Skip to main content

„Public choice“ und Ethnologie

  • Chapter
  • First Online:
Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften
  • 1361 Accesses

Zusammenfassung

Die „Public-choice“-Theorie untersucht u. a. die Konkurrenz zwischen Organisationen und die Effekte der Konkurrenz auf diese Organisationen, wie am Beispiel kriegführender Dörfer illustriert wird. Zudem entstehen Probleme des Kollektivhandelns, so auch bei der Bereitstellung von Schweinen zu Allianzfesten von Dörfern. Überdies können sich Mitglieder nicht immer auf kollektiv bindende Entscheidungen einigen, weil Akteure unterschiedlich mächtig sind und teilweise divergierende Interessen haben. Unzufriedene Gruppenmitglieder können nicht nur gruppenintern opponieren, sondern auch wegziehen, wie anhand von Wildbeutergruppen und Bauerndörfern gezeigt wird.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Einführende und weiterführende Publikationen zu „Public choice“ stammen von Frey (1974, 1977), Frey/Meissner (1974), Frey/Pommerehne (1979), Lehner (1981), Braun (1999), Kirsch (2004), Hardin (1982), Mueller (1976, 2003), Frey/Steiner (2009), Behrends (2001) und Dehling/Schubert (2011).

  2. 2.

    „Externe Effekte sind unabhängig von Wirtschaftssystem und Gesellschaftsordnung und treten ganz allgemein auf, wenn jemand Nutzen zieht, ohne dafür zu bezahlen, oder einem anderen Kosten verursacht, ohne für diese aufzukommen“ (Grüske/Recktenwald 1995: 181).

  3. 3.

    Thematisiert werden auch Regierungen, die jeweils von den Wahlgewinnern (oft in Koalition) gestellt werden, und Bürokratien (Niskanen 1968), die als Agenten von Prinzipalen – der Regierung – fungieren, jedoch auch eigene Interessen verfolgen. Ein weiteres Thema sind Interessengruppen, die sich bilden, um Parteien, Bürokratie und Regierung zu ihren Gunsten zu beeinflussen (vgl. hierzu auch North 1981, 1990 in Abschn. 13.1).

  4. 4.

    Diskussionen mit Joachim Görlich haben mir sehr dabei geholfen, mein Modell zu präzisieren. Für seine kritischen Kommentare und hilfreichen Anregungen bin ich sehr dankbar.

  5. 5.

    Ich werde weder auf die Entstehungsbedingungen des Marktes noch des Krieges eingehen (vgl. Kap. 7 ausführlich zum tribalen Krieg). Vielmehr gehe ich von Krieg zwischen Dörfern bzw. Dorfkoalitionen in tribalen Gesellschaften als von einem ethnographischen Faktum aus.

  6. 6.

    Es versteht sich von selbst, dass sich politische Transaktionskosten in einfachen Gesellschaften nicht in Dollar und Franken messen, sondern nur ordinal ausdrückenlassen wie: „gleich wie“, „größer als“ oder „kleiner als“.

  7. 7.

    Dies wird ermöglicht durch eine extensive Landwirtschaft mit einem hohen Anteil von Jagen und Sammeln sowie das Anlegen von Feldern an verschiedenen Orten, wie bei den Yanomami (Chagnon 1968: 152, 1983: 60) und den Waorani (Robarchek/Robarchek 1992: 195), in der ersten Hälfte des 19. Jh. auch bei den Mai Enga (vgl. Wiessner/Tumu 1998: 130 f.).

  8. 8.

    Zu den „Manambu“ vgl. Roscoe (1996), Harrison (1987, 1993), Stanek (1990) und Whiting/Reed (1938); zu den Tairora vgl. Watson (1970, 1971, 1972, 1983) und Pataki-Schweizer (1980); zu den Maring vgl. Rappaport (1968), Vayda (1961, 1971, 1976), Lowman (1971, 1980), Healey (1985a, 1990), Helbling (1991) und Peoples (1982); zu den Mai Enga vgl. Meggitt (1962, 1965, 1971, 1974, 1977), Wiessner/Tumu (1998) und Wiessner (2002).

  9. 9.

    Gemäß Feil (1987: 55) besaßen die Tairora 0.64 bis 2.4 Schweine pro Person, wobei allerdings beim Maximalwert die Hälfte der Schweine Ferkel waren. Deshalb erscheint eine maximale Rate von 1.8 Schweine realistischer zu sein. Wahrscheinlich waren es noch weniger, wenn man die hohe Sterblichkeit von Ferkeln berücksichtigt.

  10. 10.

    Zu Siedlungsformen und Gruppengrößen vgl. Flannery (1972), Allan (1972), Harris (1972), Smith (1972), Forge (1972), Helbling (1996a,b) und Müller (2010).

  11. 11.

    Die Yanomami (Chagnon 1973, 1996), die Maring (Lowman 1980, Vayda 1971), die Mai Enga (Meggitt 1962, 1965, 1977), die Maori und die Tiv (Vayda 1961), die Manambu (Harrison 1993), die Dani (Larson 1987: 328, 472), die Kofyar (Netting 1968, Cohen 1978: 41) und andere tribale Bevölkerungsgruppen sind Beispiele für diese Konstellation einer höheren Bevölkerungsdichte und ausgeprägteren Kriegsintensität, von größeren Gruppen, stärkeren lokalen Chefs und einer größeren Stabilität von Allianzen in den zentralen Gebieten einer Stammesregion (vgl. auch Helbling 2006: 244 ff., 552–559).

  12. 12.

    Bei den „Manambu“ ist die maximale Größe von Lokalgruppen höher als bei den Tairora, wohl weil die größten Dörfer an beiden Ufern des Sepik liegen, wo nicht nur fruchtbare Alluvialböden vorhanden sind, sondern auch Fischfang möglich ist. Es handelt sich deshalb nicht nur um eine soziale Umgrenzung, sondern zusätzlich auch um eine Ressourcenkonzentration (Carneiro 1970: 736 f.).

  13. 13.

    Gemäß Barth (1966: 1) können Organisationen – in diesem Fall: Lokalgruppen – ihre Ziele entweder durch Transaktion (Allianzen) oder Inkorporation erreichen.

  14. 14.

    Die Bereitschaft und Fähigkeit zur friedlichen Konfliktbeilegung steigt allerdings nicht nur mit der verwandtschaftlichen Homogenität, sondern auch mit der aktuellen militärischen Bedrohung, da sich eine Lokalgruppe eine interne Schwächung durch Konflikte oder sogar eine Gruppenspaltung gerade in Zeiten erhöhter Bedrohung nicht leisten kann.

  15. 15.

    Bei den Maring schließen sich die Weiler anlässlich des kaiko-Rituals unmittelbar vor einem Krieg wieder zu einer kompakten Siedlung zusammen (Rappaport 1968: 509 f.).

  16. 16.

    Wir erreichen hier allerdings die Grenzen der Möglichkeit, die diversen Transaktionskosten gegeneinander aufzurechnen.

  17. 17.

    Diese externen Effekte entstehen, wenn Umweltschäden betriebswirtschaftlich nicht internalisiert werden (negative Effekte) oder wenn kollektives Handeln Akteuren (positive Effekte) nicht kompensiert wird und deshalb nicht zustande kommt. Spieltheoretisch formuliert liegt hier das Nash-Gleichgewicht unter dem Pareto-Optimum (Ostrom 1998: 1 f.).

  18. 18.

    Eine (latente) Gruppe ist eine Kollektivität von Individuen, die sich individuell besserstellen können, wenn sie kollektiv ein gemeinsames Ziel anstreben, aber von keiner organisierten Gruppeninstanz zu Kollektivhandeln veranlasst bzw. gezwungen werden. Eine Organisation (also z. B. ein Dorf) ist hingegen eine effektive Gruppe, die (meist) hierarchisch organisiert ist, Institutionen und Verfahrensregeln der Konfliktregelung und Entscheidungsfindung hat und die Gruppennormen durchsetzt, das Trittbrettfahren der Gruppenmitglieder verhindern kann, auch wenn dies nicht immer in ausreichendem Maße gelingt.

  19. 19.

    Bei Kollektivressourcen und Kollektivgütern lässt sich das Ausschlussprinzip nicht bzw. kaum anwenden (externe Effekte). Sie unterscheiden sich dadurch, dass bei Kollektivressourcen (wie Waldbeständen oder Weidegebieten) eine Rivalität des Konsums besteht (Abzüglichkeit), bei Kollektivgütern hingegen nicht (vgl. Abschn. 13.2.2).

  20. 20.

    Umgekehrt gilt, dass auch niemand dem Konsum eines negativen Kollektivgutes (Kollektivschaden) wie z. B. Umweltverschmutzung entgehen kann. Hier geht es darum, dass negative externe Effekte nicht von den Verursachern getragen bzw. internalisiert werden. Die Externalisierung betriebswirtschaftlicher Kosten bringt zwar Vorteile für die Unternehmen, führt aber gleichzeitig zu volkswirtschaftlichen und ökologischen Schäden für alle Akteure (vgl. hierzu Frey 1992). Die Unternehmer können durch den Marktmechanismus nicht zu einer Internalisierung dieser externen Kosten veranlasst werden. Vielmehr müsste der Staat den Einbezug der externen Kosten in das unternehmerische Entscheidungskalkül erzwingen (Endres 2010).

  21. 21.

    Buchanan (1984: 92 ff.) diskutiert diesen Tatbestand in anderen Worten: Treffen zwei Akteure eine Vereinbarung zum beiderseitigen Vorteil, besteht dennoch für jeden von ihnen ein Anreiz, seinen individuellen Vorteil dadurch zu steigern, dass er einseitig den Vertrag verletzt. Wenn aber der andere dies ebenfalls tut, befinden sich beide – zum beiderseitigen Nachteil – wieder in einem vertragslosen Zustand. In einem Zwei-Personen-Spiel sind die beiden Akteure einsichtig und werden auf Trittbrettfahren verzichten. Das ändert sich in einem Mehr-Personen-Spiel. „Je mehr Personen der ursprünglichen Vertragsvereinbarung beitreten, umso geringer wird der Einfluss, den ein einzelner durch sein Verhalten auf andere ausüben kann. … In Großgruppen handelt jedes Individuum vernünftigerweise so, als ob sein Verhalten ohne Einfluss auf das der anderen bliebe. Er betrachtet das Verhalten der anderen als einen Teil seiner natürlichen Umwelt und passt seine Verhaltensweise entsprechend an“ (1984: 94), nämlich mit Trittbrettfahren.

  22. 22.

    In diesem Fall wird aus einem Kollektivgut ein Klubgut, zu dem nur jene Mitglieder Zugang haben, bzw. von dem nur jene profitieren, die einen entsprechenden Kostenbeitrag gezahlt haben und somit zum Klub gehören (vgl. Abschn. 13.2.2). Dies setzt die Möglichkeit voraus, Trittbrettfahrer aus der Gruppe auszuschließen (Olson 2008: 2 f.).

  23. 23.

    Auch gemäß Ostrom (1998: 2 f.) sind „structural variables“ wie Gruppengröße, Heterogenität der Mitglieder, Dauer der Gruppenmitgliedschaft (Diskontraten), selektive Sanktionen und Überwachungsmechanismen, aber auch die Interessen der involvierten Akteure entscheidend für erfolgreiches Kollektivhandeln.

  24. 24.

    Über die Teilnahme von Individuen entscheiden also nicht kollektive, sondern individuelle und kurzfristige Vor- und Nachteile einer Teilnahme: a) individuelle Vorteile bei Teilnahme: Posten und Einkommen innerhalb einer Organisation, Reputation und Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung bei Anhängern; b) individuelle Nachteile bei Teilnahme: selektive Repression und Verfolgung; Unterordnung unter Kommando der Organisation, Übernahme von Kosten und Risiken; c) individuelle Nachteile bei Nichtteilnahme: Sanktionen seitens eigener Leute (Reputationsverlust bis Kollaborationsverdacht), aber auch Wehrlosigkeit bei undifferenzierter Repression des Staates (Hechter/Friedman/Applebaum 1982). Auch North (1981: 31 f.) beschäftigt sich mit der Schwierigkeit unzufriedener Bürger/Untertanen zu kollektivem Handeln, das auf einen Regierungswechsel oder eine Sezession abzielt. Die Staatselite profitiert vom Trittbrettfahrerproblem der Unzufriedenen, weil es deren Organisationsfähigkeit und Schlagkraft lähmt und zur Stabilität des Staates beiträgt.

  25. 25.

    Zu Kollektivgut-Spielen vgl. u. a. Isaac et al. (1994), Ledyard (1995), Andreoni et al. (2003) und Fehr/Gintis (2007).

  26. 26.

    Das Bestrafen von Trittbrettfahrern ist somit entscheidend, wie auch Fehr/Gintis (2007: 47–53) zeigen. In einem wiederholt gespielten „Public-good“-Spiel in einer gemischten Bevölkerung von „Egoisten“ und „stark reziproken“ Akteuren setzen sich die „Egoisten“ durch, falls sie nicht für ihr Trittbrettfahren bestraft werden. Das Kollektivgut kommt nicht zustande. Die „stark reziprok“ vorgehenden Akteure verhalten sich ähnlich wie „Tit-for-tat“-Spieler in einem wiederholt gespielten Gefangenendilemma-Spiel: Sie kooperieren mit „Altruisten“ und bestrafen „Egoisten“ mit Defektion (konditionale Kooperation, vgl. Abschn. 7.3). Fehr/Gintis nehmen an, dass „Egoisten“ mit einem Abzug von 3 Geldeinheiten bestraft werden, dabei aber auch die „stark reziproken“ Akteure eine Geldeinheit verlieren. (Deshalb wird „starke Reziprozität“ auch „kostspieliges Bestrafen“ genannt.) Werden „Egoisten“ auf diese Weise bestraft, werden sie vom Trittbrettfahren abgehalten, und Kooperation setzt sich durch (ebd.: 47 f., 50, 53). Fazit: „Starke Reziprozität“ setzt sich nur durch, wenn „Egoisten“ bestraft werden. Ist dies nicht der Fall, setzen sich die „Egoisten“ durch (ebd.: 51).

  27. 27.

    Zu sozialen Normen vgl. u. a. Morris (1956), Popitz (1961), Elster (1989a,b), Ostrom (2000), Voss (2001), Hechter/Opp (2001), Young (2008), Bicchieri/Muldoon (2014) und Opp (2015); zur Entstehung von Normen vgl. Axelrod (1986), Hardin (1980a), Ensminger/Knight (1997), Ostrom (2000) und Voss (2001). Gemäß Morris (1956: 610) sind Normen allgemein akzeptierte, sanktionierte Vorschriften. Auffallend ist die Nähe zum Begriff der Institution: Eine Institution ist eine von einer Gruppe akzeptierte Regel, die das Verhalten von Akteuren in spezifischen Situationen festlegt und die entweder selbst-durchsetzend ist (Konvention) oder von einer übergeordneten Autorität durchgesetzt wird wie im Fall einer Norm (Rutherford 1996: 182). Ich verwende „Norm“ im Sinne von Handlungsvorschrift, während „Institution“ den Akzent auf deren Sanktionierung und Durchsetzung in Sozialbeziehungen legt.

  28. 28.

    Gemäß Young (2008: 1) koordinieren Konventionen und Normen die Erwartungen von Individuen in Interaktion, wobei Konventionen selbst-durchsetzend sind und Normen durch Sanktionen gegen Abweichler durchgesetzt werden. Konventionen und Normen repräsentieren Gleichgewichte, wobei sich nicht jedes Gleichgewicht als Norm eignet. In Koordinationsspielen einigen sich Akteure mit identischen Interessen auf eine Konvention, von der abzuweichen kein Akteur das Interesse hat (Lewis 1975, Schelling 1960, Abschn. 6.3.2). Bei Spielen von Akteuren mit gemischten Interessen – wie im Gefangenendilemma-Spiel – ist das Nash-Gleichgewicht hingegen das nicht-kooperative Spielergebnis, das man gerade vermeiden will (DD, Abschn. 6.3.3). Die kooperative Strategie (CC) müsste deshalb mit Hilfe einer entsprechenden Norm zur dominanten Strategie gemacht werden (Mirowski 1983). In einem iterierten Gefangenendilemma-Spiel mit einer ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit (w), mit der eine Interaktion auf unbestimmte Zeit weitergeführt wird, lohnt sich eine Tit-for-tat-Strategie der bedingten Kooperation für jeden Spieler. Die Wahrscheinlichkeit der Weiterführung der Interaktion entscheidet in diesem Fall also darüber, ob Akteure mit gemischten Interesse kooperieren, d. h. eine institutionelle Norm oder Regel etablieren und befolgen (Axelrod 1987, Hardin 1971, Ostrom 1998, Abschn. 7.3). Diese Wahrscheinlichkeit ist jedoch nicht objektiv gegeben, sondern wird von den involvierten Akteuren geschätzt. Sie ist somit immer mit Unsicherheit bezüglich der Einschätzung der anderen Akteure behaftet. Eine Norm bzw. Institution kann diese Wahrscheinlichkeit auf einem ausreichend hohen Niveau fixieren und der Kooperation zum Durchbruch verhelfen.

  29. 29.

    Gemäß dieser Konzeption entstehen Normen bei positiven oder negativen Externalitäten: Bei negativen Externalitäten geht es um die Vermeidung einer Schädigung, bei positiven um die Kompensation jener, die sie produzieren (Demsetz 1967). David Hume (1739) war einer der ersten, der diese Theorie vertreten hat: „Es ist in meinem Interesse, mein kurzfristiges Interesse zurückzustellen, sofern andere dies auch tun“ (1739: 239). „Man verabredet mit Hilfe von Normen und Regeln ein bestimmtes Verhalten, das im Interesse aller ist, sofern jeder einzelne sich norm- und rechtskonform verhält“ (1739: 243 f., auch 233, 268 ff.).

  30. 30.

    Wir haben uns bereits in Kap. 13 mit dem Kollektiveigentum an Kollektivressourcen (CPR-Management) beschäftigt: Zwar besteht ein gemeinsames Interesse an exklusiven Zugangsrechten der Gruppe und auch an fairen Nutzungsregeln, aber die Mitglieder haben auch individuelle Interessen, von der Regel zum eigenen Vorteil abzuweichen, z. B. mehr Einheiten aus einem Ressourcenbestand zu nutzen als ihnen zusteht (Hardin 1971, Ostrom 1990, 1998, vgl. Abschn. 13.6).

  31. 31.

    Fehr/Gächter (2002) und Fehr/Gintis (2007) halten vor allem die Variante der „kostspieligen Bestrafung“ bzw. „starken Reziprozität“ für wichtig. Hierbei nehmen die Strafenden einen Nachteil in Kauf, werden aber gleichwohl durch das moralische Prinzip der Fairness und die Abneigung gegen Ungleichheit dazu motiviert, Schmarotzer, Regelbrecher und Trittbrettfahrer zu bestrafen (ebd.: 46). Es ließe sich nun einwenden, dass die Bestrafung von Trittbrettfahrern auch den (individuellen) Vorteil für den Strafenden bzw. für alle Gruppenmitglieder erhöht, weil das Kollektivgut in diesem Fall zustande kommt. Fehr/Gintis (2007: 52) sind aber der Meinung, dass das nicht der Grund für die Strafenden sei, denn dieses kostspielige Bestrafen finde sich auch in solchen Spielvarianten, in denen die Bestraften in den nächsten Runden nicht mehr zur selben Gruppe gehören und kein Individuum ein zweites Mal auf ein anderes trifft (ob mit Sicherheit oder Unsicherheit, bleibt unklar). Das ist auch der Grund dafür, dass die beiden Autoren das Strafen letztlich sogar mit einer neurobiologischen Gratifikation (in Form einer Ausschüttung von Glückshormonen) von Bestrafenden erklären (ebd.: 53). Die beiden Autoren erklären die Bereitschaft der Strafenden, Trittbrettfahrer zu bestrafen, letztlich mit ihrer (neurobiologisch unterstützten) Abneigung gegenüber einem solchen Verhalten. Weshalb gibt es dann überhaupt Trittbrettfahrer im realen Leben? Wir haben uns bereits in Abschn. 3.3.3 und 3.4.1 mit dem Problem der Kooperation in einem iterierten Gefangenendilemma-Spiel beschäftigt, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Weiterführung der Interaktion unbekannt bzw. nicht sehr groß ist (vgl. Abschn. 7.3). Ein Beispiel hierfür ist die Fleischverteilung in Wildbeutergruppen, deren personelle Zusammensetzung sich von Monat zu Monat verändert. Dennoch zeigt sich, dass großzügig geteilt wird mit Gruppenmitgliedern, die sich in der Vergangenheit als großzügig erwiesen haben, hingegen weit weniger mit solchen, die sich einen Ruf als Schmarotzer erworben haben und die deshalb lediglich schlechtere und kleinere Fleischstück erhalten, auch wenn dies für eine schlechte Stimmung und für Konflikte sorgen kann. Ausschlaggebend für die konditionale Kooperation ist hier offensichtlichdas vergangene, nicht das zukünftige Verhalten, unabhängig davon, ob Gruppenmitglieder die Gruppe bald verlassen werden oder nicht (Wiessner 1982).

  32. 32.

    Hierzu siehe Abschn. 7.4, Feil (1987, Kap. 4 und 8 sowie Tabelle p. 237) und Abschn. 5.2 zu den Mai Enga.

  33. 33.

    Es gibt auch legitime Gründe für Haushalte, ihre Schweine selber zu konsumieren, z. B. als Opfergabe im Fall einer schweren Krankheit eines Haushaltmitgliedes (Rappaport 1968: 81 ff.).

  34. 34.

    Bei den Maring werden bspw. 15 % der Schweine nicht im Dorf aufgezogen, sondern durch Tauschhandel erworben (Healey 1985a: 128, Rappaport 1968: 105 f.). Das heißt auch, dass 15 % der Schweine mit Handelspartnern aus anderen Dörfern getauscht und nicht für Gabenfeste des eigenen Dorfes verwendet werden.

  35. 35.

    Dieses Verhalten wird auch von Normen unterstützt. Großzügigkeit wird mit Reputation belohnt und geizige Männer, die zwar erfolgreiche Schweinezüchter sind, aber nicht entsprechend zu den Allianzfesten beitragen, werden als asozial taxiert und können im Extremfall sogar der Hexerei verdächtigt und umgebracht werden. Zudem besteht ein Tabu auf den Konsum von Schweinefleisch während der Zeit zwischen den kaiko-Festen. Doch erklären diese Normen nicht hinreichend, weshalb Trittbrettfahren verhindert wird (Rappaport 1968, Peoples 1982).

  36. 36.

    Weil die Mai Enga auch „ihre Feinde heiraten“ (Meggitt 1977: 42), ergeben sich Probleme, die es bei den Maring seltener gibt: Krieg zu führen gegen eine Koalition, in der sich auch Heiratsverwandte finden. Es gilt als legitimer Grund für einen Mann, in einem solchen Fall nicht an einem Kriegszug teilnehmen zu müssen.

  37. 37.

    Historisch zeigt sich allerdings, dass in gewissen sehr repressiven Staaten weder Abwanderung noch Widerspruch möglich sind. Passivität, stillschweigende Unzufriedenheit und Resignation sind dann die Reaktionen auf einen Leistungsabfall der Organisation (Hirschman 1993b: 172).

  38. 38.

    Es geht hier allerdings nicht um eine wirtschaftliche Abwanderung von Individuen (Hirschman), sondern um eine politisch bedingte Abspaltung einer Faktion.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Jürg Helbling .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2021 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Helbling, J. (2021). „Public choice“ und Ethnologie. In: Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33935-7_14

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-33935-7_14

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-33934-0

  • Online ISBN: 978-3-658-33935-7

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics