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Warentransaktionen und Neue Wirtschaftssoziologie

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Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften
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Zusammenfassung

Wirtschaftssoziologische Ansätze zeigen, dass Markttransaktionen auch Netzwerkbeziehungen zwischen Akteuren sind, wie am Beispiel von Bauernmärkten und des Tauschhandels bei den Maring veranschaulicht wird. Ferner beinhalten Markttransaktionen auch asymmetrische Beziehungen unterschiedlicher Marktmächtigkeit, was sich etwa bei der Festlegung von Preisen im Tauschhandel auswirkt. Überdies enthalten Markttransaktionen immer auch Konventionen, die festlegen, was gehandelt werden kann und wie getauscht werden soll, wie am Beispiel der Tauschsphären bei den Tiv gezeigt wird.

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Notes

  1. 1.

    Zur Neuen Wirtschaftssoziologie vgl. u. a. die Überblickswerke von Swedberg (2009), Braun et al. (2012), Maurer/Mikl-Horke (2015), Hedtke (2014), Portes (2010) sowie Smelser/Swedberg (2004), Maurer (2008) und Kraemer/Brugger (2017).

  2. 2.

    Die neo-institutionalistische Schule der Wirtschaftssoziologie (Meyer, Powell und DiMaggio) wird hier nur am Rande behandelt, da sich deren Modelle weniger gut auf einfache Gesellschaften anwenden lassen. Zur neo-institutionalistische Schule vgl. Hasse/Krücken (2005, 2009). Gleiches gilt auch für die Performance-Theorie (Callon).

  3. 3.

    Vgl. hierzu White (1981), Granovetter (1985), Mützel (2008), Diaz-Bone (2010) und Knoke (2012). Ein Netzwerk besteht aus Akteuren, die untereinander durch Beziehungen verbunden sind (Schweizer 1989: 1). Die Netzwerkanalyse untersucht in einem ersten Schritt Akteurtypen und Beziehungsarten ebenso wie die unterschiedliche Ressourcenausstattung und Positionen der Akteure innerhalb eines Netzes (Schweizer 1989, 1996). In einem zweiten Schritt geht es um die Analyse der Konsequenzen einer Netzwerkstruktur für das Akteurhandeln. Interessen und Strategien sind weitgehend von den aktuellen Positionen der Akteure innerhalb von Strukturen der Machtverteilung in Netzwerken abhängig. Das Handeln der Akteure wird jedoch von ihren Positionen in einem Netzwerk nicht vollständig determiniert; es bleibt den Akteuren ein strategischer Handlungsspielraum (Boissevain 1974, vgl. Abschn. 4.4).

  4. 4.

    Bereits Keynes (1936, Kap. 12) hat die Bedeutung von Entscheidungen unter Unsicherheit betont. Unsicherheit besteht hauptsächlich bei Entscheidungen, die von der Einschätzung der Zukunft abhängen, etwa im Fall von Investitionen in Kapitalgüter, die erst in Zukunft Erträge abwerfen. Im Fall von Unsicherheit entscheiden sich Akteure aufgrund von Konventionen, aufgrund von Faustregeln (Skidelsky 2010: 135–139). Diese Faustregeln, die sich aufgrund vergangener Erfahrungen, aber vor allem auch durch Beobachtung der anderen Akteure bilden, werden so lange beibehalten, wie sie erfolgreich sind (ebd.: 162).

  5. 5.

    Allerdings berücksichtigt selbst Williamson „relationale Kontrakte“ (Macneil 1978, 1980), wenn auch nur für wiederholte Markttransaktionen, die eine dauerhafte Beziehung zwischen den Tauschakteuren beinhalten und in denen Kommunikation, Vertrauen und Macht eine Rolle spielen (Williamson 1985: 83, 2005b: 6 ff.).

  6. 6.

    Das neoklassische Marktmodell, das auf Walras zurückgeht, ist im Wesentlichen ein Tauschmarkt, in dem die Güter bereits produziert und zufällig auf die Marktteilnehmer verteilt sind. Diese Güter werden dann gemäß den Budgets, Präferenzen der Marktteilnehmer und schwankenden Preisen solange getauscht, bis keiner mehr eine Transaktion vornehmen kann, ohne den Nutzen eines anderen zu schmälern (Pareto-Optimum). White bezieht sich demgegenüber auf die Werke von Chamberlin (1933), Robinson (1933) und anderen Vertretern der Industrieökonomik. Die Industrieökonomik ist empirisch ausgerichtet und untersucht real existierende Märkte, die durch „monopolistische Konkurrenz“ (Chamberlin) gekennzeichnet sind, in der Unternehmen die Preise selber festlegen, also Preisgeber, nicht Preisnehmer sind.

  7. 7.

    Der Begriff „product differentiation“ stammt von Chamberlin (1933). Produktedifferenzierung ermöglicht den Unternehmen, einen höheren Gewinn zu erzielen, als dies in einem perfekten Markt der Fall wäre. White lässt sich auch von Oligopol-Theorien inspirieren, bei denen sich Firmen in einer Situation strategischer Interdependenz befinden und sich entweder simultan (Cournot, Bertrand) oder hintereinander (Stackelberg, Porter) auf Angebotsmengen und Preise festlegen.

  8. 8.

    Die Qualität eines Produktes ist zwar nicht gleich seinem Preis, doch ist der Preis (die Preisklasse) eines Produktes dennoch eine gute Annäherung an dessen Qualität: Ein teureres Produkt gilt meist als besser, weil es sorgfältiger verarbeitet ist und aus besseren Komponenten besteht. Darüber hinaus hat ein teureres Produkt auch einen höheren Distinktionseffekt als ein billigeres Produkt, weil sehr viele Konsumenten es sich nicht leisten können.

  9. 9.

    Konsumgüter decken nicht nur den Bedarf der Konsumenten, sondern repräsentieren auch die soziale Identität und den Status der Individuen, die sich durch ihre Position im sozialen Raum und somit durch ihren Habitus unterscheiden (Bourdieu 1982, 1997: 137, 212, Douglas/Isherwood 1979, Sahlins 1981, Zelizer 2005, zudem Veblen 1899 und Hirsch 1977 zu Positionsgütern). In der Neoklassik wird von einer vollständigen Information (über homogene Produkte) und gegebenen Präferenzen der Akteure ausgegangen. Nur wenn der Wert der verschiedenen Güter unterscheidbar ist und wenn die Verkäufer den Wert ihrer Güter plausibel machen können, kann jedoch Kaufbereitschaft der Konsumenten hergestellt werden. Nur durch Prozesse der Standardisierung, kognitiven Verankerung, normativen Legitimation und sozialen Anerkennung entstehen subjektive Wertzuschreibungen, mit denen Marktakteure den Gütern Werte zuordnen, was die Voraussetzung für Marktnachfrage ist (Beckert 2007: 53 ff., Callon 2015, Kap. 5).

  10. 10.

    Bourdieu (1997: 212, 198, 2005: 197, 251, 209 f., 247) kritisiert allerdings noch stärker die neoklassische Marktkonzeption und ihr Modell des Homo oeconomicus.

  11. 11.

    Zu Bauernmärkten vgl. auch die Sammelbände von Bohannan/Dalton (1962) und Cook/Diskin (1976), zudem Epstein (1982), Hodges (1988), Plattner (1989b), Belshaw (1965) und Nash (1966) sowie Weiss/Westermann (1994).

  12. 12.

    Geertz sieht in der Informationsökonomik (Stigler 1961, Akerlof 1970) den gemeinsamen Nenner von Ökonomik und Wirtschaftsethnologie. Seine informationsökonomische Analyse ist aber durchaus mit der Institutionenökonomik vereinbar, für die auch Informationsdefizite und die Beschaffung zusätzlicher Informationen zu den Transaktionskosten gehören.

  13. 13.

    Diese ungleiche Marktmächtigkeit entspricht in etwa der Faktorspezifität, d. h. der ungleichen Abhängigkeit von zwei Tauschpartnern voneinander (Williamson 2009: 151, Abschn. 10.3.3.1). Die Theorie des sozialen Tausches spricht von der „gleichzeitigen, aber ungleichen Abhängigkeit“ zwischen interagierenden Akteuren (Cook/Rice 2001: 706, Abschn. 4.3.2).

  14. 14.

    Waren haben diverse Eigenschaften, über die der Käufer informiert sein sollte, vor allem Eigenschaften, die erst durch die Nutzung offensichtlich werden. Das Problem ist hier die Asymmetrie der Information (vgl. hierzu auch Akerlof 1970 zum Handel mit Gebrauchtwagen). In entwickelten Marktwirtschaften sorgen staatliche Stellen ebenso wie Konsumentenorganisationen, Zulassungsstellen und Versicherungsgerichte für die Qualität der Produkte (Plattner 1989b: 214 f.).

  15. 15.

    Zudem verfügen erfahrene Marktteilnehmer, so Geertz (1979: 212), über gemeinsame Vorstellungen und Konventionen darüber, was „üblich“, „normal“ und „angemessen“ ist.

  16. 16.

    Fixe Preise sind hingegen bei Großhändlern und solchen üblich, die kraft ihrer Marktmacht die Preise festlegen können. Die Kunden suchen dann die tiefsten Preise, wobei die Verkäufer potenziellen Kunden oft die Möglichkeit eines Kaufs auf Kredit oder von Ratenzahlungen in Aussicht stellen (Alexander/Alexander 1991: 505 f.).

  17. 17.

    Weber (1922: 36) betont diesen Aspekt des Interessengegensatzes deutlich: „Tausch ist ein Interessenkompromiss der Tauschpartner, durch welchen Güter oder Chancen als gegenseitiger Entgelt hingegeben werden. Der Tausch kann […] wirtschaftlich rational orientiert erstrebt und geschlossen werden. Jeder rational orientierte Tausch ist Abschluss eines vorhergehenden offenen oder latenten Interessenkampfes durch Kompromiss. Der Tauschkampf der Interessenten, dessen Abschluss der Kompromiss bildet, richtet sich einerseits stets, als Preiskampf, gegen den als Tauschpartner in Betracht kommenden Tauschreflektanten (typisches Mittel: Feilschen), andrerseits gegebenenfalls, als Konkurrenzkampf, gegen wirkliche oder mögliche dritte (gegenwärtige oder für die Zukunft zu erwartende) Tauschreflektanten, mit denen Beschaffungskonkurrenz besteht (typisches Mittel: Unter- und Überbieten).“

  18. 18.

    Die Beziehung eines Händlers sowohl zu Laufkunden als auch zu Stammkunden sind immer persönliche Beziehungen, die entweder schwächer oder stärker bzw. kurz oder dauerhaft sind. Sie entsprechen den „weak ties“ und „strong ties“ (Granovetter 1973, Uzzi 1996, 1997).

  19. 19.

    Alexander/Alexander (1991: 502) erwähnen in diesem Zusammenhang Kohlproduzenten in den Philippinen, die an einen Zwischenhändler verkaufen, von dem sie als Kreditgeber abhängig sind (Russell 1987), Hummerfischer in Maine, die an einen einzigen Zwischenhändler verkaufen müssen (Acheson 1985), und Pachtbauern, die an ihren Verpächter, der auch als Händler fungiert, verkaufen müssen (Hart 1986). Allerdings handelt es sich in diesen Fällen nicht um Tauschmärkte, sondern um die Produktion von Gütern, die weit komplexer sind als reine Warentransaktionen à la Walras.

  20. 20.

    Demsetz (1969) spricht in solchen Fällen, in denen ein realer mit einem idealen Zustand verglichen wird, von einem „Nirvana-Trugschluss“.

  21. 21.

    Auf der Basis seiner Feldforschung zeigt Abolafia (1996), dass trotz des globalen Charakters der Börse (global verfügbare Informationen über globale Börsenaktivitäten, globale Auswirkungen des Börsengeschehens) der eigentliche Börsenhandel (mit Ausnahme von Anleihen und „Over-the-counter“-Geschäften) in der Börse als Marktort erfolgt, ähnlich wie in Bauernmärkten. Wie bin Bauernmärkten sind auch hier die Preise nicht ausgeschildert, sondern sie werden ausgehandelt. Und auch die Geschäfte „over-the-counter“ – etwa von Derivaten – werden zwischen einem Käufer und einem Verkäufer abgewickelt (Chesney 2019: 73, vgl. auch Ho 2005, Luyendjik 2015).

  22. 22.

    Zu den Maring vgl. Rappaport (1967, 1968), Lowman (1971, 1980), Healey (1984, 1985a, 1990), Helbling (1991) und LePuma (1999).

  23. 23.

    Etwa 50 % der Heiraten werden zwischen Dörfern geschlossen, mit denen man gleichzeitig auch militärisch verbündet ist, so dass die Verbündeten eines Dorfes die Summe der Heiratsverwandten seiner Bewohner sind (Lowman 1980: 128).

  24. 24.

    Unmittelbar vor einem kaiko-Fest kommen auf eine Person im Durchschnitt zwei Schweine.

  25. 25.

    Nach der Pazifizierung entstanden patis (parties), die von einigen Männern eines Dorfes organisiert wurden: Es wurde Eintrittsgeld verlangt, Tanzveranstaltungen wurden organisiert und Schweinefleisch und Bier verkauft (Healey 1985a: 138, 143).

  26. 26.

    Bereits Einzig (1949: 375) hat festgestellt, dass auch im Tauschhandel aufgeschobene Zahlungen, d. h. Kredite und Verschuldungen möglich sind.

  27. 27.

    Tauschhandel funktioniert besser, wenn die Auswahl gehandelter Güter klein ist und wenn es immer dieselben Tauschakteure sind, die miteinander handeln (vgl. auch Case/Fair/Gärtner/Heather 1996 in Graeber 2012b: 28 f.).

  28. 28.

    Die Maring mussten auch nicht einen aufwendigen und inflationär angelegten Gabentausch finanzieren, wie die Melpa und Enga, weil die lokalen Anführer ihre Position nicht ihrer Rolle im Gabentausch verdankten, wie bei den genannten beiden Gruppen, sondern ihrer Eigenschaft als gute Redner, Streitschlichter und Ritualexperten (Healey 1985a: 134, 140).

  29. 29.

    Weil die große Zufuhr von Muscheln im Hochland zudem eine Inflation verursacht hatte und dadurch Muscheln als Zahlungsmittel unbrauchbar wurden, übernahmen in den 1970er-Jahren die Maring-Gruppen in der Nähe von Regierungsstationen und Städten und in den 1980er-Jahren auch die übrigen Maring-Gruppen Geld, welches das Muschelgeld verdrängte (Healey 1985a: 135).

  30. 30.

    Godelier (1996: 143) nennt einen weiteren Grund dafür, dass Gabentausch und Warentausch weiterhin in getrennten Tauschsphären gleichzeitig nebeneinander bestehen, ohne dass die Einführung von Geld den Gabentausch zerstört hat: weil nämlich der Boden weiterhin das unveräusserliche Kollektiveigentum der Verwandtschaftsgruppen bleibt.

  31. 31.

    Die Verwendung von Geld bei den Maring gleicht also entfernt jenem in kapitalistischen Wirtschaften, wo sowohl in Warentransaktionen als auch im Geschenktausch Geld verwendet wird, nur dass bei den Maring und anderen Gesellschaften im Hochland von Neuguinea Schweine als Gaben wichtiger sind als Geld und der Gabentausch weitaus wichtiger ist als der Tauschhandel, in welchem weniger Konsumgüter als vielmehr Güter getauscht werden, die gesellschaftsintern als Gaben eingesetzt werden.

  32. 32.

    In einfachen Gesellschaften reichen Phänomene des Tauschhandels vom weiträumigen Handel der Aborigines durch ganz Australien bis zu Tauschtransaktionen zwischen benachbarten Dörfern, innerhalb derselben und zwischen verschiedenen Kulturen, kombiniert oft auch mit anderen Tauschmodalitäten: Gabentausch, Redistribution und Markttausch mit Geld (Chapman 1980: 42 ff., 56 f., Herskovits 1952, Kap. 9, Heady 2005). Zu den Beispielen, die Chapman (1980: 37 f.) aufführt, gehört der Tauschhandel zwischen den Bantu und Bushmen (Marshall Thomas 1965: 15 f.), bei den Nambikuara (Lévi-Strauss 1943: 131), zwischen Jukun und Tiv (Munchi) im Nigeria (Thurnwald 1932: 164) und bei den australischen Aborigines (McCarthy 1938/39: 437 f.). Arbeitsteilung und Tausch gibt es aber auch innerhalb von Gruppen, denn auch lokale Gemeinschaften sind arbeitsteilig organisiert, meist zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Erwachsenen und Alten/Jungen (Chapman 1980: 47, Einzig 1949: 346 f., 356 f., 362, Friedl 1975: 16 f. zu Wildbeutern). Weitere Beispiele für Tauschhandel finden sich in Einzig (1949: 357), Herskovits (1952: 195) zu Afrika, McCarthy (1938/39: 417, 435) zu Australien, Barth (1971: 178) und Godelier (1969: 16–17) zu Neuguinea sowie Gusinde (1931: 436) zu den Selk'nam der Tierra del Fuego (Chapman 1980: 47).

  33. 33.

    Graeber (2012b: 109 ff.) charakterisiert den Tauschhandel hingegen als „spot market“, wie er in Einführungstexten in die Wirtschaftswissenschaft oder aber in hoch regulierten und institutionell abgesicherten Märkten vorkommt, etwa im Finanzmarkt (Coase 1988). Der kommerzielle Tausch sei unpersönlich: Es spiele keine Rolle, mit wem ich tausche; ich bin nur an dem ausgetauschten Gut interessiert, auch wenn die Transaktion ein minimales Vertrauen bedingt. Nach der Transaktion gehen beide getrennte Wege. Nach dem Tausch sind die beiden quitt, außer es bestünden Kreditschulden.

  34. 34.

    Das gilt auch für die Beispiele der Nambikuara und der Gunwinggu, die Graeber (2012b: 36–39) für seine These anführt, dass es keinen reinen Tauschhandel gebe. Auch in diesen Beispielen bilden gemeinsame Rituale und Zeremonien sowie verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Beteiligten die nicht-ökonomischen Voraussetzungen für die wirtschaftlichen Handelstransaktionen, die ansonsten aufgrund von Misstrauen, Argwohn und Gewalttätigkeiten nicht zustande kämen.

  35. 35.

    Gemäß Weber (1922: 384 f.) versuchen Marktakteure, die freie Konkurrenz zugunsten der eigenen Marktchancen einzuschränken, den Marktzutritt für Wettbewerber zu behindern und Tauschchancen zu monopolisieren. „Jede rationale Geldrechnung und insbesondere daher jede Kapitalrechnung ist bei Markterwerb orientiert an Preischancen, die sich durch Interessenkampf (Preis- und Konkurrenzkampf) und Interessenkompromiss auf dem Markt bilden“ (1922: 49).

  36. 36.

    Ein Feld besteht aus den Kräfteverhältnissen zwischen Akteuren, die miteinander interagieren und von denen jeder eine spezifische Position innehat. Die Feldposition eines Akteurs hängt von der Menge jenes Kapitals ab, das im jeweiligen Feld entscheidend und auch Gegenstand der Auseinandersetzung ist: also ökonomisches Kapital im ökonomischen Feld (Bourdieu 1996: 128). Von der Feldposition eines Akteurs hängt ab, welche Strategien er anwendet und wie groß die Durchsetzungschance dieses Akteurs im Feld ist (1998: 72 f.). Strategien sind gezielte Versuche und Maßnahmen von Akteuren, sich in einem Feld gegen Kontrahenten durchzusetzen. Es besteht nach Bourdieu deshalb ein starker Zusammenhang zwischen den Strategien der Akteure, ihrer relativen Feldposition und den Kapitalsorten und -mengen, mit denen die Akteure ausgestattet sind (1996: 129, 136 f.).

  37. 37.

    Bourdieu (1997: 193) nennt finanzielles Kapital (Eigenmittel, Zugang zu Krediten), technologisches Kapital (Forschungspotenzial, technologische Ausstattung, Fertigkeiten und Routinen), kommerzielles Kapital (Vertriebsnetze, Lagerhaltung) und symbolisches Kapital (Marktimage, Markenprestige).

  38. 38.

    Bourdieu (1997: 200 f., 2005: 198 f.) folgt hier Mason (1949) und Bain (1951). Diese hatten das SCP-Modell weiterentwickelt, das von Chamberlin (1933) und Robinson (1933) stammt. Die Struktur (S) eines Marktes (Anzahl und relative Stärke der Firmen, Differenzierungsgrad des Produktes, Kostenstruktur, Grad der vertikalen Integration mit Zulieferern) bestimmt die Strategien (B) der Firmen (Preise, Forschung, Investitionen, Werbung). Von der Strategie der Firmen hängt der Betriebserfolg (P) ab (Effizienz, Preis-Grenzkosten, Produktepalette, Innovationsrate, Profite, Vertrieb), der wiederum auf die Strategie eines Unternehmens und diese im Aggregat auf die Struktur des Marktes zurückwirkt.

  39. 39.

    Ähnlich setzt auch das neoklassische Marktmodell voraus, dass kein ökonomischer Akteur Macht über andere ausübt und alle Marktakteure gesetzeskonform handeln (Knight 1921: 76), eine Position, die Bowles/Gintis (2008b: 1 f.) dezidiert kritisieren.

  40. 40.

    Fligstein (1990) analysiert diese inhärente Tendenz zur Kartellbildung und Oligopolisierung zwecks Kontrolle bzw. Ausschaltung von Wettbewerb. Falls Wettbewerb für Effizienz sorge, wie Friedman (1953), Chandler (1977) und Williamson (1985) meinten, dann sei die Einschränkung des Wettbewerbs auch mit einer Einschränkung von Effizienz verbunden, geben Fligstein/Dauter (2007: 121) zu bedenken.

  41. 41.

    Auch gemäß Schumpeter (1942, Kap. 7) ist Innovation zentral: Unternehmen erzielen einen zeitweisen Monopolgewinn durch einen Innovationsvorsprung, der aber wieder verschwindet, wenn die anderen Unternehmen nachziehen (Imitation). Durch diesen Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ verschwinden ältere Technologien, gehen Unternehmen Bankrott und verarmen Regionen.

  42. 42.

    Die wichtigsten Veränderungen von Märkten kommen durch staatliche Interventionen zustande: durch Gesetze und Regulierungen, durch Kredite, Staatsaufträge und die Währungspolitik (vgl. Fligstein 1990 zu den USA). Auch bei diesem Kampf um den Einfluss auf den Staat haben die großen Firmen mit ihrer überlegenen Marktmacht Vorteile (Bourdieu 2005: 204, 249). Weitere Ursachen von Transformationen in Märkten umfassen Veränderung der Versorgungsquellen (Erdölfunde zu Beginn des 20. Jh.), der Nachfragestruktur (sinkende Geburtenzahlen, längere Lebensdauer) oder im Lebensstil (Frauenarbeit und Haushaltsprodukte, Bourdieu 1997: 206 ff.). Märkte verändern sich überdies durch technologische Innovationen, die die Felder neu definieren. So kann ein Markt in mehrere Märkte ausdifferenziert werden (z. B. für Linien-, Militär-, Geschäfts- und Frachtflugzeuge) oder Märkte fusionieren zu einem Markt (Informatik, Telekommunikation und Bürotechnik zu einem IT-Markt).

  43. 43.

    Die Führungsstrukturen von Unternehmen können sich verändern: Waren es früher technisch ausgerichtete Manager und dann Marketingchefs, sind es heute oft Finanzmanager, die die Firmenpolitik hauptsächlich bestimmen (Fligstein/Dauber 1989, Fligstein 1990, Fligstein/Markowitz 1993 in Bourdieu 2005: 249).

  44. 44.

    Diese These ist gegen Lerner (1972: 259), Samuelson (1957: 894) und Knight 1921: 76) gerichtet, für die in Wettbewerbsmärkten Macht deshalb keine Rolle spielt, weil der Markt sich selbst reguliert, d. h. Kontrakte komplett und vollständig sind und weil Marktakteure freiwillig und im wechselseitigen Interesse Kontrakte abschließen (Bowles/Gintis 2008b: 1 f., 7). Hingegen haben Galbraith (1967: 47), Hirshleifer (1991), Bardham (2005) und andere die unterschiedliche Mächtigkeit von Akteuren auch in wirtschaftlichen Beziehungen beschrieben und analysiert.

  45. 45.

    Bereits Smith (1776: 58) betont die ungleich langen Spieße von Unternehmern und Arbeitern in Arbeits- und Lohnkonflikten. Erstens, können sich Unternehmer, weil es weniger von ihnen gibt als Arbeiter, besser organisieren, koordinieren und letztlich durchsetzen. Zweitens haben Lohnbezüger auch eine geringere Durststreckentoleranz: Während Unternehmer so viel Vermögen haben, dass sie ein oder zwei Jahre durchhalten können, gelingt dies den meisten Arbeitern für kaum länger als eine Woche.

  46. 46.

    Fehr/Gintis (2007: 54–58) meinen, dass ein Angestellter viel und gut arbeitet, wenn er den Lohn als „fair“ empfindet. Dies sei dann seine (freiwillige) Gabe an den Unternehmer in einem unvollständigen Kontrakt (bereits Akerlof 1982). Es macht aber wenig Sinn, dies als Gabentransaktion zu verstehen, bei der es um die Anbahnung oder Bestärkung einer sozialen Beziehung geht, nicht um eine wirtschaftliche Transaktion. Die Beziehung zwischen Unternehmer und Angestellten ist eine wirtschaftliche Transaktion. Vor allem aber handelt es sich um eine Beziehung unterschiedlicher Marktmächtigkeit (Bowles/Gintis 2008b): Der Unternehmer kann einen Arbeiter entlassen (oder damit drohen), wenn er nicht gut arbeitet. Der Arbeiter hat hier strukturell die schlechteren Karten, selbst bei Vollbeschäftigung; bei Arbeitslosigkeit ist diese Asymmetrie noch ausgeprägter.

  47. 47.

    Vergleiche auch die Konzeption der gleichzeitigen, aber ungleich starken Abhängigkeit von Tauschpartnern bei Emerson (1962, 1976), die Ausführungen von North (1990a) zur unterschiedlichen Verhandlungsmacht zwischen Organisationen und von Akteuren innerhalb von Organisationen sowie Max Weber (1922: 36), der von einem machtgestützten „Tauschkampf“ spricht (zu Weber auch Bourdieu 2005: 207).

  48. 48.

    Chapman nennt zwei weitere Kategorien, die allerdings weniger überzeugend sind: 3) Tausch „ohne Feilschen und ohne Wertmesser“, wie auf den Loyalty-Inseln (Aiston 1937: 376 f.), wo allerdings zunächst gefeilscht wird, am Abend die restlichen Warenmengen verschenkt werden (Chapman 1980: 52). Hierbei handelt es sich zunächst um Feilschen und dann um Schenken und nicht um einen eigenständigen Typ. 4) Verzögerter Tausch, der gemäß Einzig (1948: 4 f.) vor der Entstehung von Geld (als Zahlungsmittel) Kredit mit sich bringt, d. h. ein Versprechen auf spätere Zahlung darstellt (Chapman 1980: 52 f.). Doch auch hier müssen sich die Tauschpartner vorgängig auf eine Austauschrate einigen, auch wenn die Zahlung mit zeitlicher Verzögerung erfolgt.

  49. 49.

    Im Tauschhandel von Ware gegen Ware sind Tauschwert und Preis deckungsgleich (Marx 1867: 102 ff., 106 f.). Im allgemeinen Warentausch, wie er für die kapitalistische Produktionsweise typisch ist, gilt dies nicht. Dort werden Waren nicht zu ihren Tauschwerten, sondern zu ihren Preisen getauscht. Ein Teil des Warenwertes, der in Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Kapitalintensität (niedriger organischer Zusammensetzung) geschaffen wurde, wird nämlich über einen durchschnittlichen Produktepreis, der sich durch die Marktkonkurrenz ergibt, an Unternehmen mit überdurchschnittlicher Kapitalintensität in Form eines zusätzlichen Profites transferiert (Marx 1894, Kap. 8, 9 und 10).

  50. 50.

    Bradby (1977: 136) sieht eine weitere Erklärung der Tauschraten mit aufgewendeten Arbeitsquanten. Der Tausch wäre (ungefähr) äquivalent, falls nur die Quanten aufgewendeter Männerarbeit berücksichtigt würden: 1 Salzbarren (1 Tag Arbeit) gegen 1 Rindenumhang (1–1,5 Tage Arbeit), vor Einführung der Stahlbeile sogar: 1,5 Tage gegen 1–1,5 Tage.

  51. 51.

    Sahlins (1974c) versucht, den Tauschwert in der „archaischen Ökonomie“ zu bestimmen, findet aber kein quantitatives, konsistentes Muster in den Tauschverhältnissen zwischen den Gütern: Die Arbeitswerttheorie erkläre nichts, allenfalls wirkten – wenn auch nur längerfristig – Angebot und Nachfrage bei der Bestimmung der Tauschraten (1974c: 297). Der Grund dafür liege in dem Umstand, dass die Tauschraten nicht nur von der jeweils spezifischen Tauschsituation, sondern auch – bei ein und demselben Gut – vom relativen Status der Tauschpartner abhängig seien (ebd.: 279). Sahlins verwechselt hier offensichtlich Warentausch und Gabentausch (vgl. Abschn. 5.1.3 sowie die Kritik von Modjeska 1985 und Görlich 1992a: 296 ff.).

  52. 52.

    Dieser Sachverhalt ließe sich auch mit Hilfe der Edgeworth-Box veranschaulichen, die für eine Konstellation von bilateralem Monopol zweier Akteure (Person 1 und 2) steht (vgl. hierzu Modjeska 1985: 147, 151, Schneider 1974: 122–128, Görlich 1992a: 152–157). Mit diesem Modell lässt sich ein Preis allerdings nicht eindeutig festlegen. Die zahlreichen Berührungspunkte der Indifferenzkurven der beiden Tauschpartner auf der Kontraktkurve entsprechen möglichen Preisen, die alle pareto-optimal sind (vgl. Abschn. 9.1.3.6).

  53. 53.

    Der Tauschhandel wird ausschließlich von den Frauen abgewickelt, während die Männer ein interethnisches Netz von zeremoniellem Gabentausch aufbauen, das den Tauschhandel der Frauen überhaupt erst ermöglicht. Im Gabenhandel tauschen Iatmul- mit Sawo-Männern Steinbeile gegen Muscheln, die die Iatmul als Heiratsgaben verwenden. Dieser Gabenhandel zwischen Männern ist weitgehend symmetrisch, während der Tauschhandel der Frauen asymmetrisch ist (Modjeska 1985: 153 f.).

  54. 54.

    Der Preis liegt zwar irgendwo zwischen der minimalen und maximalen Tauschrate der beiden Tauschpartner; wo der Preis aber tatsächlich festgelegt wird, hängt von der unterschiedlichen Marktmächtigkeit der Tauschpartner ab. Der vereinbarte Preis entspricht somit einem Nash-Gleichgewicht, von dem abzuweichen keiner der Akteure ein Interesse hat, weil er sich eine solche Abweichung aufgrund seiner Verhandlungsmacht nicht leisten kann (Bowles/Gintis 2008b: 4, zu Verhandlungsprozessen vgl. Muthoo 2000, ausführlich Abschn. 6.4).

  55. 55.

    Auch gemäß Weber sind Marktpreise „Kampf- und Kompromissprodukte, also Erzeugnisse von Machtkonstellationen“ (1922: 36, 58). Zu Macht und Preisbildung vgl. auch Swedberg (2009: 155).

  56. 56.

    Gemäß Keynes (1936: 206) sind die wichtigen unabhängigen Variablen wie Konsumneigung, Liquiditätspräferenz und Erwartung zukünftiger Erträge aus Kapitalanlagen letztlich „psychologische“ Variablen. Über die gegenseitige Beobachtung der Akteure und den Bezug auf dieselbe Situation kommen Konventionen als kollektive Phänomene zustande, die auf die Akteure zurückwirken (Favreau 1985, 2014).

  57. 57.

    Auch Lewis (1975) und seine Theorie der Konvention, die auf einer Koordination zwischen Akteuren mit gleichen Interessen basiert, spielt für die Konventionenökonomik eine erstaunlich geringe Rolle. Lewis situiere Koordination nicht in sozialen Kontexten, und sein Konzept des „common knowledge“, in welchem gegenseitige Erwartungen von Akteuren konvergieren, sei ungenügend. Zudem reduziere er Koordination auf simple Zwei-Personen-Spiele (Dosse 1995: 290 f.).

  58. 58.

    Callon (2015) nennt folgende Voraussetzungen dafür, dass Wirtschaftsakteure in Markttransaktionen ein homogenes Gut freiwillig und zu einem gegebenen Preis gegen Geld tauschen: Erstens müsse ein Gut überhaupt erst standardisiert und als Ware unter Waren klassifiziert und bewertet werden. Zweitens müssten wirtschaftliche Akteure als „qualkulierende“ Akteure erst hergestellt werden, wobei der Ausdruck „Qualkulation“ sowohl die qualitative als auch die quantitative Bewertung von Waren und Transaktionen beinhaltet. Drittens müssen Markttransaktionen räumlich und sozial definiert und organisiert werden. Viertens sei es erforderlich, dass Konsumenten überzeugt werden, eine bestimmte Ware zu kaufen (market attachment), und fünftens müssten Preise festgelegt werden.

  59. 59.

    Konventionen sind somit „sozio-kulturell verankerte Handlungsgrammatiken, welche es Akteuren ermöglichen, sich in Situationen und unter Bedingungen der Unsicherheit handelnd zu koordinieren und eine gemeinsame Intention zu realisieren“, und sie dienen als „kollektive Interpretationsrahmen für die Evaluation der Angemessenheit und Wertigkeit von Handlungen, Personen, Objekten und Zuständen“ (Diaz-Bone 2011: 23).

  60. 60.

    Im Gegensatz zur „industriellen Konvention“ beruht die „handwerkliche Konvention“ auf traditionellen Herstellungsmethoden, teuren Produkten, einer weitgehend familiären Arbeitskraft und einer lokalen Herkunft der Rohstoffe, wie beim „Camembert normand“ im Gegensatz zum industriell hergestellten „Camembert normé“ (Eymard-Duvernay 2004: 78 ff.). Die „Netzwerkkonvention“, für die das Unternehmen Toyota steht, ist weniger klar konturiert: Sie besteht aus einer Diversifizierung der Produktion, einem flexiblen Einsatz eigenverantwortlicher Arbeitskräfte, aus einer „just in time“-Produktion und dem Einsatz von Informationstechnologie bei der globalen Koordination der Produktion (ebd.: 80 ff., Diaz-Bone 2009: 12 f., vgl. auch das Schema in Eymard-Duvernay 2004: 86 f. sowie Salais/Storper 1992, 1995 zu „worlds of production“).

  61. 61.

    Auch gemäß North und Douglas sind Konventionen Teil von Institutionen. Z.B. besteht das Rechtswesen nicht nur aus einem Rechtskodex von Gesetzen, sondern aus Richtern, Beamten, Parlamentariern und Rechtsprofessoren, die Gesetze ausarbeiten und erlassen bzw. Gesetze interpretieren und beurteilen, ob sie mit der Verfassung und den gängigen Gerechtigkeitsvorstellungen vereinbar sind.

  62. 62.

    Einerseits strukturieren Institutionen die Interaktion von Akteuren, die wiederum Konventionen bilden, um sie zu interpretieren. Anderseits entstehen neue Konventionen – ebenso wie Institutionen – in der Interaktion von Akteuren. Konventionen können sich zu Institutionen verfestigen, d. h. Konventionen, auf die sich Akteure geeinigt haben, widersprechen hergebrachten Institutionen, und es entstehen neue Institutionen, die dem gemeinsamen Interesse eher entsprechen (Salais 2007: 105). Der Mechanismus, durch welchen Konventionen zu neuen Institutionen führen, bleibt allerdings unklar.

  63. 63.

    Der Begriff „Konvention“ werde mit den Begriffen „Theorie“, „Paradigma“, „kognitives Modell“, „Sens commun“, „System der Repräsentation“ oder „System des Wissens“ umschrieben (Quéré 1993: 23).

  64. 64.

    Ideologien liefern Wirklichkeitsmodelle, auf deren Basis Akteure sich orientieren und handeln (Ensminger 1992: 14). Sie bilden somit eine gemeinsame „Sprache“, in welcher Akteure sich selbst darüber Klarheit verschaffen können, worin sie unterschiedlicher Meinung sind (North 1981, Kap. 5, 1990: 41). Douglas (1991: 80) zufolge ist eine Institution auch eine Konvention, wenn alle Akteure ein gemeinsames Interesse daran haben, dass es diese Regel oder Vorschrift gibt. Es handelt sich dann lediglich um Koordination zwischen Akteuren mit gleichen Interessen (Lewis 1975).

  65. 65.

    Das zeigt sich auch bei der Kritik an Williamson (Eymard-Duvernay 2004: 31, 48): Die Hierarchie (als institutionelle „mode of governance“ in Unternehmen und dem Staat) erlaube keine vollständige Koordination der Produktion und falls doch, wäre sie mit hohen Kosten verbunden (ebd.: 41, 47). Zudem vernachlässige Williamson „Werte und Gerechtigkeit“, kurz: Konventionen (ebd.: 48). Die „Qualitätskonventionen“ prägen nicht nur das Denken der Akteure in Unternehmen, sondern bilden auch die Voraussetzungen für ihr Kalkulieren. Solche „Qualitätskonventionen“ von Unternehmen seien letztlich nichts anderes als Unternehmenskulturen (ebd.: 88). Das mag zutreffen, doch ist das eigentliche Problem bei Williamson, dass er die innerbetriebliche Hierarchie weitgehend kontraktuell fasst und – ebenso wie die Konventionenökonomik – das Problem der Macht ausblendet.

  66. 66.

    Vor allem Messingbarren fungieren als Zahlungsmittel (und Wertstandard), wenn auch nur innerhalb der Prestigegütersphäre. Auf das gesamte System bezogen sind aber auch Messingbarren lediglich „special purpose money“ (Bohannan 1959: 493 f., 498).

  67. 67.

    Weil der Frauentausch meist nicht zeitgleich erfolgte, dienten Messingbarren und Rinder als eine Art Zwischengabe. Bei der kem-Heirat, die nach dem Verbot des direkten Frauentausches nach 1927 aufkam, wurde mit der Heirat nur ein Recht auf die Frau erworben, während Rechte auf ihre Kinder gesondert abgegolten werden mussten, wiederum vor allem mit Messingbarren (Bohannan 1959: 494 ff.)

  68. 68.

    Die Fur leisten keine Lohnarbeit und verkaufen Bier nicht auf dem Markt, weil dadurch der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet würde (Barth 1967), denn die lokale Arbeitskraft sowie das Bier werden für die kollektive Feldarbeit in den Dörfern benötigt. Insofern schützt eine Trennung der Tauschsphären die Subsistenzsphäre, obwohl ein Markt für Bier durchaus vorhanden wäre. Wenn ein höherer Bierpreis das Angebot für Hirse zur Bierproduktion ansteigen ließe, bestünde das Risiko, dass nicht mehr Hirse in ausreichender Menge für den Konsumbedarf der Haushalte bereitstehen würde. Auch Lohnarbeit würde bei einem Lohnanstieg ebenso attraktiver und könnte zu ähnlichen Problemen und zu sozialer Desintegration führen.

  69. 69.

    Rinder und Pferde wurden im Süden meist als Opfer verwendet. Zudem bestand im Süden kaum eine Nachfrage nach den Textilien des Nordens (Guyer 2004: 29).

  70. 70.

    Bei diesem Prozess scheinen Igbo-Händler, die den Tiv Nahrungsmittel mit Geld abkauften und exportierten, wichtig gewesen zu sein: Mit dem Anstieg der Preise entstand ein Anreiz, Nahrungsmittel für den Markt zu produzieren. Mindestens zu Beginn scheint die Ausweitung der Produktion von Subsistenzgütern nicht mit dem Abfluss dieser Güter durch den Fernhandel Schritt gehalten zu haben. Daraus resultierten Knappheiten und Konflikte. Versuche der Alten, die Frauen vom Verkauf von Subsistenzgütern abzuhalten, schlugen ebenso fehl wie die Diskrimination von externen Händlern, wohl weil sich verstärkt nun auch die jüngeren Tiv-Männer im Fernhandel betätigten. Die Igbo-Händler verkauften diesen auch Prestigegüter für Geld (Bohannan 1959: 501, Bloch/Parry 1989: 14).

  71. 71.

    Boltanski/Thévenot (2007: 183, 207) schreiben: „Die Feststellung der Größe einer Person kann nicht einfach aufgrund ihrer intrinsischen Eigenschaften als Person erfolgen … Sie muss sich auf Objekte stützen, die außerhalb der Person liegen und die dann gewissermaßen als Instrumente oder Werkzeuge zur Beurteilung der Größe dienen. … Welten dürfen also nicht mit Gruppen in Verbindung gebracht werden, sondern nur mit Arrangements von Objekten. Diese Arrangements charakterisieren die verschiedenen Situationen, in denen Personen handeln und dabei diese Objekte ins Spiel bringen.“ Objekte sind also deshalb bedeutsam, weil sie den Akteuren ermöglichen, die Qualitäten und Wertigkeiten der anderen Akteure zu ermitteln bzw. zu repräsentieren (Diaz-Bone 2015: 155 f.).

  72. 72.

    Das Beispiel der Orma (Ensminger/Knight 1997) zeigt, dass die Autorität der Alten schwindet, wenn nicht nur die jüngeren Männer, sondern auch die heiratbaren Frauen an Verhandlungsmacht gewinnen. In diesem Fall haben die Ältesten die Brautpreiszahlungen stark reduziert, um die Jungen weiterhin an sich zu binden (vgl. Abschn. 10.3.2.3).

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Helbling, J. (2021). Warentransaktionen und Neue Wirtschaftssoziologie. In: Neue Politische Ökonomie einfacher Gesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33935-7_11

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