Zusammenfassung
In der wissenschaftlichen Literatur wird seit langem darüber gestritten, ob ein Ausbau direktdemokratischer Verfahren die Legitimität der Demokratie in Deutschland stärken könnte – oder ob er mehr negative als positive Effekte zur Folge hätte. Der Beitrag schließt an diese Debatte an, indem er zwei zentrale Ergebnisse aus dem Demokratiemonitor präsentiert und ihre Konsequenzen für eine mögliche Reform der politischen Beteiligungsangebote diskutiert: Erstens wird aufgezeigt, dass sich eine große Mehrheit der Bevölkerung für eine Stärkung direktdemokratischer Instrumente ausspricht – und zwar quer durch die verschiedenen Altersgruppen, Regionen und sozioökonomischen Milieus. Auch wenn die Nutzung solcher Instrumente in der politischen Praxis verzerrt ist, äußern große Teile der Bevölkerung den Wunsch nach direkten Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die faktischen Mittel zu direktdemokratischer Beteiligung sind in Deutschland jedoch vergleichsweise gering, auf Bundes- und EU-Ebene gibt es fast gar keine Möglichkeit zur Mitbestimmung und auf Kommunal- und Landesebene variieren sie zwischen den Bundesländern. Ob diese Diskrepanz in der persönlichen Wahrnehmung allerdings zu einem Legitimitätsdefizit führt, ist – so die zweite Erkenntnis – davon abhängig, wie zufrieden die Einzelne mit den repräsentativen Institutionen ist. Vor allem jene Bevölkerungsgruppen, die eine große Skepsis gegenüber den Leistungen der Regierung und der Politikerinnen aufweisen, fordern mehr direkten Einfluss der Bürgerinnen auf die Politik.
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Lehmann, P., Ritzi, C. (2020). Stärkt die direkte Demokratie die demokratische Legitimität?. In: Kneip, S., Merkel, W., Weßels, B. (eds) Legitimitätsprobleme. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29558-5_13
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-29558-5_13
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