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Krieg und Allianz als strategische Interaktion

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Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften
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Zusammenfassung

Der tribale Krieg wird mit Hilfe des Gefangenendilemma-Spiels analysiert und erklärt, weshalb die strategische Interaktion von Dörfern unter den spezifischen strukturellen Rahmenbedingungen nicht friedlicher Art sein kann. Neben den kriegerischen Beziehungen wird die Bildung von Allianzen untersucht. Erst ein N-Personen-Nullsummenspiel ergibt ein realistisches Bild einer regionalen Interaktion von verfeindeten und verbündeten Dörfern in tribalen Gesellschaften.

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Notes

  1. 1.

    Das unterscheidet Krieg von spontanen Schlägereien zwischen Gruppen oder Individuen, die keinem Plan und keiner Strategie folgen. Krieg sollte auch nicht mit Fehde verwechselt werden. Fehde meint die Ausübung von Gewalt und Gegengewalt zwischen Individuen bzw. einzelnen Familien unterschiedlicher Dörfer, mit dem Ziel, Rache – meist wegen Totschlag oder Zauberei – zu üben (Carneiro 1994: 6). Fehden zwischen Familien können zwar zu einem Krieg zwischen Dörfern eskalieren. Dies ist aber nicht zwingend der Fall, denn die involvierten Dorfgemeinschaften können, wenn sie diesen Krieg nicht führen wollen, den Konflikt auf die unmittelbar betroffenen Familien beschränken und diese sogar dazu drängen, ihren Konflikt statt auf gewalttätige Weise mit einer Kompensationsgabe beizulegen (Greuel 1971 zu den Nuer).

  2. 2.

    Ich verwende den Begriff tribale Gesellschaft (Stammesgesellschaft) in einem rein beschreibenden Sinn als eine regionale Bevölkerung, bestehend aus politisch autonomen Lokalgruppen (Dörfern) von Bauern, sesshaften Fischern und/oder Viehzüchtern, die noch nicht oder nicht mehr von einem Staat kontrolliert werden (vgl. Haas 1990: 172, Bailey 1969: 12 und Ensminger 1992: 143 f. sowie Rappaport 1968: 225 ff.). Wenn noch kein Staat etabliert ist oder sein Gewaltmonopol nicht mehr (effizient) ausübt, können jederzeit Kriege zwischen Dörfern ausbrechen (Helbling 2006a: 116–150). Lokalgruppen unterhalten zudem Beziehungen der Verwandtschaft und gehen gegen gemeinsame Feinde Allianzen ein, die durch Gabentausch und Heiratsbeziehungen verstärkt werden (Sahlins 1968).

  3. 3.

    Zu Überfällen vgl. Chagnon (1997: 191–204) und Zerries/Schuster (1974: 231 ff.) zu den Yanomami, Vayda (1976: 22 f.) und Healey (1985a: 25 f.) zu den Maring, Meggitt (1977: 73 ff., 80–91) zu den Mai Enga, Drucker (1951: 332–365) zu den Nootka, Roth (1896: 96–128) zu den Iban und Vayda (1960: 42–60) zu den Maori.

  4. 4.

    Zu Verratsfesten vgl. Chagnon (1997: 189 ff.) zu den Yanomami, Watson (1983: 210 ff.) zu den Tairora, Hallpike (1977: 200, 207, 215, 221 f., 233 f.) zu den Tauade, Berndt (1962: 32, 252, 256, 283) zu den Kamano, Usurufa und Jate, Meggitt (1977: 117) zu den Mai Enga, Drucker (1951: 337 f., 357 f., 364) zu den Nootka und Ewers (1958: 143) zu den Blackfoot.

  5. 5.

    Zu geregelten Schlachten vgl. Reyna (1994: 40, 58 f.) zu den Irokesen, Heider (1991: 114) und Helbling (2015) zu den Dugum Dani, Vayda (1976: 14 ff.) und Rappaport (1968: 123 f.) zu den Maring, Meggitt (1977: 17 ff.) und Wiessner/Tumu (1998, Kap. 10) zu den Mai Enga sowie Vayda (1960: 60–64) zu den Maori.

  6. 6.

    Zu uneingeschränkten Schlachten vgl. Hanser (1985: 172, 135 f.), Rappaport (1968: 119–14) und Vayda (1976: 18–32) zu den Maring und Meggitt (1977: 92 ff., 96 ff.) zu den Mai Enga.

  7. 7.

    Lokale Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer räumlichen Organisation: Sie können zentral als Dörfer wie bei den Tairora oder dezentral als Weilersiedlung organisiert sein wie bei den Mai Enga (Sillitoe 1978). Dieser Unterschied, der erst in Abschn. 14.1 relevant wird, spielt hier vorerst eine untergeordnete Rolle.

  8. 8.

    Siehe hierzu Doctorow (1963: 312), Colson (1975: 55–61), Tuden und Marshall (1972) und Ross (1983). Paige und Paige (1981: 60–67) fügen weitere Kriterien hinzu, wie eine gemeinsame politische Führung und Institutionen der kollektiven Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, Solidarität und Loyalität zwischen den Gruppenmitgliedern, gestärkt durch Verwandtschaftsbeziehungen, Rituale und Ahnenkult, sowie ihre Eigenschaft, als einheitliche Akteure gegen außen bei Allianzen und Heiraten (Aufbringen des Brautpreises) oder in einem Krieg gegen andere Gruppen aufzutreten (vgl. hierzu bereits Abschn. 4.1.5).

  9. 9.

    Zu den unterschiedlichen Theorien des Krieges vgl. Otterbein (1973, 1985, 2009), Ferguson (1984, 1990b), Hanser (1985), Carneiro (1994), Keeley (1996), Orywal (1996, 1998), Helbling (1999a, 2001a, 2006a, b).

  10. 10.

    Wir werden hier undifferenziert von Lokalgruppen oder Dörfern als Kollektivakteuren ausgehen und das Hauptaugenmerk auf deren Interaktion in Krieg und Allianz legen. Die gruppeninternen Strukturen und Prozesse werden hier vorerst kaum berücksichtigt, sondern erst in Abschn. 14.1 ausführlich diskutiert.

  11. 11.

    Vergleiche hierzu Sahlins (1968: 5), Hallpike (1973: 454), Harris (1974: 62), Koch (1974: 13 f.) und Keeley (1996: 161). LeVine (1965: 53) formuliert: „In many such societies, the major groups may engage in armed combat against one another on a regular basis since there is no society-wide monopoly of violence.“

  12. 12.

    Carneiro (1970: 733) definiert den Staat als eine autonome politische Einheit mit einem Territorium, das eine Anzahl lokaler Gemeinschaften umfasst und einer zentralen Macht und Administration untersteht; der Staat treibt Steuern ein, fordert Arbeits- und Kriegsdienste ein, erlässt Gesetze und setzt sie mit Hilfe von Gerichten und Polizei durch. Aufgrund des legitimen Gewaltmonopols bestraft und unterbindet der Staat jegliche autonome Gewalt von staatlich hierzu nicht autorisierten Akteuren (vgl. auch Hanser/von Trotha 2002: 313–343).

  13. 13.

    Vergleiche hierzu Helbling (1992), Ferguson (1998: 16), Gross (1983: 436), Endicott (1983: 229) und Roscoe (1996: 655 ff., 2002: 159). Bereits Turney-High (1949: 243) hält fest: „There is a rough correlation between this trait and true war … The point to be noticed is that active agriculture and herding […] have provided the economic basis (and cause) of effective warfare.“

  14. 14.

    Im Gegensatz dazu sind bei Wildbeutern die Ressourcen über ein weites Gebiet verstreut, und das Umherziehen der mobilen Kleingruppen von Areal zu Areal innerhalb großer Territorien bei geringer Bevölkerungsdichte ist nicht nur eine erfolgreiche Produktionsstrategie, sondern auch Voraussetzung für die Möglichkeit, Konflikten auszuweichen und kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden (vgl. Helbling 2006a: 106–115).

  15. 15.

    Dieser Zusammenhang zwischen Sesshaftigkeit bzw. Abhängigkeit von lokal konzentrierten Ressourcen und Krieg wird u. a. von Autoren wie Haas (2001: 336, 339), Kelly (1995: 302–331), Vencl (1984: 119, 1999: 70), Keeley (1996: 31, 150), Kelly (2000: 54–64, 135), LeBlanc (2003: 147, 156), Thorpe (2000, 2003) und Ferguson (1997: 335 f., 339, 343) bestätigt. Gestützt auf Untersuchungen von Paige/Paige (1981) lässt sich anhand eines Samples von 60 Gesellschaften zeigen, dass eine starke und signifikante Korrelation zwischen a) lokal konzentrierten Ressourcen, b) hierarchisierten und korporativen Lokalgruppen mit stabiler Zusammensetzung und c) Krieg zwischen Lokalgruppen besteht (Helbling 2006a: 380 ff.).

  16. 16.

    Über die Zugehörigkeit zu lokalen Verwandtschaftsgruppen haben die Gruppenmitglieder auch Anteil am Kollektiveigentum an Boden, über das sie in anderen Gruppen (in der Regel) nicht verfügen, so dass sie auch kaum individuelle Möglichkeit bzw. einen Anreiz zu einem Wechsel der Lokalgruppe haben.

  17. 17.

    Dies belegen zahlreiche Beispiele (Helbling 2006a: 331–335): Zu den Mai Enga (Meggitt 1977: 99, Gordon/Meggitt 1985: 13), den Bena Bena (Langness 1972b: 183), den Kapauku (Pospisil 1963: 57), den Shuar (Karsten 1967: 307), den Omaha (Fletscher/LaFlesche 1911 in Turney-High 1949: 205 f.), den Auyana (Robbins 1982: 189), den Tauade (Hallpike 1977: 261), den Ilahita Arapesch (Tuzin 1976: 46), den Kiwai (Riley 1925: 270, Landtman 1929: 160), den Nuer (Evans-Pritchard 1940: 174 ff.) und zu Tahiti (Oliver 1974: 390 f., 395); allgemein Colson (1975: 40 ff.) Knauft (1999: 143 ff.) und Wright (1942: 91).

  18. 18.

    Siehe hierzu Taylor (1987), Kavka (1983, 1986), Bates (1983), Hampton (1985, 1986), Hardin (1991), Kersting (1992), Görlich (1992a, Kap. 1) und Helbling (2009), jedoch Nida-Rümelin (1996) für eine andere Position.

  19. 19.

    Zu einer solchen „hobbesianischen Sicht“ des tribalen Krieges vgl. Evens (1985) und Bates (1983, Kap. 1) zu den Nuer, Gordon/Meggitt (1985: 10, 13, 28) zu den Mai Enga, Helbling (1999) zu den Yanomami, Hallpike (1977: 231) zu den Tauade, Robarchek/Robarchek (1998: 141) zu den Waorani.

  20. 20.

    Die Auszahlungen lassen sich statt in Zahlen auch in Buchstaben schreiben, wobei R für Reward (für beidseitiger Kooperation), T für Temptation (bei einseitiger Defektion), S für Sucker (für einseitige Kooperation) und P für Punishment (bei beidseitiger Defektion) stehen. Axelrod geht von zwei Grundannahmen des Gefangenendilemma-Spiels aus: Präferenzrangierung T > R > P > S sowie R > (T + S)/2 (1987: 7 ff.). In der folgenden Auszahlungsmatrix handelt es sich um eine intervallskalierte Präferenzhierarchie (1987: 15, 22).

  21. 21.

    Axelrod (1987: 15 f., 22) geht von wenig restriktiven, realistischen Annahmen aus: 1) Auszahlungen der Spieler müssen nicht vergleichbar sein, und 2) sie müssen nicht symmetrisch sein. 3) Die Auszahlungen der Spieler müssen nicht in einer absoluten Skala gemessen werden, es reicht eine Intervallskala. 4) Kooperation muss von den Akteuren nicht als erwünscht angesehen werden, 5) die Spieler müssen nicht vollständig informiert handeln, und 6) Handlungen müssen nicht Resultat von bewussten Entscheidungen, sondern können auch Produkt von Selektionsprozessen in sozialen Umwelten sein (ebd.: 15 f., 22). Eine weitere Annahme ist, wie in der Spieltheorie generell, jene des Eigeninteresses, weil gerade der schwierigste Fall geprüft werden soll, in dem Akteure kooperieren, obwohl sich die Akteure am eigenen Vorteil orientieren und nicht an der kollektiven Wohlfahrt (ebd.: 6).

  22. 22.

    Eine TfT-Strategie in einem iterierten GD-Spiel (iGD) ist allerdings nicht sehr robust, weil eine irrtümliche Defektion nicht mehr korrigiert werden kann. Es gibt robustere Strategien in einem iGD, welche die Fähigkeit zum Vergeben haben. Auch die „win-stay, lose-shift“-Strategie ist robuster ist als TfT in einem iGD. Diese Strategie hält bei Gewinn (R oder T) an ihrer Strategie fest, wechselt ihre Entscheidung jedoch bei Verlust (P oder S) (Imhof et al. 2007).

  23. 23.

    Eine kollektiv stabile Strategie (KSS) ist zwar nicht identisch mit einer evolutionär stabilen Strategie (ESS), doch dieser sehr ähnlich. Die Unterschiede sind im vorliegenden Kontext nicht wichtig, weshalb ich auch nicht weiter darauf eingehen werde (vgl. Axelod 1987: 62, Kap. 3, zum ESS vgl. Diekmann 2010: 170 und Hawkes 1992: 281 ff.).

  24. 24.

    Wenn der Anteil von TfT/TfT-Interaktionen p ist und der Anteil von TfT-ImmerD-Interaktionen 1-p, beträgt die durchschnittliche Auszahlung 30p + 9/(1 − p). Wenn 30p + 9(1−p) > 10, lohnt sich TfT. Dies ist der Fall, wenn bereits 5 % der Interaktionen zwischen TfT stattfinden. Zwar erzielen die kooperativen Gruppen (TfT) weniger Punkte gegen die konfrontativen Gruppen (ImmerD); doch erhalten sie im Ganzen mehr Punkte als die konfrontativen Gruppen (ImmerD), indem sie mit den anderen TfT-Gruppen interagieren. Bei w = 0,99654 reichen schon 0,1 % und bei w = 0,5 20 % von TfT-Interaktionen. Wenn also kooperative Neulinge günstig miteinander abschneiden und sich ausreichend oft treffen, können sie in ImmerD eindringen. ImmerD kann einer Invasion durch TfT-Akeure widerstehen, wenn diese einzeln auftreten, nicht aber, wenn sie in Gruppen kommen. Eine kooperative Strategie wie TfT kann einer nicht-kooperativen Strategie hingegen widerstehen, selbst wenn diese in Gruppen eindringen (Axelrod 1987: 58 f., 61 ff.).

  25. 25.

    Eine TfT-Strategie hat es noch schwerer, wenn Unsicherheit bezüglich der Strategie der anderen Spieler besteht, eine Unsicherheit, welche ImmerD als Maximin-Strategie attraktiv macht (Axelrod 1987: 152). Insbesondere ist TfT zu wenig nachsichtig: Wenn ein Gegenspieler irrtümlich D spielt, wird TfT mit D reagieren, der andere ebenfalls wieder usw., so dass daraus ein eskalierender Echoeffekt resultiert (ebd.: 159, 168, Diekmann 2010: 154). Auch die „win-stay, lose-shift“-Strategie, die bei Gewinn (R oder T) an ihrer Strategie festhält, ihre Entscheidung jedoch bei Verlust (P oder S) wechselt, ändert nichts daran, obwohl sie besser ist, wenn sich kleine Fehler ergeben und ein Echoeffekt verhindert werden soll (Imhof et al. 2007).

  26. 26.

    Deutsch (1968: 180) spricht in diesem Zusammenhang von einem rationalen Einsatz irrationalen Verhaltens, einem Verhalten „ohne Rücksicht auf Verluste“, d. h. ohne Bilanzierung von Kosten und Nutzen. Hierbei handelt es sich um eine Drohgebärde und um eine Festlegung, die in Verhandlungsprozessen eine wichtige Rolle spielen (Junne 1972: 104–113). Die Abschreckungsreputation (vor allem von Männern) ist zudem an ihr Prestige gebunden, das sie verlieren würden, falls sie sich nicht entsprechend dieser Selbstverpflichtung verhalten würden (Schelling 1960: 151, Junne 1972: 110–113, Fearon 1995: 402–406).

  27. 27.

    Jervis (1988: 337 f., 326–341), Levy (1989: 283 ff.) und Fearon (1995: 391–401) zeigen, dass Staaten – und Lokalgruppen, so ließe sich anfügen – nicht nur die Bösartigkeit der Feinde, sondern auch die eigene Stärke überschätzen, während sie die Stärke des Gegners eher unterschätzen. Dies verhindert Naivität bei Ungewissheit hinsichtlich der Absichten der Gegner und erleichtert gleichzeitig die Motivierung und Rekrutierung der Männer für einen unvermeidlichen Kriegszug, indem es ihre Gewissheit stärkt, einen Krieg gewinnen zu können, und ihnen hilft, ihre Furcht vor Verletzung und Tod zu überwinden. Diese wechselseitigen Einschätzungen und Erwartungen erklären sich allerdings erst vor dem Hintergrund der kriegerischen Interaktion von Lokalgruppen.

  28. 28.

    Verhaltensideale von Männern als unerschrockene Krieger finden sich in tribalen Gesellschaftenhäufig: Bei den Yanomami heißt waiteri nicht nur aggressiv und grausam, sondern auch gewaltbereit, unerschrocken und mutig (Lizot 1989: 107). Gleichwohl hält Chagnon (1997: 217) fest: „The Yanomami are not brave warriors.“ Überdies werden Gruppen in der Nachbarschaft stets als potenziell feindlich betrachtet: Man unterstellt ihnen Zauberei (õkã) und schwarze Magie (heri), die dann wiederum Anlass für Rache und Krieg darstellen (Lizot 1989: 196).

  29. 29.

    Zur Kopfjagd bei den Iban vgl. Freeman (1979), Jensen (1974), Morgan (1968), Roth (1896) und Vayda (1976).

  30. 30.

    Southwold (1969: 24, 31) hat das N-Personen-Nullsummenspiel mit Zugeständnissen (side payments) auf die Nachfolgekonflikte in afrikanischen Staaten (wie bei den Zulu, Buganda, Bemba, Shilluk, Barotse und Bunyoro) angewendet, ohne allerdings Barth (1959), der ähnliche Phänomene bei den Swat Pathanen untersucht hatte, zu zitieren. Nach dem Tod eines Königs brachen stets Nachfolgekonflikte aus. Die Prinzen und potenziellen Nachfolger bildeten Koalitionen aus den Klanen. In den bewaffneten Konflikten um die Nachfolge setzte sich dann jene Koalition bzw. jener Prinz durch, der stärker war und eine größere Koalition zustandebrachte als seine Rivalen (ebd.: 36–40).

  31. 31.

    Nullsummenspiele sind nur dann reine Konfliktspiele, wenn sich lediglich zwei Akteure gegenüberstehen. Sind hingegen mehr als zwei Akteure involviert, enthält ein Nullsummenspiel immer auch kooperative Beziehungen bzw. mögliche Allianzen. Spiele mit zwei Akteuren unterscheiden sich somit grundlegend von solchen mit mehr als zwei Akteuren (Luce/Raiffa 1957: 155). Ähnlich unterscheidet Axelrod (1987: 133 f.) in einem Gedankenexperiment blaue und gelbe Gruppen, wobei gleichfarbige Gruppen unter sich TfT spielen, unterschiedlich farbige hingegen defektieren (vgl. auch Tsebelis 1988: 236).

  32. 32.

    Man könnte in diesem Fall von einem asymmetrischen Spiel sprechen, in dem sich Bisaasi-teri gemäß der Logik des Feiglingsspiels verhielt, während Mahekodo-teri der Logik des TfT folgte.

  33. 33.

    Gabentausch besteht zum einen aus den Regeln, die dieses spezifische „Spiel“ bestimmen: Geben, Empfangen und – mit zeitlicher Verzögerung – Erwidern. Gabentransaktionen lassen sich zum anderen auch als Akteurstrategien zur Herstellung kooperativer Beziehungen interpretieren, die mit dem Problem des Misstrauens und der Übervorteilung behaftet sind (vgl. Bailey 1969: 4 ff. zu normativen und pragmatischen Handlungsregeln, Befu 1977: 259 f.).

  34. 34.

    Gabentausch hat somit – ebenso wie geregelte Schlachten – eine „epideiktische“ Funktion, wie Rappaport (1968: 15) schreibt. Ihm zufolge wird auch in solchen Schlachten weniger gekämpft als vielmehr beobachtet und signalisiert: Es geht darum Informationen über die Stärke und Kriegsentschlossenheit der Feinde zu beschaffen, aber auch die eigene Stärke und Kriegsentschlossenheit zu demonstrieren.

  35. 35.

    Signalspiele sind eine spezielle Klasse von Spielen bei unvollständiger Information. Ein Spieler A interagiert mit einem Mitspieler B, dessen Absichten und Interessen er nicht genau kennt, die diesbezügliche Information aber wichtig ist. Spieler A kann nun Signale senden, die für ihn mit Kosten verbunden und deshalb verbindlicher Natur sind. Anhand dieser Signale wird Spieler B die Absichten und Interessen von Spieler A besser ab- und einschätzen können. Spieler B sendet seinerseits Signale, was wiederum Spieler A erlaubt, die Absichten und Interessen von Spieler B abzuschätzen (Diekmann 2010: 235). Signalspiele verbinden strategische Interaktion mit symbolischer Kommunikation. Zum „costly signaling“ siehe Camerer (1988), Ziegler (1990), Gintis/Smith/Bowles (2001), Boster et al. (2004), Smith/Bliege (2005), Bliege/Smith (2005), Skryms (2008) und Roscoe (2009).

  36. 36.

    Görlich (1989, 1992a,b, 1996) zu den Mai Enga und Ziegler (1990, 2008) zu den Trobriandern liefern Analysen des Gabentausches als iteriertes Gefangenendilemma-Spiel, ohne allerdings die kriegerischen Feindschaften zwischen Dörfern im Modell zu berücksichtigen. Der Diskontfaktor w, der für die Wahrscheinlichkeit der Weiterführung einer kooperativen Beziehung (Allianz, Gabentausch) zwischen A und B in einem iterierten Gefangenendilemma-Spiel steht, hängt jedoch auch vom Ausmaß ihrer gemeinsamen Feindschaft zu Gruppe C ab. Der Gabentausch steht immer im „Schatten des Krieges“ (Spittler 1980a,b).

  37. 37.

    Mit den konkreten Gründen des Ausbruchs von Kriegen zwischen Staaten hat sich die Theorie der Internationalen Beziehungen ausführlich beschäftigt. Siehe hierzu u. a. Levy (1989), Singer/Small (1982), Vasquez (1993, 2000), Bueno de Mesquita (1980, 1981), Bremer (1995, 2000) uns Ruloff (2004).

  38. 38.

    Oft handelt es sich noch nicht einmal um eine notwendige Bedingung, denn selbst eine schwächere Gruppe kann sich für einen Krieg (und gegen Flucht) entscheiden, wenn sie durch Widerstand oder Gegenangriff erwartet, den überlegenen Angreifer zu entmutigen, bzw. wenn bei Flucht oder Kapitulation noch größere Nachteile als bei einer kriegerischen Strategie zu erwarten sind (Levy 1989:243).

  39. 39.

    Gemäß Bueno de Mesquita (1980, 1981) beginnt ein Staat keinen Krieg, wenn er einen Nachteil (negativen Nutzen) erwartet, hingegen führt ein Vorteil (positiver Erwartungsnutzen) nicht unbedingt zu Krieg, sondern nur dann, wenn der erwartete Vorteil durch Krieg höher liegt als beim Status quo. Levy (1989: 245 f.) bemerkt aber zu Recht, dass sich ein Angriff selbst dann lohnt, wenn er mit einem Nachteil (negativer Nutzen) verbunden ist, nämlich dann, wenn der Nachteil des Gegners noch größer ausfällt als der eigene, d. h. wenn ein Angriff dem gegnerischen Staat mehr schadet als dem eigenen (relative Verluste).

  40. 40.

    Vgl. hierzu Chagnon (1983: 170) zu den Yanomami, Meggitt (1977: 42) zu den Mai Enga, Hallpike (1977: 119 ff., 202) zu den Tauade, Berndt (1964: 203) zu Gruppen im östlichen Hochland von Neuguinea, Brown (1979: 727) zu den Polopa, Evans-Pritchard (1940: 150, 159, 170) und Howell (1954: 39) zu den Nuer.

  41. 41.

    Allerdings besteht diese Korrelation zwischen Kriegshäufigkeit und Siedlungsdichte nicht zwischen tribalen Gesellschaften, sondern nur zwischen den Dörfern einer tribalen Bevölkerungsgruppe. Dörfer in Gesellschaften mit niedriger Siedlungsdichte, wie die Yanomami und Waorani, bekriegen sich gleich intensiv und häufig (d. h. haben die gleichen, wenn nicht höhere Raten der Kriegsmortalität) als Dörfer in Gesellschaften mit hoher Siedlungsdichte, wie die Maring und Mai Enga (vgl. ausführlich Abschn. 14.1).

  42. 42.

    Deshalb können auch als schwerwiegend erachtete Konflikte versanden, während nichtige Konflikte Anlass für einen Krieg sein können. Kommt hinzu, dass die Gründe, die Akteure für Kriege angeben, nicht nur innerhalb eines Dorfes variieren, sondern sich auch über die Dauer eines Krieges verändern (Helbling 2006: 522–536).

  43. 43.

    Selbst wenn Blutgaben entrichtet werden, wird das Leben eines Getöteten dadurch nicht kompensiert. Eine Kompensationszahlung kann „die Rechnung letztlich nicht begleichen“, sondern symbolisiert lediglich, dass die Täter ihre Schuld anerkennen, der Opfergruppe ein genommenes Menschenleben – meist in Form einer Frau – zurückzugeben (Evans-Pritchard 1940: 153 ff., Evens 1985: 94 f.).

  44. 44.

    Zu Pazifizierungsprozessen vgl. Koch (1983), Bodley (1983) und Helbling (2012, 2021a). Wir verfügen über einige gute ethnographische und ethnohistorische Monographien, die komplexe Pazifizierungsprozesse minutiös nachzeichnen: so etwa von Pringle (1970), Wagner (1972) und Helbling (2021b) zu den Iban in Sarawak, von Yost (1981), Robarchek/Robarchek (1996, 1998) und Helbling (2021c) zu den Waorani im ekuadorianischen Amazonas, von Meggitt (1977) und Gordon/Meggitt (1985) zu den Mai Enga sowie Schwörer (2016, 2021) zu den Auyana, Tairora und Fore.

  45. 45.

    Zudem haben staatliche Akteure Eigeninteressen, die nicht selten von jenen der zu pazifizierenden Gruppen stark divergieren. Überdies unterscheiden sich die Interessen der Repräsentanten des Staates vor Ort oft von jenen der Zentralregierung, so dass wir es hier mit einem Prinzipal/Agent-Problem zu tun haben, mit dem wir uns in Abschn. 10.3.3.3 und 13.1.1 ausführlich befassen werden.

  46. 46.

    Eine weitere Variante der Beendigung von Kriegen liegt vor, wenn militärisch unterlegene Bauerngruppen, die sich in einer kriegerischen Umwelt nie durchsetzen können, in unwirtlichen, abgelegenen Gebieten Zuflucht suchen, wo sie zwar vor kriegerischen Übergriffen durch tribale Gruppen sicher sind, jedoch nur als Wildbeuter überleben können(Lévi-Strauss 1952, Lathrap 1968, Service 1968, Dentan 1992: 225, 236 f. über „sekundäre Wildbeuter“ wie die Phi Tong Luang, die Siriono und die Semang). Durch diesen Rückzug bäuerlicher Gruppen und ihre Transformation in Wildbeuter verändern sich auch die strukturellen Rahmenbedingungen: Zwar unterstehen auch Wildbeutergruppen keiner Staatsgewalt, doch sind sie nicht von lokalen konzentrierten Ressourcen abhängig, sondern hoch mobil. Dies erlaubt ihnen, einander in Konfliktfällen auszuweichen und kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden.

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Helbling, J. (2021). Krieg und Allianz als strategische Interaktion. In: Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33935-7_7

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