Zusammenfassung
Der Beitrag präsentiert einige Überlegungen zur aktuellen Profilbildung im Leistungsbereich Lehre von Hochschulen. Mit „Forschungsorientierung“ und „Forschendem Lernen“ haben sich in Lehrstrategien und Lehrprofilen Leitbegriffe etabliert, welche an ein traditionelles universitäres Selbstverständnis anschließen und für unterschiedliche Hochschulkonzeptionen attraktiv sind.
Mit den Projekten an der Universität Bremen wird die Profilbildung als gemeinsames Vorhaben verstanden – das Lehrprofil entwickelt sich als lokales Experimentierfeld und Austauschforum.
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Notes
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Die Hochschultypen integrieren je in sich unterschiedliche Fachgebiete und Studienangebote, bisweilen bestehen bedeutsamere Gemeinsamkeiten mit Studiengebieten anderer Hochschultypen. Um dies an Beispielen zu konkretisieren: Die traditionelle Medizinische Fakultät teilt mit ihrer Professionsorientierung einige zentrale Gemeinsamkeiten mit dem Hochschultypus Fachhochschule, umgekehrt zeigen sich innerhalb der Fachhochschulen gerade auch bezüglich „Berufsorientierung“ grosse Differenzen.
Auch von der im Slogan angesprochenen Gleichwertigkeit kann bei den unterschiedlichen Berechtigungen, welche mit den Studienabschlüssen an den unterschiedlichen Hochschultypen verbunden sind, nicht die Rede sein.
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Die oben erwähnte Darstellung Lenzens wird mit der kritischen Einschätzung gerade auch betreffend der Umsetzung der Bologna-Reform abgeschlossen: „Nach 1945 wird spätestens jede Form der funktionalen Differenzierung verknüpft mit einer formalen Entdifferenzierung, die faktisch dazu führt, dass die funktionalen Differenzen zum Verschwinden gebracht werden.“ Lenzen 2017, S. 873.
Allerdings – und darauf macht beispielsweise die Darstellung von Antonio Loprieno aufmerksam, folgen die Hochschulen unterschiedlichen Leitbegriffen, was zu deutlich unterschiedlichen Ausprägungen der Hochschulen führt (vgl. Loprieno 2016).
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„Differenzierung“ ist bereits in früheren Publikationen des Wissenschaftsrats bedeutsames Thema, so zum Beispiel in den Überlegungen zur Rolle von Universitäten (2006) und Fachhochschulen (2010) im deutschen Hochschulsystem.
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Die 1575 gegründete Universität Leiden ließ 1610 durch Willem Swanenburg vier Kupferstiche anfertigen, welche einige Trümpfe der Ausstattung zeigen sollen – gewissermassen als Werbeprospekt: Anatomisches Theater, Bibliothek, Botanischer Garten und Fechtsaal. Die universitätsgeschichtliche Bedeutung dieser Darstellungen liegt auch darin, dass damit eine „forschungsorientierte Infrastruktur“ gezeigt wird. Lehre, so die Botschaft, wird als Laboratorium verstanden.
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Der Studienführer der ZEIT beispielsweise beinhaltet ebenfalls ein Ranking (CHE-Ranking), das die Wahl des Studienortes unterstützen soll. Es richtet sich in dieser Funktion insbesondere an Studierende und berücksichtigt entsprechend andere Kriterien als die internationalen Forschungsrankings.
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Für Herzog (2012) ist diese fehlende „Wettbewerbsarena Lehre“ dann auch ein Grund für die sich nur schwach entwickelnde Professionalisierung der Lehre. Denn: „Eine Professionalisierung der Lehre ist (allerdings) auf eine funktionierende Wettbewerbsarena angewiesen.“ (S. 234) Und entsprechend folgert er: „Es erscheint plausibel, dass extrinsisch motivierte Forschungsorientierungen als Folgeerscheinung zunehmender wettbewerblicher Tendenzen wie der Drittmittelfinanzierung der Hochschulen, leistungsbezogener Besoldung, der Zunahme von Rankings oder der Exzellenzinitiative und der damit einhergehenden sinkenden Bedeutung der Lehraufgaben gewertet werden können.“ (S. 242) Bereits vor Jahrzehnten hat Carol Hagemann-White auf „perverse Verhältnisse“ hingewiesen, die sich daraus ergeben: „Man kann die Verhältnisse nur pervers nennen. Es gibt keine andere Möglichkeit, den Beruf eines Hochschuldozenten zu erlernen, als die, eine zeitlich befristete Stelle zur Ausübung dieses Berufs zu übernehmen. Wer aber während dieser Zeit tatsächlich seine Kräfte den Aufgaben eines Lehrenden widmet (…), wird mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Beruf nicht ausüben können.“ (Hagemann 1976, S. 90).
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Auch im deutschsprachigen Raum haben einige Hochschulen eine besondere Ausprägung im Bereich der Lehre erarbeitet. Dazu gehören beispielsweise die Universität Lüneburg oder die Universität Hohenheim.
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Und entsprechend müssten dann beispielsweise Qualitätssysteme darauf ausgerichtet sein zu prüfen, ob die selbst gesteckten Ziele auch tatsächlich erreicht wurden.
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Gabi Reinmann (2018) hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass der Wissenschaftsrat in seiner Argumentation keine genügende Unterscheidung trifft zwischen Organisation und Institution und damit beispielsweise Verantwortlichkeiten für die Lehrentwicklung in einigen Passagen unangemessen zuweist.
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Tremp, P. (2020). Vom Experimentierfeld zum Lehrprofil – Forschendes Lernen als Leitidee. In: Hoffmeister, T., Koch, H., Tremp, P. (eds) Forschendes Lernen als Studiengangsprofil. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28825-9_2
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