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Was ist „Lebenslaufforschung“?

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Soziologische Lebenslaufforschung
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Zusammenfassung

Das Kapitel skizziert wissenschaftshistorisch zunächst die Herausbildung der soziologischen Lebenslaufforschung. Anschließend wird deren Grundidee des Lebenslaufs als einer sozialen Konstruktion präzisiert und eine theoretisch gehaltvolle Definition des Begriffs „Lebenslauf“ präsentiert und erläutert. Der letzte Abschnitt betont die zentrale Rolle der „Zeit“ bzw. Temporalität in der Lebenslaufforschung.

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Notes

  1. 1.

    Gleichwohl wirkt „Alter“ als Strukturierungsprinzip naturalisierend: es lässt die bestehende gesellschaftliche Ordnung nicht als sozial konstituierte, sondern natürliche erscheinen – und entpolitisiert sie damit. Die soziale Konstruktion von „Alter“ bzw. Altersgruppen ist – wie die von „Geschlecht“ – eine der „möglichen Formen der Naturalisierung von Gesellschaft. Naturalisierung heißt, dass von Menschen geschaffene gesellschaftliche Ordnungen sich als etwas Natürliches präsentieren, anders gesagt, dass Selbstverständlichkeit durch den Rekurs auf Biologisches gewonnen wird. (…) Dass jede Naturalisierung auch ein natürliches Element enthält, ist offensichtlich und macht ihre Plausibilität aus … Aber es ist nur der Grundstoff für die gesellschaftliche Konstruktion“ (Elwert und Kohli 1990, S. 4).

  2. 2.

    In diesem Zusammenhang wird oft auch Parsons genannt, der sich jedoch nur in einem einzigen Aufsatz (1942) direkt mit „Alter“ (und „Geschlecht“) als gesellschaftlichem Organisationsprinzip befasst hat.

  3. 3.

    Die Vernachlässigung dieser Strukturierungskriterien erklärt Linton mit deren „deceptive appearance of simplicity. The existence of age-sex categories is so obvious that their importance to social structure is likely to be overlooked“ (1940, S. 872 f.).

  4. 4.

    Ein anschauliches Beispiel für diese soziokulturelle Überformung und Konstruktion von „Alter“ bzw. Altersklassen lieferte Prins (1953), der in seiner Studie der Altersklassensysteme dreier ostafrikanischer Volksstämme zeigt, dass Übergänge zwischen Altersklassen nicht einfach vom – annähernd gleichen – chronologischen Alter der Individuen abhängen, sondern auch z. B. durch Patrilinearität (Eintritt in ein neues Altersklassensystem nur als Sohn eines aus der höchsten Altersklasse ausscheidenden Mannes), durch Heirat oder dadurch bestimmt sind, dass ein Mann keine Ehefrau mehr im gebärfähigen Alter und keine unbeschnittenen Kinder mehr hat.

  5. 5.

    Dieser Versuch erfolgte zunächst noch „typically from the perspective of a maturing or aging organism. (…) This perspective views the social context as a ‘scene or setting’ through which the person – loaded with his or her ‘natural predispositions’ – must pass“ (Elder und Shanahan 2006, S. 670).

  6. 6.

    „In jeder Gesellschaft besteht das Leben eines Individuums darin, nacheinander von einer Altersstufe zur nächsten und von einer Tätigkeit zur anderen zu wechseln. (…) Zu jedem dieser Ereignisse gehören Zeremonien, deren Ziel identisch ist: Das Individuum aus einer genau definierten Situation in eine andere, ebenso genau definierte hinüberzuführen. Da das Ziel das gleiche ist, müssen auch die Mittel, … wenn nicht in den Einzelheiten identisch, so doch zumindest analog sein. (…) So weisen die Zeremonien … eine allgemeine Ähnlichkeit auf“ (Gennep 1986, S. 15 f.).

  7. 7.

    Linton hatte sieben universale Altersgruppen postuliert, die „appear to be basic to all systems of age-sex classification …: Infant, boy, girl, adult man, adult woman, old man, old woman“ (1942, S. 593).

  8. 8.

    Unter bestimmten Umständen allerdings können gerade Jugendaltersgruppen auch „deviantes“ Verhalten entwickeln und sich damit als dysfunktional bzw. Problem für die Systemstabilität erweisen.

  9. 9.

    Der zweite kritische Aspekt ist – als Folge nicht gelungener Sozialisation – abweichendes Verhalten, das Parsons durch Sanktionierung korrigieren will.

  10. 10.

    Gleichwohl blieb das von der Ethnologie inspirierte universalistische Altersgruppenmodell des Strukturfunktionalismus noch geraume Zeit in der Soziologie verbreitet (Foner und Kertzer 1978).

  11. 11.

    In seinem Review der Forschungsarbeiten jener Jahre kam Elder zu dem Schluss, dass „the dynamic, cohort-historical perspective, with its lifespan framework, stands out as the single most important contribution in recent years to research on age differentiation in the life course“ (1975, S. 187).

  12. 12.

    Diese beiden linking-Prozesse „enable the role structure to persist and the performance of age-specific functions to continue, despite the succession of role-incumbents“ (Riley et al. 1972, S. 8) – eine zentrale Voraussetzung für Kontinuität und Fortbestand der Gesellschaft.

  13. 13.

    Thomas und Znaniecki waren der Auffassung, dass „personal life-records, as complete as possible, constitute the perfect type of sociological material“ (1919, S. 6). Nach dem Niedergang der Chicago School wurden biographische Verfahren nur in der (interaktionistischen) Devianzforschung weiter verwendet.

  14. 14.

    Obwohl diese (Wieder-)Endeckung biographischer Forschung in den verschiedenen Ländern „took place roughly at the same time …, it did not spread on the same ground. In each nation, it matched the fields of interest and the sociological – or, more broadly, intellectual – traditions of its practicioners“ (Chanfrault-Duchet 1995, S. 209; Bertaux und Kohli 1984). Eine ungebrochene Kontinuität biographischer Forschung gab es übrigens nur in der polnischen Soziologie (Kohli 1981, S. 283 ff.).

  15. 15.

    Noch immer wird Biographieforschung nicht theoretisch, sondern über spezifische Verfahren bzw. Daten, also bloß methodisch definiert: „alle Forschungsansätze …, die als Datengrundlage (oder als Daten neben anderen) Lebensgeschichten haben“ (Fuchs-Heinritz 2009, S. 9).

  16. 16.

    Die ersten Daten wurden um 1930 bei Fünftklässlern erhoben, die letzte Erhebung fand Anfang der 1980er Jahre statt. Datengrundlage von Elders Buch über die „Children of the Great Depression“ sind nur die Erhebungen der Oakland Growth Study bis Mitte der 1960er Jahre; Analysen, in die auch der Berkeley-Datensatz einging, publizierte Elder erst später (z. B. 1979).

  17. 17.

    Während Elder van Genneps „Les rites de passage“ nicht erwähnte, verwiesen Glaser und Strauss gleich zu Beginn ihres Buchs „Status Passage“ (1971) explizit darauf – obwohl dieses kaum etwas mit van Genneps Arbeit zu tun hat. Glaser und Strauss versuchten, eine formale Statuspassagentheorie zu entwickeln anhand einer Auflistung und Kategorisierung von Eigenschaften von Statuspassagen (wie z. B. Reversibilität, Zeitlichkeit oder Formung). Diese Theoretisierungsstrategie verfehlt letztlich aber gerade das, was van Genneps Arbeit konzeptionell interessant für die Lebenslaufforschung macht. Zwar taucht das Buch von Glaser und Strauss im Literaturverzeichnis vieler Lebenslaufstudien auf und ist der Begriff „Statuspassage“ weit verbreitet. Ihr (unsystematischer) Theoretisierungsversuch hatte allerdings keinen mit Elders Arbeit vergleichbaren Einfluss auf die Lebenslaufforschung.

  18. 18.

    Wobei die empirische Forschung allerdings – jedenfalls bislang – auf die Analyse längerer, einzelne Lebensphasen übergreifender Trajekte verwiesen ist, weil eine Untersuchung von Gesamtlebensverläufen voraussetzt, dass Längsschnittdatensätze existieren, in denen individuelle Leben über die gesamte Zeitspanne von der Geburt bis zum Tod erfasst sind.

  19. 19.

    Weiter oben wurde gesagt, dass sich etwa seit Mitte des 20. Jh. die psychologische life span development-Forschung und die soziologische Lebenslaufforschung separiert und nebeneinander her entwickelt haben. Wie Elders gerade zitierte Rede von psychosozialen Lebenslaufeffekten zeigt (s. auch Elder 1999, S. 318), bedeutet das natürlich keine völlige Abschottung dieser beiden Lebenslaufperspektiven gegeneinander. Es gab und gibt bis heute Lebenslaufforscher, in deren Arbeiten sich psychologische und soziologische Konzepte und Konzeptionen verschränken (neben Elder selbst z. B. Alwin 1994, 1995; Clausen 1986, 1991; Diewald 2006; Diewald et al. 2006; Heinz 2003; Sampson und Laub 1997; Shanahan 2000).

  20. 20.

    Einen informativen Überblick gibt ein ins Deutsche übersetzter Aufsatz von Elder und Caspi (1990). Zwei empirische Ergebnisse mögen die Intra- und Interkohortenvarianz der Lebenslaufeffekte infolge der Great Depression verdeutlichen. Innerhalb der Oakland-Kohorte z. B. veränderten starke ökonomische Einbußen des Haushalts die Beziehungs- und Rollenstruktur der Familie dergestalt, dass Mädchen vermehrt Haushaltsarbeit verrichten und Jungs (und Mütter) „dazuverdienen“ mussten, was sowohl dazu führte, dass diese Kinder im Vergleich zu denen aus weniger deprivierten Familien früher selbständig wurden als auch dazu, dass die Jungs aus stark deprivierten Familien frühzeitig das male breadwinner-Familienmodell übernahmen und lebenslang beibehielten, während das Leben der Mädchen dem female homemaker-Modell folgte. Zwischen den beiden Kohorten zeigten sich unterschiedliche Lebenslaufeffekte z. B. in „consistently greater developmental handicaps of the Berkeley deprived men in adolescence, the more adverse effect of economic hardship on their education, and a more troubled sense of psychological well-being among these men up to the 50s“ (Elder 1999, S. 318).

  21. 21.

    Die wissenschaftshistorische Darstellung war in diesem Unterkapitel auf die Herausbildung der Lebenslaufforschung innerhalb des sozialwissenschaftlichen Diskurses, d. h. ideengeschichtlich fokussiert. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang noch zwei weitere wissenschaftsinterne Aspekte, die bei der Entstehung der Lebenslaufforschung eine Rolle gespielt haben: zum einen Defizite in diversen Feldern der empirischer Sozialforschung, deren Beseitigung eine Lebenslaufperspektive nahelegte, wie z. B. in der Mobilitäts- und Ungleichheitsforschung (Mayer 1987, S. 55 ff.) oder der Sozialisationsforschung (Kohli 1980, S. 299 ff.), und zweitens Fortschritte und Innovationen im Bereich von Methodenentwicklung und Statistik im Hinblick auf die Berücksichtigung der Dimension „Zeit“.

    Bei der Herausbildung der Lebenslaufforschung im Verlauf der 1960er und 1970er Jahre spielten sicher auch wissenschaftsexterne Anstöße, d. h. gesellschaftliche Verhältnisse, Strukturen und Entwicklungen, eine Rolle: der im 20. Jh. zunehmend rapide soziale Wandel (1. Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, 2. Weltkrieg, Kalter Krieg, wirtschaftliche Prosperität, politisch-kulturelle Veränderungen im Gefolge etwa der Bürgerrechts-, Frauen-, Studenten- oder auch Hippiebewegung) mit seinen Auswirkungen auf das Leben der Individuen und die Gesellschaft sowie gravierende demographische Veränderungen, insbesondere die steigende Lebenserwartung und sinkende Fertilität, d. h. der Wandel der gesellschaftlichen Altersstruktur im Sinn einer alternden Bevölkerung (Elder et al. 2003, S. 5 f.).

  22. 22.

    Symptomatisch dafür der Name des 2009 aufgelegten internationalen Journals „Longitudinal and Life Course Studies“ (Bynner et al. 2009) bzw. der „Society for Longitudinal and Life Course Studies“. Man mag darüber spekulieren, ob die Zuflucht zu einem solchen Verständnis – vergleichbar der nach wie vor bloß methodischen Definition der Biographieforschung (s. die entsprechend Anmerkung im vorigen Unterkapitel) – dem Fehlen einer elaborierten und von der überwiegenden Mehrheit der relevanten scientific community akzeptierten Lebenslauftheorie geschuldet ist.

  23. 23.

    Aus diesem Grund werden die inhaltlichen Differenzen zwischen den zitierten Lebenslaufdefinitionen und deren konzeptionelle Konsequenzen hier überspitzt dargestellt – auch wenn das dazu führt, dass die Ausführungen dem Lebenslaufverständnis der zitierten Kollegen nicht gerecht werden: so ist die in (C) betonte institutionelle Lebenslaufprägung für (A) und (B) nicht völlig irrelevant, sondern scheint in der Formulierung „socially-embedded“ bzw. „socially defined“ auf; und auch das nur in (B) erwähnte Individuum als biographischer Akteur wird von den Verfassern von (A) und (C) nicht völlig ignoriert.

  24. 24.

    Generell zu den Unterschieden zwischen der nordamerikanischen und europäischen Lebenslaufforschung s. Hagestad (1991); Heinz und Krüger (2001); Marshall und Mueller (2003).

  25. 25.

    Der Aspekt der altersbezogenen Ereignis- und Positionsverkettungen ist in dieser Lebenslaufdefinition allerdings als „time-dependent social configuration“ etwas knapp formuliert.

  26. 26.

    In diesem Sinn sehen z. B. auch Dannefer und Uhlenberg die Lebenslaufforschung als ein Feld, das „encompasses phenomena representing at least three levels … of analysis: (1) the individual level …, (2) the level of social aggregation …, and (3) the cultural or symbolic level“ (1999, S. 313). Diese dritte Ebene beschreibt den Lebenslauf als Institution: als ein „set of social rules and practices and as a socially objectivated idea that has plausibility in a given societal context as a set of publicly shared meanings and expectations for the course of human lives“ (Dannefer und Kelley-Moore 2009, S. 404).

  27. 27.

    Das insbesondere von der nordamerikanischen Lebenslaufforschung vernachlässigt wird (kritisch dazu aber z. B. Dannefer 2011).

  28. 28.

    So steht – um das zu konkretisieren – eine Gesellschaft z. B. immer wieder vor der Herausforderung, sich zu reproduzieren und nachwachsende Generationen zu integrieren. Zur Bearbeitung dieser Aufgabe hat sich im Verlauf der soziokulturellen Evolution die Institution „Familie“ – in welcher konkreten Form auch immer – herausgebildet.

  29. 29.

    Dass dieses Regelsystem der zeitlichen Dimension des Lebens – wie jede andere Institution auch – historisch variabel (Institutionenwandel) und soziokulturell und politisch konstituiert ist, bedarf keiner Erläuterung.

  30. 30.

    Im dreigliedrigen Schulsystem Deutschlands erfolgt diese institutionelle Weichenstellung, die gravierende Konsequenzen für den weiteren Lebenslauf impliziert, schon nach der Grundschule bzw. Orientierungsstufe (Ausnahme: Integrierte Gesamtschule), d. h. vergleichsweise früh im Alter von zehn bis zwölf Jahren.

  31. 31.

    Berufs- und Erwerbsverläufe z. B. lassen sich nur umfassend analysieren, wenn familiale bzw. Beziehungskontexte und –dynamiken nicht ausgeblendet werden. Diesbezüglich kritisieren Moen und Han die konzeptionelle Segmentierung der Soziologie: „Scholars have been victims of the very social institutions they purport to study, using taken-for-granted classifications and definitions to frame the focus of their research (…): occupational and organizational sociologists (as well as economists) have charted work careers …; family sociologists have concentrated on‘family’ careers“ (2001, S. 425). Im Unterschied dazu steht die Lebenslaufforschung für ein konzeptionelles „refraiming of life paths, from a concentration of either work or family transitions and trajectories to considering work lives and family lives as lives in tandem“ (ebd.).

  32. 32.

    Ohne ein solches Moment wäre die strukturelle Präformierung von Lebensläufen in der Tat deterministisch – und sozialer Wandel nicht möglich: der demographische Metabolismus würde sich dann in der identischen Reproduktion existierender Gesellschaftsstrukturen erschöpfen. Dieser Punkt tangiert eine für die Sozialwissenschaften fundamentale Problematik: die Frage der menschlichen Willens- und Handlungsfreiheit im Rahmen gegebener Gesellschaftsstrukturen. Auf diese grundlagentheoretische bzw. philosophische Frage kann hier nicht näher eingegangen werden – wer sich für das Thema interessiert, sei zum Einstieg auf einen Aufsatz von Beckermann (2012) verwiesen, der einen Überblick über die unterschiedlichen philosophischen Positionen dazu bietet.

  33. 33.

    Um das mit dem von Blossfeld und Huinink selbst angeführten Beispiel zu illustrieren: „Ein unverheiratetes Paar könnte sich etwa zuerst für eine Heirat entscheiden und sich dann zu einem Kind entschließen. Die Frau könnte dann schwanger werden und vor der Geburt des gewünschten Kindes könnte das Paar heiraten. In diesem Fall würden wir im Rahmen von quantitativen Lebensverlaufsanalysen das Schwangerschaftsereignis vor dem Heiratsereignis beobachten und auf dieser Grundlage die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass der Eintritt der Schwangerschaft das Heiratsereignis erhöht. Tatsächlich aber ist die Heiratsentscheidung vor dem Eintritt der Schwangerschaft gefällt worden, so dass zwischen dem Schwangerschafts- und dem Heiratsereignis keine Kausalbeziehung besteht. Die Analyse würde zu falschen Schlussfolgerungen führen“ (2001, S. 24).

  34. 34.

    Auf die fortdauernden Auseinandersetzungen mit der und über diese structure-agency-Problematik in der soziologischen Theoriediskussion (und die Verbindung dieser ontologischen Fragestellung mit der methodologischen Mikro-Makro-Problematik) kann hier nicht weiter eingegangen werden.

  35. 35.

    In solch empirischen Untersuchungen kommen den beiden Kausalitätsrichtungen dann – selbstverständlich theoretisch begründet – unterschiedliche und wechselnde Gewichtungen zu.

  36. 36.

    Dem entsprechend ist ihr Aufsatz „The life course approach – it’s about time!“ betitelt; ähnlich programmatische Titel finden sich z. B. auch bei Alwin (1995) oder Hendricks (2001).

  37. 37.

    Selbstverständlich wird das individuelle und soziale Leben auch durch eine natürliche Zeitdimension beeinflusst (z. B. durch Tag-Nacht-Wechsel oder die biologische „innere Uhr“ des Menschen; das wohl bekannteste Beispiel für die Relevanz des menschlichen Biorhythmus ist die seit Jahren geführte Diskussion um den Schulanfang bzw. die chronobiologisch begründete Forderung nach einem späteren Unterrichtsbeginn). Zwar weist die natürliche Zeitdimension, vor allem die Chronobiologie, auch soziologisch relevante Implikationen auf (s. dazu die gut lesbaren Einführungen von Zulley und Knab 2003 und Roenneberg 2010) – eine soziologische Lebenslaufforschung interessiert sich jedoch weniger für diese natürliche Zeitdimension als vielmehr für sozial konstituierte Zeitebenen.

  38. 38.

    Mead zufolge haben Vergangenheit und Zukunft Bedeutung, ja existieren nur in Bezug auf eine Gegenwart, die ereignisbezogen, d. h. emergent wie auch ephemer ist (Flaherty und Fine 2001).

  39. 39.

    Natürlich existieren Synchronisierungsprobleme auch innerhalb der individuellen Zeitdimension: etwa wenn jemand eine bestimmte berufliche Position im Unternehmen noch nicht erreicht hat, obwohl das seiner berufsbiographischen Planung und Einschätzung zufolge längst überfällig und verdient wäre. Oder umgekehrt: jemand schätzt sich selbst als noch nicht „reif“ genug ein, die berufliche und soziale Position, auf die er befördert wurde, auch wirklich ausfüllen zu können – die neue Position kommt in Bezug auf die berufsbiographische Planung des Beförderten selbst zu früh.

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Wingens, M. (2020). Was ist „Lebenslaufforschung“?. In: Soziologische Lebenslaufforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28951-5_2

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