Zusammenfassung
In der kommunikationswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medienaneignung und Medienhandeln lassen sich zwei Traditionen ausmachen: jene der Medienwirkungsforschung und jene der Medienrezeptionsforschung. Während sich die Medienwirkungsforschung für die Effekte von Massenkommunikation und die Wirkung von Medieninhalten auf Rezipientinnen und Rezipienten interessiert, richtet die Medienrezeptionsforschung ihren Blick auf die Aneignung, Verarbeitung und das Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten.
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Notes
- 1.
Die deutschen Begriffe ‚Medialiserung‘ und ‚Mediatisierung‘, ihre englischen Übersetzungen ‚mediatization‘ (z. B. Hepp 2012) und ‚medialisation‘ (z. B. Jackson et al. 2011) sowie der englische Begriff ‚mediation‘ werden innerhalb der Medien- und Kommunikationswissenschaft oft synonym verwendet (siehe dazu Krotz 2008 und Stöber 2008), wenngleich sich dahinter intensive theoretische Debatten (Steinmaurer 2016) sowie gegenseitige Abgrenzungsversuche und nicht nur Antworten auf diverse Fragen zu unterschiedlichen Dimensionen und Interrelationen des gesellschaftlichen und medialen Wandels verbergen. Die verschiedenen Positionierungen im deutschen Diskurs wurden von Michael Meyen (2009, S. 23–38) herausgearbeitet und zeitgleich setzte sich Sonia Livingstone (2009, S. 1–18) mit der ‚mediation of everything‘ sowie dem internationalen Diskurs über ‚mediatization‘ und ‚mediation‘ auseinander.
Meyen (2009) tritt für den Begriff der ‚Medialisierung‘ ein, einerseits, weil der Begriff der ‚Mediatisierung‘ in den Sozialwissenschaften und im Besonderen in der Geschichtswissenschaft bereits anders belegt ist (ebd. S. 26; gemeint ist die Mediatisierung bestimmter Territorien im Heiligen Römischen Reich bzw. der völkerrechtliche Begriff der ‚Mediatisierung‘ als Vertretung innerstaatlicher Akteure durch den Staat), und andererseits, weil er sich mit einem dezidierten Fokus auf „den Strukturwandel und den Bedeutungszuwachs von Massenmedienkommunikation als Motoren gesellschaftlicher Veränderungen“ (ebd. S. 35) von Vertreterinnen und Vertretern der Mediatisierungstheorie, die sich mit dem sozialen und kulturellen Wandel aus Perspektive immer komplexer werdender Kommunikationsumgebungen auseinandersetzen, abgrenzen will.
Auch Livingstone (2009) nimmt die Feinheiten des deutschsprachigen (und zum Teil auch von skandinavischen Kolleginnen und Kollegen vorangetriebenen) Diskurses zur Kenntnis, verweist aber vor allem auf die internationale Herausforderung, dass diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten nicht problemlos in alle Sprachen übersetzt werden können und plädiert schließlich für einen breiten Begriff der ‚mediation‘.
„I suggest that in this semantic seeking after new formulations, scholars are selecting different starting points to reach the assertion of not one but two grand claims are being made: first, the media mediate entering into and shaping the mundane but ubiquitous relations among individuals and between individuals and society; and second, as a result, the media mediate, for better or for worse, more than ever before. Writing in English, I prefer to conceive both these claims as central to the theory of mediation for this permits us not only to examine the empirical support for each claims but, more especially, to recognize their mutual relations and interdependencies“ (Livingstone 2009, S. 7; Hervorhebung im Original).
Im Rahmen der hier angestellten theoretischen Erörterungen werden ebenfalls beide Perspektiven auf die gesellschaftliche Relevanz von Medien als wichtig und einander ergänzend erachtet. Wenn im Folgenden die Begriffe ‚Medialisierung‘ oder ‚Mediatisierung‘ verwendet werden, werden diese nicht als einander ausschließend betrachtet, sondern vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Blicks auf die gesellschaftliche Relevanz von Medien als synonym behandelt. Dies geschieht allerdings immer vor dem Hintergrund einer Reflexion der theoretischen Konzepte, die mit den jeweiligen Begriffen verbunden sind.
- 2.
Übersetzungen ins Deutsche finden sich bei Oerter und Dreher (2002, S. 270) für die mittlere Kindheit und das Jugendalter sowie bei Freund und Nikitin (2012, S. 262) für das junge bis mittlere Erwachsenenalter.
- 3.
Die repertoireorientierte Forschungsperspektive hat ihre Ursprünge in der Fernsehforschung (Taneja et al. 2012, S. 954) und der Untersuchung von channel repertoires wie beispielsweise bei Heeter (1985; Heeter et al. 1983), Lochte & Warren (1989) oder Ferguson (1992; Ferguson und Perse 1993, 2000 ;Ferguson und Melkote 1997). Dieser spezielle Fokus auf das Medium Fernsehen wurde in weiterer Folge auf andere Medien ausgeweitet (z. B. betrachteten Reagan et al. 1995 die komplementäre Nutzung von Radio und Zeitungen) und kontinuierlich zu einer crossmedialen Perspektive hin erweitert (Yuan 2011, S. 1002; Jung et al. 2014, S. 354–355). Unterschiede zwischen früheren und aktuellen Auseinandersetzungen mit Medienrepertoires ist, dass diese heute nicht mehr nur rein deduktiv konstruiert werden, sondern zunehmend auch die Perspektive der Rezipientinnen und Rezipienten berücksichtigt wird.
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Trültzsch-Wijnen, C.W. (2020). Soziale und Individuelle Kontexte des Medienhandelns. In: Medienhandeln zwischen Kompetenz, Performanz und Literacy. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29534-9_2
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