philosophie des Rechts. 5. Aufl. 1878. Bd. II, Abth. 2, S. 190. 191.
Waitz: Grundzüge der Politik. Kiel 1862. S. 18.
Klüber: Das öffentliche Recht des teutschen Bundes. 3. Aufl. 1831. S. 4.
Fr. v. Martens: Völkerrecht. Das internationale Recht der civilisirten Nationen. Deutsch von C. Bergbohm. Bd. I. 1883. S. 199.
Neuestens hält Jellinek in seiner Schrift: „Gesetz und Verordnung“ (Freiburg 1887. S. 196 fg.) an seiner Souveränitätsauffassung im wesentlichen fest, nur dass er sie nicht mehr für den Inbegriff aller Hoheitsrechte, sondern für die Möglichkeit alle Hoheitsrechte zu besitzen erklärt (S. 201)
Wir kommen darauf nachher zurück. Siehe unten S. 133 fg. — Vgl. jetzt auch Laband, Staatsrecht. 2. Aufl. (1888) Bd. I, S. 67: „In dem hier zur Erörterung stehenden Begriffskreise bedeutet souveräne Gewalt die höchste, oberste Gewalt. Es wird also durch die Eigenschaft „souverän“ nicht positiv ausgedrückt, welche Befugnisse eine Gewalt in sich schliesst, sondern es wird das negative Moment hervorgehoben, dass sie keine Gewalt über sich hat, welcher die Befugniss zusteht, ihr rechtlich bindende Befehle zu ertheilen”.
Held: „Staat und Gesellschaft“, Bd. II, S. 505; vgl. auch desselben Art. „Souveränität” in Rotteck und Welckers Staatslexikon. 3. Aufl. 1865. Bd. XIII; ferner Bluntschli’s entsprechenden Art, in seinem und Braters Staatswörterbuch. Bd. IX. (1865).
Gierke: „Die Genossenschaftstheorie uud die deutsche Rechtsprechung“ 1887. S. 687.
Gierke: „Das deutsche Genossenschaftsrecht“, Bd. III. „Die Staats-und Korporationslehre des Alterthums und des Mittelalters und ihre Aufnahme in Deutschland”. 1881. S. 381 fg. 639 fg.
Vgl. die n. 18 citirten Stellen; ferner H. Schulze: „Einleitung in das deutsche Staatsrecht“ 1867. S. 166.
Art. „Souveränität“ in Bluntschli und Braters Staatswörterbuch (1865) Bd. IX. S. 552.
Ueber den absoluten Obrigkeitsstaat in Deutschland, besonders über seine Entwicklung aus dem deutschen Herrschaftsverbande ist hier nur im allgemeinen auf Gierke’s Genossenschaftsrecht, besonders Bd. I. und III. zu verweisen. Wir kommen darauf später in anderm Zusammenhange zurück.
Vgl. Gneist: „Das englische Parlament“ 1886. S. 7 u. S. 53 fg.
Vgl. Gierke: Genossenschaftsrecht, Bd. I.: „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“ 1868. S. 645. 646, woselbst auch darauf hingewiesen wird, dass dieses Ideal des absoluten Staates, „in Frankreich durch die Revolution annähernd verwirklicht”, in Deutschland durch das Erwachen des Genossenschaftssinns nicht voll erreicht wurde. für das deutsche Staatsrecht“, Rektoratsrede. Strassburg 1880. S. 30; vgl. auch Gierke a. a. O. S. 647 und Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft. Bd. I. S. 57 und 664 fg.
Gierke: Genossenschaftsrecht Bd. II (1873) „Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffs“ S. 27; vgl. auch Bd. III. S. 134 und Art. „Juristische Person” in Holtzendorff’s Rechtslexikon Bd. II. S. 418.
Windscheid a. a. 0. S. 128. — Der früher übliche Ausdruck „moralische Person“ wies nach der Sprachweise des vorigen Jahrhunderts auf den gleichen Gegensatz zum natürlichen hin; vgl. Dernburg, Lehrbuch des Preussischen Privatrechts (3. Aufl.) Bd. I. S. 99 n. 3. — Bezüglich der neuesten Litteratur über die juristische Person genügt hier der Hinweis auf die Citate in Gierke’s „Genossenschaftstheorie” etc. (1887) besonders in der Einleitung (vgl. jetzt auch die Besprechung dieses Werkes von Rosin in Rassow und Küntzel „Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts“. 4. Folge. Jhg. I. Heft 6, S. 753 fg.) und auf den bisher erschienenen I. Theil der Pandekten von E. J. Bekker.
Gierke: Genossenschaftsrecht Bd. II. S. 29 und Art. „Juristische Person“ in Holtzendorff’s Rechtslexikon a. a. O.
Beseler: Erbverträge (1835); Volksrecht und Juristenrecht (1843); System des deutschen Privatrechts (3. Aufl. 1873 ).
Wie diese Bewegung in unseren Tagen in die Praxis der höchsten Gerichte — der dieselben sonst noch beherrschenden älteren Theorie zum Trotz — mehr und mehr eindringt, das zeigt für alle Theile dieser Doktrin Gierke’s neuestes Werk: „Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung“. Berlin 1887.
Rechtslexikon S. 422; ferner „Die Grundbegriffe des Staatsrechts“ u. s. w. in der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Bd. XXX. 1874. S. 304 und a. v. a. O.
Jean Bodin: De la république; zuerst französisch 1576; dann von ihm selbst in das Lateinische übersetzt 1584.
Stahl: Philosophie des Rechts. Bd. II. Abth. 2 (5. Aufl. 1878 ) S. 154.
Damit bekennen wir uns durchaus nicht zu der seltsamen Ansicht v. Lindgrens („Die Grundbegriffe des Staatsrechts. Versuch einer juristischen Konstruktion des Staats und der Staatsgewalt“. Leipzig 1869. S. 191), dass es die Rechtswissenschaft nicht mit dem positiven Recht zu thun habe, und dass die Wissenschaft unter Rechten und Pflichten meist nicht das verstehe, was Recht oder Pflicht sei, „sondern was das eine oder andere sein soll”. In dieser Form ist diese ungeschickte Reaktivirung des seligen Naturrechts nur eine mehr unter den vielen schiefen Ideen jener Schrift.
Rosin: „Souveränität, Staat, Gemeinde, Selbstverwaltung“ Hirth’s Annalen 1883, Heft 5 u. 6, S. 268 (Sep. Abdr. S. 4) und „Recht der öffentlichen Genossenschaft” (1886) S. 46.
Vgl. über die Vorläufer des Hugo Grotius und die einschlägige Litteratur: A. Rivier in Holtzendorff’s „Handbuch des Völkerrechts“. Bd. I (1885) S. 395 fg.
Bezeichnend ist in dieser Hinsicht, was Friedrich d. Grosse in der Vorrede zur „Geschichte meiner Zeit“ bezüglich der von ihm „geschlossenen und wieder gebrochenen Verträge” sagt. „Ausgewählte Werke Friedrichs d. Grossen“, übersetzt von Merkens (Würzburg 1873) Bd. I. S. 253.
Jellinek: „Die Lehre von den Staatenverbindungen“ S. 92. 93. — Vgl. ausserdem v. Holtzendorff: „Handbuch des Völkerrechts” Bd. I. S. 18 fg., woselbst auch die hauptsächliche Litteratur zu finden.
Lassen: „Princip und Zukunft des Völkerrechts“. Berlin 1871. S. 22.
Fricker: „Das Problem des Völkerrechts“; in der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft, Bd. XXVIII, Jg. 1872, S. 134 resp. S. 384; vgl. auch S. 125; 131 etc.
So — ausser Seydel, Zorn u. a.,m. — noch neuerdings, nur weniger consequent als die Genannten: E. Löning, Verwaltungsrecht, S. 153 fg., 180 fg. — Ein näheres Eingehen auf diese ganze Frage erübrigt sich hier, weil wir darauf später ex professo zurückkommen müssen. Vgl. unten Abschnitt VIII.
Vgl. z. B. Rosin in Hirths Annalen 1883. S. 286.
Vgl. Gneist: „Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Preussen“. 2. Aufl. 1879. S. 323.
Vgl. Klüber: „Oeffentliches Recht des teutschen Bundes“. 3. Aufl. 1831. S. 45. 46.
Held in Rotteck und Welcker’s Staatslexikon. 3. Aufl. (1865). Bd. XIII, S. 441. — Klüber: Akten des Wiener Kongresses. Bd. I, 1 u. 3; II, 5 pass.; IV pass. u. s. w.
Fr. Ancillon: „Ueber Souveränität und Staatsverfassungen. ’. Ein Versuch zur Berichtigung einiger politischen Grundbegriffe“. 2. Aufl. Berlin 1816. S. 1, 11, 12, 17.
Fricker: „Das Problem des Völkerrechts“. Tübinger Zeitschrift. Bd. XXVIII. (1872). S. 359.
Gierke: „Die Grundbegriffe des Staatsrechts und die neuesten Staatsrechtstheorien“. Tübinger Zeitschrift, Bd. XXX. (1874) S. 304; (vgl. auch oben S. 40 fg.). — Ferner: Genossenschaftsrecht, Bd. II, S. 831 u. a. a. O.
Rosin: „Souveränität, Staat“ etc. S. 4. — Vgl. auch Liebe: Staatsrechtliche Studien I. S. 14; Zorn, „Streitfragen” in der Zeitschrift f. d. ges. Staatswissenschaft, Bd. 37 (1881) S. 307. — A. M. Gerber: Grundzüge, S. 25 n. 4.
Jellinek: „Gesetz und Verordnung“. Freiburg 1887. S. 197 fg. — Vgl, jetzt auch Laband: Staatsrecht, 2. Aufl. (1888) Bd. I, S. 67. 81) a. a. O. S. 199 n. 11.
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Preuss, H. (1889). Analyse des Souveränitätsbegriffs. In: Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften. Versuch einer deutschen Staatskonstruktion auf Grundlage der Genossenschaftstheorie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-00273-5_5
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