Zusammenfassung
Die Fallstudie informiert detailliert über die Kompetenzen und Tätigkeit des Leipziger Migrantenbeirats, der erhebliche Handlungsressourcen hat. Der tatsächliche Einfluss auf die kommunalpolitischen Entscheidungsprozesse hängt allerdings von einer Fülle von Faktoren ab. Dazu gehören die enge Anbindung der Beiratsgeschäftsstelle an die Stadtverwaltung und damit administrative Kapazitäten, die zu einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung führen. Entscheidend ist auch die Einstellung der Stadträte zum Beirat, das heißt ihre Responsivität zu den Anliegen des Gremiums. Als förderlich kann sich auch eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit erweisen. Ein weiterer zentraler Faktor ist die Herstellung der internen Kohäsion und die gemeinsame Meinungsbildung des Gremiums, die aufgrund der heterogenen Zusammensetzung viel Zeit erfordert.
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Notes
- 1.
Im Folgenden wird die Kurzform „Migrantenbeirat“ genutzt.
- 2.
Aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet dieser Beitrag auf die Nennung von beiden Geschlechtern (zum Beispiel „Migranten und Migrantinnen“). Unabhängig von der jeweiligen Formulierung sind stets alle Geschlechter gemeint.
- 3.
Der Ausländeranteil schließt alle Leipziger mit Migrationshintergrund ein, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder staatenlos sind, wie EU-Ausländer und ihre Familienangehörigen, Personen mit Niederlassungserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsgestattung (Asylbewerber) und Geduldete. Darüber hinaus erfasst die Stadt Leipzig auch den Anteil an Deutschen mit Migrationshintergrund. Hierzu zählen alle Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und eine primäre Migrationserfahrung haben oder als Nachkommen von Zuwanderern in zweiter oder dritter Generation in Leipzig aufgewachsen sind. Diese beiden Werte setzen sich wiederum zum Migrantenanteil zusammen (Stadt Leipzig 2016).
- 4.
In der VII. Wahlperiode (2019–2024) sind im Leipziger Stadtrat sechs Fraktionen vertreten: Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, AfD, SPD und Freibeuter (Zusammenschluss aus drei FDP-Stadträten und einem Stadtrat der Piratenpartei).
- 5.
Zuletzt kritisierte einer der Mitinitiatoren und langjähriges Mitglied des Migrantenbeirates in einem offenen Brief die Vorgehensweise der Stadtverwaltung scharf. Diese würde versuchen, den Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2014 „auszuhebeln“ und ein „eine Art ‚Zwei-Klassen-Wahl‘“ einzurichten, bei der einige Mitglieder direkt gewählt, andere aber nach wie vor vom Stadtrat ernannt werden (Abidine 2019).
- 6.
Der Mitarbeiter organisiert unter anderem Räumlichkeiten für die Sitzungen, stellt Tagesordnungen, Vorlagen und Anträge für Beschlüsse zur Verfügung, protokolliert die Treffen und pflegt die Protokolle in das Ratsinformationssystem der Stadt ein, lädt Referenten aus der Stadtverwaltung, Stadtpolitik und Zivilgesellschaft ein und bereitet die Anträge des Beirates vor. Zudem ist der Referatsleiter (oder ein Stellvertreter) bei allen Sitzungen anwesend, um den Beirat mit dem notwendigen Fachwissen beratend zu unterstützen.
- 7.
Die Übersichten der Tab. 1, 2 und 4 wurden mithilfe der Ratsinformationssysteme der Stadt Leipzig (eRIS; ALLRIS), der Tätigkeitsberichte und Protokolle des Migrantenbeirates erstellt. Da nicht zweifellos davon ausgegangen werden kann, dass alle Vorlagen und Anträge in den Systemen zu finden sind, sind die Übersichten nicht abschließend. Die Einreichungen sind jeweils nach Themengebieten strukturiert. Bei den behandelten Themen handelt es sich häufig um politikfeldübergreifende Sachfragen, weshalb die Vorlagen bzw. Anträge dem Themenfeld zugeordnet wurden, das der im Vordergrund stehenden kommunalen Aufgabe entspricht.
- 8.
Ursprünglich war es gar nicht vorgesehen, dass der Beirat eigenständig Anträge in die Ratsversammlung einbringen kann. So ist in seiner Geschäftsordnung festgehalten: „Der Migrantenbeirat leitet Anliegen, Stellungnahmen und Empfehlungen über seine Geschäftsstelle an die Fachausschüsse, den Stadtrat oder die Verwaltung weiter“ (Stadt Leipzig 2009, S. 1). Eine „Neuinterpretation“ der Sächsischen Gemeindeordnung, auf deren Grundlage die Geschäftsordnung des Beirates formuliert wurde, ermöglicht dem Beirat seit 2010 nunmehr, „selbst Anträge an den Stadtrat zu stellen und diese in den Ausschüssen und in der Ratsversammlung zu vertreten“ (Migrantenbeirat 2012, S. 4).
- 9.
Um eine verzerrte Darstellung zu vermeiden, wurden die Ergänzungs- und Änderungsanträge nicht einzeln gezählt, sondern unter der jeweiligen Vorlage subsumiert. Die neun Änderungs- und Ergänzungsanträge unter den insgesamt 25 Einreichungen reduzieren sich so auf 20 Anträge (siehe hierzu Tab. 1).
- 10.
2017 beschloss der Stadtrat, die existierende halbe Stelle (0,5 Vollbeschäftigtenäquivalent) auf eine Dreiviertelstelle (0,75 Vollzeitäquivalent) aufzustocken.
- 11.
Siehe Fußnote 8.
- 12.
Houses of Resources sind Einrichtungen, die existierende interkulturelle und integrative Angebote und Akteure in Kommunen über die Bereitstellung von Räumen und Technik, aber auch Workshops und Qualifizierungsangeboten unterstützen.
- 13.
Besonders eindrücklich zeigt sich dies am Beispiel der Direktwahl: Seit seiner Gründung 2009 forderte der Beirat unnachgiebig seine Direktwahl ein. Über einen eigenen Antrag setze er das Thema 2014 auf die Agenda des Stadtrates und konnte einen positiven Beschluss erwirken. Im Frühjahr 2019 reichte die Verwaltung ein (bereits überarbeitetes) Wahlkonzept für den Migrantenbeirat ein, das die direkte Mitgliederwahl mit der Ernennung durch den Stadtrat kombiniert (VI-DS-06063-DS-01-NF-01). Dieses modifizierte Verfahren lehnte der Migrantenbeirat im Herbst 2019 nach kontroverser Diskussion ab. Aktuell formulieren die Beiratsmitglieder einen Änderungsantrag zum Verwaltungsvorschlag.
- 14.
In Sachsen erfolgt dies zum Beispiel über das „Netzwerk der MigrantInnenbeiräte in Sachsen“ und den „Landesbeirat Integration“ im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz.
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Neumann, A. (2020). Kommunale Beiräte für Migration und Integration: Migrantische Mitgestaltung der Lokalpolitik am Beispiel des Leipziger Migrantenbeirates. In: Egner, B., Sack, D. (eds) Neue Koalitionen – alte Probleme. Stadtforschung aktuell. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28452-7_10
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