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Spieltheorie: Konzepte und Modelle

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Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften
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Zusammenfassung

Die Spieltheorie ermöglicht eine sparsame Beschreibung von Konstellationen der strategischen Interaktion von Akteuren unter bestimmten strukturellen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zur mathematisch vorgehenden Spieltheorie eignen sich deskriptive Spielmodelle durchaus zur normalsprachlichen Beschreibung ethnographischer Wirklichkeiten und realer Situationen strategischer Interaktion. Vor allem Verhandlungsspiele widersetzen sich einer mathematischen Formalisierung, sind aber ethnographisch besonders relevant.

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Notes

  1. 1.

    „Networks channel and constrain choices made by actors rather than determine such choices“, wie Marsden/Lin (1982: 175) schreiben.

  2. 2.

    Neumann und Morgenstein waren allerdings nicht die ersten Spieltheoretiker. Spieltheoretische Überlegungen finden sich bereits bei Aristoteles, bei Macchiavelli und Hobbes, bei Rousseau, Hume und Smith sowie bei Marx (Varoufakis 2008: 1258, Holler et al. 2019, Kap. 6, Taschner 2015). Und Cournot (1832) hat die strategische Interaktion zwischen Oligopolen in spieltheoretischen Begriffen beschrieben und nach ihm die Theoretiker des oligopolen Wettbewerbs (vgl. Kreps 1990, Pfähler/Wiese 2008).

  3. 3.

    Barth (1959) hat spieltheoretische Modelle zur Analyse des Allianzverhaltens bei den Swat Pathanen verwendet (vgl. Abschn. 7.4.1). Für weitere spieltheoretische Anwendungen in der Ethnologie siehe Bailey (1969), Southwold (1969), Goldschmidt (1969), Buchler/Nutini (1969) und Whitten/Whitten (1972), ferner Görlich (1989, 1992a,b, 1996), Ziegler (1990, 2007) und Helbling (1995, 2006). Hinzu gehören auch die interkulturellen Spielexperimente, vor allem Ultimatum- und Diktator-Spiel (Henrich et al. 2001, 2005, vgl. hierzu Abschn. 3.4.2).

  4. 4.

    Einführungen in die Spieltheorie bieten u. a. Diekmann (2010), Ross (2014), Behnke (2013), Orthmanns/Albert (2008), Binmore (2007), Hargreaves/Varoufakis (2004), Grüne-Yanoff (2008), Davis (1999), Dixit/Nalebuff (1997), Colman (1995), Rieck (1993), Poundstone (1992), Lyons (1992a) sowie noch immer Rapoport (1981, 1976).

  5. 5.

    Spieltheoretische Modelle, von denen wir später einige kennenlernen werden, haben überdies lediglich den Status von Fabeln und Sprichwörtern („fables and proverbs“), wie Rubinstein (2013) festhält. Das zeigen allein schon die Namen wie Gefangenendilemma, „Chicken“, Hirschjagd und Geschlechterkampf.

  6. 6.

    Während die Arbeiten von Spieltheoretikern wie Rapoport (1962, 1976, 1981), Schelling (1960), Axelrod (1984), Riker (1962) und anderen noch ohne großen mathematischen Aufwand auskommen, strotzen die Abhandlungen späterer Autoren (Ordeshook 1995, Binmore 1992, 2012, Gintis 2009) nachgerade vor mathematischen Formeln.

  7. 7.

    Ausgangsbedingung ist lediglich, dass jeder Akteur versucht, zu gewinnen und nicht zu verlieren, dass er bei der Wahl seiner Strategie auch die strategischen Optionen der anderen Akteure mitberücksichtigen muss (Interdependenz der Entscheidungen in einer strategischen Umwelt) und dass jeder Akteur die Auszahlungskonstellation kennt.

  8. 8.

    Einmal gespielte Spiele – zumal in der Normalform – gehen davon aus, dass jeder Spieler sich seine Optionen und die damit verbundenen Auszahlungen sowie die Optionen und Präferenzen des anderen Spielers vergegenwärtigt und dass sich dann beide Spieler für ihre jeweils beste Option entscheiden. Es besteht also gar kein Anlass zu Kommunikation.

  9. 9.

    Es werden unterschiedliche Informationsstände differenziert (vgl. Rieck 1993: 110). Wichtig scheint mir vor allem der Begriff des gemeinsamen Vorwissens (common knowledge), worunter hier die allseitig vorhandene Kenntnis der Regeln der Spiele und ihrer kulturellen Voraussetzungen verstanden wird. Bei vollständiger Information in einem bestimmten Spiel sind alle Spieler über ihre Handlungsoptionen und Auszahlungen informiert. Bei unvollständiger Information kennt man die Strategien der anderen Spieler nicht vollständig. Bei perfektem Erinnerungsvermögen (in mehrfach gespielten Spielen) verfügen die Spieler über die Gesamtheit der Informationen, die ihnen bereits in der Vergangenheit zugänglich waren. Meist gehen spieltheoretische Modelle von vollständiger Information und perfektem Erinnerungsvermögen aus (ebd.: 92–100).

  10. 10.

    Zum Unterschied zwischen einer normativen (hier weitgehend gleichgesetzt mit: neoklassischen) und einer deskriptiven Spieltheorie vgl. Rieck (1993: 78–84) und Cancian (1966).

  11. 11.

    Elster (1982: 463 f.) macht überdies deutlich, dass 1) strukturelle Zwänge das Verhalten der Akteure nicht vollständig bestimmen und 2) dass Akteure sich zwischen einer beschränkten Anzahl von Handlungsmöglichkeiten entscheiden und dabei insbesondere auch die Handlungsoptionen und Auszahlungen der anderen Akteure berücksichtigen müssen. Die Elemente der Spieltheorie sind gemäß Goldschmidt (1969: 61 f., 68): 1) Personen (individuelle oder kollektive Akteure), 2) „the rule of the game” (die institutionellen, d. h. normativ-rechtlichen Spielregeln), 3) die Strategien der Akteure, die entweder innerhalb oder außerhalb der rechtlichen Regeln 4) ihre jeweiligen Ziele (goals) mit- und gegeneinander erreichen wollen.

  12. 12.

    Über die Unbedenklichkeit eines solchen Vorgehens vgl. Scharpf (1991: 282–285), hingegen die Vorbehalte von Junne (1972: 117 ff.).

  13. 13.

    Bei einer Kardinalskala muss es sich nicht unbedingt um eine numerische Skala handeln; es kann auch eine Intervallskala sein, die Auskunft über das Verhältnis der Abstände zwischen den einzelnen Nutzwerten gibt (Junne 1972: 35, Diekmann 2010: 84 ff.).

  14. 14.

    „Politically rational man is the man who would rather win than lose, regardless of the particular stakes“ (Riker 1962: 22). Rationalität in diesem Sinn wird sich auch durch Selektion durchsetzen, da Spieler, die nicht auf Gewinn spielen, früher oder später verlieren und aus dem Spiel ausscheiden werden, wie populationstheoretisch ausgerichtete Spielsimulationen zeigen (Axelrod 1987, Hirshleifer/Martinez Coll 1988, Imhof et al. 2007, siehe auch Abschn. 7.3).

  15. 15.

    Wenn der erste Spieler seinen Zug gespielt hat, steht der zweite Spieler oft nur noch vor einem Optimierungsproblem; deshalb ist es auch für den ersten Spieler letztlich nur ein Optimierungsproblem (Junne 1972: 103, 119).

  16. 16.

    Strategisch interagierende Akteure mit gemischten Interessen haben teils gleiche, teils divergierende Interessen.

  17. 17.

    Spieltheoretische Modelle können auch als prädiktiv aufgefasst werden, indem sie die Ergebnisse einer strategischen Interaktion von Akteuren vorherzusagen bzw. zu erklären beanspruchen (vgl. auch Cancian 1966). Diesem Anspruch steht aber einiges entgegen: Es gibt in einem Spiel oft viele Nash-Gleichgewichte (Indeterminiertheit des Handelns); das Gleichgewicht – auch wenn es nur eines gibt – ist nicht handlungsrelevant, d. h. es gibt rationale Gründe, davon abzuweichen. Zudem verhindern die Unsicherheit von Entscheidungen sowie die Täuschung und das Bluffen in Verhandlungsprozessen die Vorhersage des Spielergebnisses (Varoufakis 2008: 1266 ff., 1271).

  18. 18.

    Die Akteure verfolgen in den meisten hier behandelten Spielen reine Strategien, die entweder gewählt werden oder nicht, während bei gemischten Strategien die Strategien mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit gewählt bzw. nicht gewählt werden (Diekmann 2010: 23).

  19. 19.

    Harsanyi (1967) nimmt an, dass man das Vorgehen des Gegenspielers zwar nicht vollständig kennt. Er kenne jedoch die möglichen Spielerkategorien (N), die sich durch spezifische Strategien auszeichnen, sowie die subjektive Wahrscheinlichkeit der relativen Häufigkeit dieser unterschiedlichen Kategorien von Spielern, mit denen er es in einem Spiel zu tun haben könnte. In einem nächsten Schritt verrechne er die Payoffs der verschiedenen Spielertypen und multipliziere sie mit der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Harsanyi weist mathematisch nach, dass solche N + 1-Spiele mit unvollständiger Information ebenfalls ein Gleichgewicht aufweisen, das Bayes-Nash-Gleichgewicht genannt wird (Varoufakis 2008: 1264 f.). Gemäß Bayes werden die subjektiven Wahrscheinlichkeiten durch neue Informationen während eines Spiels laufend aufdatiert, was zu einer Anpassung der Erwartungen und zu einer besseren Qualität der subjektiven Schätzungen führt (ebd.: 1275 f.).

  20. 20.

    Meist werden nur einige wenige 2 × 2-Spiele sozialwissenschaftlich berücksichtigt; es gibt aber gemäß Rapoport/Guyer (1966) deren 78 (Scharpf 1991: 278).

  21. 21.

    Es gibt in diesem Spiel weder ein Nash-Gleichgewicht noch ein Maximin-Gleichgewicht, falls die Akteure reine Strategien verfolgen. Eine mögliche Lösung sind dann gemischte Strategien, bei denen die Strategien nicht gewählt werden oder nicht (wie bei reinen Strategien), sondern mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit gewählt bzw. nicht gewählt werden. Damit werden wir uns hier aber nicht weiter beschäftigen (vgl. hierzu Diekmann 2001: 23).

  22. 22.

    Das gilt selbst für Verhandlungsprozesse in Spielen mit gemischten Interessen (Junne 1972: 93 f.). Hier geht es um die Koordination von Erwartungen und um die Bekanntmachung der Handlungsspielräume bzw. die Bezeichnung möglicher gemeinsamer Lösungen, deren Aushandlung allerdings ein Kooperationsproblem bleibt (Douglas 1991).

  23. 23.

    Kirchgässner (1997: 14) und Hardin (2015: 900 f.) sind der Meinung, dass in Transaktionen bzw. Interaktionen von Akteuren lediglich Koordinationsprobleme entstehen. In den Sozialwissenschaften gehe es deshalb um die Analyse von Koordinationsmechanismen und um die Lösung von Koordinationsproblemen. Diese These überzeugt allerdings nicht: Sie passt aber zur neoklassischen Konzeption des Marktes, in dem Tauschakteure freiwillig Transaktionen tätigen, weil diese auf beiderseitigem Vorteil basieren und somit keine Kooperationsprobleme entstehen lassen. Jedoch sind weder hierarchische bzw. bürokratische Verfahren noch Aushandlungsprozesse (reine) Koordinationsprobleme, sondern Kooperationsprobleme, die auf (mindestens teilweise) divergierenden Interessen und unterschiedlicher Verhandlungsmacht der involvierten Akteure beruhen.

  24. 24.

    Das „deadlock game“ mit der Präferenzhierarchie DC > DD > CC > CD ist konfliktiver als das Gefangenendilemma-Spiel (Axelrod/Keohane 1986: 230). Auch im „deadlock“-Spiel ist die D-Strategie dominant, und DD ist das einzige Nash-Gleichgewicht. Das „deadlock“-Spiel ist allerdings weniger interessant, weil es hier – im Gegensatz zum Gefangenendilemma-Spiel – keinen Anreizkonflikt zwischen individuellem und gemeinsamem (kollektivem) Vorteil gibt.

  25. 25.

    Wird ein Feiglingsspiel mehrfach gespielt, fördert das nicht unbedingt die Kooperation, weil sich jeder Akteur die Reputation eines „Helden, der nie ausweichen wird“, erwerben wird und seine Drohungen nur dadurch glaubhaft machen kann, dass er ab und zu tatsächlich defektiert (Zürn 1992: 332).

  26. 26.

    Boehm (1984: 157 ff., 168, 173) zeigt in seinem Buch über Blutrache die paradoxe Logik einer Risikopolitik (brinkmanship). Diese beinhaltet die Aufforderung an die andere Gruppe, entweder nachzugeben oder zu kämpfen. Die Gewaltbereitschaft muss allerdings, um glaubhaft zu sein, auch durch Gewaltakte demonstriert werden. Da sich die Gegenseite gleich verhalten wird, kann diese Abschreckungspolitik leicht schiefgehen: Obwohl beide Akteure eigentlich einen Krieg vermeiden wollten, werden gerade die Abschreckungsmaßnahmen den Krieg auslösen, den man verhindern wollte.

  27. 27.

    Zur Theorie der Verhandlungsprozesse vgl. Muthoo (2000), Pruit/Carnevale (1993), Lyons (1992b), Elster (1989), Sutton (1986), Raiffa (1982), Strauss (1978), Riker (1962) und vor allem Schelling (1960).

  28. 28.

    Gemäß Nash (1950) kann es in solchen Verhandlungsspielen – unter bestimmten Bedingungen – eine einzige rationale Verhandlungslösung geben, die gleichzeitig ein Nash-Gleichgewicht ist. Dieses Gleichgewicht liegt dort, wo der Nutzenzuwachs (Grenznutzen) des letzten Anteils des einen Akteurs gleich dem Grenznutzen des letzten Anteils des anderen Akteurs ist (Varoufakis 2008: 1261 f.). Nash zeigt zwar die mathematische Möglichkeit eines solchen einzigen Gleichgewichts, doch werden dabei die zahlreichen Elemente ausgeblendet, die die realen Verhandlungsprozesse in der realen Welt ausmachen. Auch Spielexperimente wie das Diktator- und Ultimatum-Spiel sind letztlich Verhandlungsspiele. Auch sie leiden jedoch an inhaltlicher Unterkomplexität und methodischer Überkomplexität (vgl. Abschn. 3.4.2).

  29. 29.

    Verhandlungsmacht ist innerhalb und zwischen Gruppen (Organisationen) ungleich verteilt. Die unterschiedliche Verhandlungsmacht spielt auch beim Zustandekommen, der Reproduktion und der Veränderung von Institutionen eine zentrale Rolle (Ensminger 1992: 7).

  30. 30.

    Weil Verhandlungsmacht vor allem Beziehungsmacht (soziales Kapital) ist, wird jener Akteur mehr Verhandlungsmacht haben, der über mehr Alternativen verfügt als der andere: mehr Interaktionspartner, mehr Handlungsoptionen und Substitutionsmöglichkeiten und eine relativ geringere Abhängigkeit vom Verhandlungspartner.

  31. 31.

    Verhandlungen lassen sich auch als Spiele in strategischer Form darstellen, in denen Spieler gleichzeitig entscheiden (Schelling 1960: 21–52).

  32. 32.

    Die Reihenfolge der Spielzüge (in der extensiven Darstellung) ist relevant, weil dadurch Festlegungen glaubwürdiger ausfallen bzw. Informationen über Strategien der anderen leichter zu beschaffen sind (Schelling 1960: 99). Doch sind die strategischen Optionen und die Auszahlungen der anderen bei Verhandlungsspielen immer teilweise unbekannt; sie sind selber Gegenstand des Verhandlungsprozesses (Schelling 1960: 155). Durch ein Nacheinander der Spielzüge kann sich ein Spiel ändern, weil sich der Anfangsspieler durch seinen ersten Zug festlegt und gewisse Optionen ausschließt. Mit jedem Zug wird überdies zusätzliche Information über die Präferenzen und Auszahlungen übermittelt (Schelling 1960: 117, Elster 1989: 142).

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Helbling, J. (2021). Spieltheorie: Konzepte und Modelle. In: Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33935-7_6

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