Zusammenfassung
In einem Aufsatz von 2011 schreibt Martti Koskenniemi, das Völkerrecht sei zwar durch ein europäisches politisches Vokabular geprägt, im Hinblick auf seine Problemfelder und seine Geschichte allerdings vornehmlich eine „deutsche Disziplin“: Deutsch(sprachig)e Völkerrechtstheoretiker hätten die Disziplin in einer Weise geprägt, wie es von englischen, französischen oder US-amerikanischen Juristinnen und Juristen nicht behauptet werden könne (Koskenniemi 2011, S. 45f.). Koskenniemis Beobachtung, nach der das moderne Völkerrecht und seine Wissenschaft von genuin deutschen Traditionslinien geprägt sei – es also so etwas wie eine deutsche Wurzel des Völkerrechts und entsprechend eine deutsche Völkerrechtsgeschichte geben könnte –, deckt sich mit Äußerungen anderer WissenschaftlerInnen, die in Fachdiskursen zuweilen von genuin deutschen Traditionslinien des Völkerrechts und der Völkerrechtspolitik sprechen (vgl. Bogdandy 2006; Bianchi 2016, S. 44). Als Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrags lässt sich also fragen: Gibt es so etwas wie eine deutsche Tradition im Völkerrecht? Welche Charakteristika können ihr zugeschrieben werden? Inwiefern also gibt es typisch „deutsche“ Zugänge zum Völkerrecht? Und – weil von einem monolithischen, starren Diskurs nicht auszugehen ist – wie haben sie sich im Verlauf der Moderne entwickelt und verändert?
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