1 Kommunikation als Amt?

„Öffentliche Verwaltung – Verwaltung in der Öffentlichkeit?“ – bereits der Titel des Bandes, in dem dieser Beitrag erscheint, verweist auf ein zentrales Problem der Kommunikation öffentlicher Verwaltung. Er führt nämlich zu der Frage, ob das abschließende Fragezeichen angebracht ist: Kann sich Verwaltung Öffentlichkeit entziehen? Schon einfache Realitätsbeobachtung reicht aus, um diese Frage zu verneinen, weil es auf der Hand liegt, dass sich Organisationen öffentlicher Beobachtung nicht willentlich entziehen können: Sie können übersehen oder ignoriert werden, im nächsten Augenblick aber wieder Gegenstand von Beobachtung sein. Denn es ist immer der Beobachter, der drüber entscheidet, ob und was er beobachten will. Dies gilt auch für öffentliche Verwaltungen. Und selbst dann, wenn etwa die Entscheidung einer öffentlichen Verwaltung erwartet wird, diese aber ausbleibt, wird der Beobachter genau dies zu seiner Information machen, die dann Einfluss auf seine Meinungsbildung nimmt.

Dahinter steckt nichts anderes als ein allgemein bekanntes Prinzip: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (S. 51), heißt es schon seit einem halben Jahrhundert bei Watzlawick et al. (1969), genauer: Beobachter können Verhalten wie Nicht-Verhalten immer dann als Information behandeln, wenn sie ein Informationsinteresse daran haben. Organisationen und damit auch öffentliche Verwaltungen müssen Meinungsbildung über sich zwangsläufig in Kauf nehmen und über sich ergehen lassen, ob sie wollen oder nicht. Eine Entscheidung hierüber liegt immer im Auge des Beobachters. Um sich eine Meinung zu einem Sachverhalt zu bilden, bedarf es keiner offiziellen oder inoffiziellen Mitteilung eines Absenders. Wer ein Meinungsbildungsinteresse hat, wird immer etwas finden, was in seinen Augen Aussagekraft besitzt, und sei es die Nicht-Mitteilung. Für eine öffentliche Verwaltung bedeutet dies, dass auch vom Verzicht auf eine Mitteilung, vom Versuch getrieben, ausgeblendet zu bleiben oder sich abzuducken, immer eine Botschaft ausgeht, die zur Information werden kann und dazu dann meist auch noch negativ bewertet wird.

So gesehen hat das besagte Fragezeichen doch seine Berechtigung: Dann nämlich, wenn danach gefragt wird, ob die Kommunikationsarbeit von Verwaltungen, mit der sich ‚Presseämter‘ oder anders benannte Einrichtungen öffentlicher Verwaltungen zum kommunikativen Umgang mit deren Themen, Sachverhalten und Problemen befassen, den Herausforderungen der Funktionslogiken und Sachzwängen der digitalen Kommunikations- und Medienwelt gewachsen ist. Nur Sprachrohr zu sein oder eine von hauseigenen Wünschen getragene Verlautbarungspolitik zu betreiben war gestern. Heute kommt es darauf an, kommunikative Zusammenhänge zwischen innen und außen zu verstehen, ehe sich ein Sachverhalt oder Thema kommunikationsstrategisch sinnvoll behandelt lässt. Und erst an dieser Stelle kommt dann zum Tragen, dass öffentliche Verwaltungen nicht irgendein beliebiger Typ von Organisation sind, sondern Teil des Gemeinwesens mit besonderen Rahmenbedingungen und Herausforderungen, denen sich dieser gerade im Zusammenhang mit Kommunikation bewusst sein muss, um sich ihnen stellen zu können.

2 Herausforderung

Unter öffentlicher Verwaltung verstehen wir hier den Teil der Exekutive, welcher der politischen Führung zuarbeitet und politische Aufträge umsetzt (Machura 2005, S. 355): Die Verwaltung exekutiert, was politisch entschieden worden ist. Dieses gilt gleichermaßen auf Bundes- wie auf kommunaler Ebene und greift damit die nationale Spannbreite ab, die hier im Weiteren beispielhaft herangezogen wird. Auf Bundesebene stehen Minister an der Verwaltungsspitze, auf kommunaler Ebene (Ober-)Bürgermeister, die neben der Verwaltung auch Rat oder Senat vorstehen: Die Verknüpfung zwischen politischer und administrativer Ebene ist hier also besonders eng. Eine administrative Rechenschaftspflicht besteht immer gegenüber der übergeordneten Einheit, in der Spitze also gegenüber einem Minister bzw. einem (Ober-)Bürgermeister. Der Umgang mit Mitteilung und Information ist in Verwaltungsverfahrensgesetzen (VwVfG) in Form von Auskunftspflichten geregelt. Daneben sichert das Pressegesetz Journalisten ausdrücklich einen Auskunftsanspruch zu, den diese im Interesse des Bürgers bzw. dem öffentlichen Interesse, wahrnehmen. In Nordrhein-Westfalen will ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG NRW) zudem den freien Zugang zu den in der öffentlichen Verwaltung vorhandenen Informationen gewährleisten, indem es Voraussetzungen festlegt, unter denen diese zugänglich gemacht werden (Forschungsstelle Recht im DFN 2015, S. 2).

In diesen kurzen Ausführungen steckt bereits die Krux der öffentlichen Verwaltungskommunikation: Sie ist bürokratisch gedacht. Begriffe wie ‚Auskunftsanspruch‘ und ‚Auskunftspflicht‘ machen dies deutlich. In vielen Fällen ist die Anlage und Umsetzung von öffentlicher Verwaltungskommunikation bürokratisch geprägt, wie Alltagserfahrungen und Alltagsbeispiele zeigen, über die Medien berichten. Dieses als bürokratisch empfundene Verhalten steht häufig im Widerspruch zu öffentlichen Erwartungen, mit denen öffentlicher Verwaltung begegnet wird. Gemeint ist die Vorstellung, dass öffentliche Verwaltung das Gemeinwesen aller verwaltet und die Allgemeinheit deshalb grundsätzlich einen Anspruch auf Transparenz und Rechenschaft besitzt. Sie leitet sich dem im Grundgesetz verankerten Hierarchiekonzept ab, wonach alle Macht vom Volke ausgeht, von diesem also folglich an Politik und von dieser an öffentliche Verwaltung delegiert wird, worin der bekannte Soziologe Luhmann, selbst zuvor im Verwaltungswesen sozialisiert, eine Paradoxie entdeckte:

„Nach der offiziellen Darstellung müsste es so sein, dass die Macht von ihrer ‚Quelle‘, dem Volke ausgeht, von dort über die politisch verantwortlichen (gewählten) ‚Repräsentanten‘ des Volkes dem Verwaltungsstab zufließt, der dann das Volk nicht mehr als Einheit, sondern nur noch als Summe von Individuen oder Gruppen sieht, und weisungsgemäß auf diejenigen, die ihm unterworfen sind, Macht anwendet. Die Einheit des Systems kommt dann in der Paradoxie zum Ausdruck, dass das Volk zugleich Souverän und sein eigener Untertan ist. Durch Aufteilung in Volk, Politik, Verwaltung und Publikum = Volk wird diese Paradoxie dann über Unterscheidungen in ein Kreislaufmodell aufgelöst, das zur Schießung des Kreislaufes vorsieht, das Publikum Volk könne in der politischen Wahl auf die Art reagieren, wie es durch die Verwaltung behandelt wird.“ (Luhmann 2000a, S. 256 f.)

Das Paradox spiegelt die Ohnmacht dieser Macht, wie sie heute in Politikverdrossenheit, Haltungen und Erfahrungsberichten im Umgang des Souveräns ‚Bürger‘ mit öffentlicher Verwaltung zum Ausdruck kommt. Werden aus diesem Kreislauf umgekehrt Ansprüche abgeleitet, dann ist dies der Anspruch der Bürger auf Legitimierung von politischem und daran anschließendem administrativem Handeln, was wieder in einem Anspruch auf Transparenz und Rechenschaft mündet. Dies mag aus der Verwaltungspraxis heraus als eine naive, praxisfremde Vorstellung erscheinen, weil sie dem dort gewachsenen, bürokratisch geprägten Habitus im Umgang mit Kommunikation nicht entspricht. Der Anspruch war aber Anliegen genug für Regelungsversuche, wie die des schon genannten IFG NRW, die sich zum Ziel gesetzt haben, Bürgern einen umfassenderen Anspruch auf Zugang zu Informationen über die Tätigkeiten staatlicher Stellen zu gewährleisten:

„Bezweckt wird damit eine kontrollier- und berechenbarere Gestaltung der Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung und deren Entscheidungen für die Bevölkerung. Insoweit sollen die öffentliche Verwaltung transparenter und ihre Entscheidungen besser nachvollziehbar werden, was letztendlich in einer größeren Akzeptanz des Handelns staatlicher Organe münden soll. Für die Bürger soll in diesem Zusammenhang ferner eine Mitwirkung sowie Kontrolle der staatlichen Exekutive ermöglicht werden, um zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen und damit einen grundlegenden Bestandteil des demokratischen Systems zu gewährleisten.“ (Forschungsstelle Recht im DFN 2015, S. 2)

Ausdrücklich eingefordert werden hier Offenheit und Transparenz. Nun sind derartige normative Forderungen im Kontext von Public Relations nicht neu, ganz im Gegenteil. Bezogen auf die Kommunikation von Unternehmen durchziehen sie die einschlägige Fachliteratur in Deutschland von deren Anfängen (Hundhausen 1951, S. 162) bis heute (Ruisinger und Jorzik 2013, S. 6). Auch hier muss gefragt werden, wie realistisch derartige Forderungen sind und wie sie am Ende gemeint sein können. Denn aus PR-wissenschaftlicher Perspektive unterliegen Offenheit und Transparenz mindestens drei einschränkenden ‚K‘-Bedingungen (Szyszka 2015, S. 224):

  • Konsistenzbedingung: Mit zunehmender Transparenz werden die daran von Bezugsgruppen oder Öffentlichkeit geknüpften Erwartungen konkreter und Interpretationsspielräume enger.

  • Kontingenzbedingung: Entscheidungen sind immer so oder anders möglich, die gewählte Entscheidungsoption begünstigt eine und diskriminiert alle anderen möglichen Entscheidungsoptionen.

  • Konkurrenzbedingung: Transparenz von Entscheidungen, insbesondere von Motiven und Strategien, liefert Wettbewerbsinformationen, aus denen Andere wettbewerbsstrategische Vorteile ziehen können (Szyszka 2015, S. 224)

In allen drei Fällen macht auch die öffentliche Verwaltung bei genauer Betrachtung keine Ausnahme, wie später gezeigt wird. Bei der geforderten Transparenz kann es sich deshalb immer nur um eine an wechselseitigem Nutzen und konfliktarmer Koexistenz orientierte Transparenzanforderung handeln, die im integrativen Theorieansatz als funktionale Transparenz bezeichnet und auf den Umgang mit partikularen Interessen bezogen wird (Szyszka 2015, S. 223 f.) – alles andere wäre wirklichkeitsfremd. Daneben bestehende standesethische Transparenzforderungen werden heute auf Absender- und Quellentransparenz eingegrenzt, „soweit dies die rechtlichen Bestimmungen und die Verschwiegenheitsverpflichtungen gegenüber den jeweiligen Arbeits- oder Auftraggebern zulassen“ (Bentele und Rosenthal 2012, S. 2). Es wird also zu fragen sein, was dies für die Kommunikation öffentlicher Verwaltungen bedeutet.

Und noch ein weiterer Aspekt muss heute in Rechnung gestellt werden: Die Vielfalt und Unüberschaubarkeit der Informationsangebote in der modernen Medien- und Netzöffentlichkeit sorgen dafür, dass nicht alles, was öffentlich ist, auch tatsächlich öffentlich wahrgenommen wird und wahrgenommen werden kann (Jünger 2018, S. 4). Denn der vermeintlichen Transparenz durch ein Informationsüberangebot steht die natürliche Begrenztheit von Aufmerksamkeits- und Informationsverarbeitungspotenzialen gegenüber. Umgekehrt impliziert dies aber auch, dass etwas sich in einer breiteren Öffentlichkeit verbreiten kann, was nicht für einen breiteren Informationszugang bestimmt ist, Transparenz also ungewollte Reichweite erlangen kann. Beides ist Risiko und Chance zugleich. Und auch hier ist zu fragen, was dies für die Kommunikation öffentlicher Verwaltungen bedeutet, die nicht partikularen, sondern einem allgemeinen öffentlichen Interesse zu dienen hat.

3 Verwaltung und Öffentlichkeit

Die Geschichte der Kommunikationsarbeit öffentlicher Verwaltungen geht in Deutschland bis in die Anfänge der PR-Arbeit in den Jahren nach Ablösung des Absolutismus zurück. Hier richtete der Preußische Staat 1816 unter Hardenberg ein „Literarisches Büro“ ein, um mit den neuen, sich emanzipierenden Öffentlichkeitsstrukturen umgehen zu können. Es befasste sich in der sich zunächst nur in kleinen Schritten demokratisierenden Gesellschaft mit Pressebeobachtung und Pressebeeinflussung, ging dabei sehr restriktiv vor und musste dann innerhalb eines Jahrhunderts lernen, sich substanziell mit Presse, Öffentlichkeit und Bürgern auseinanderzusetzen – hier liegen im Übrigen die Wurzeln der deutschen PR-Entwicklung (Szyszka 2011, S. 20 f.). Die Grundgedanken von Pressebeobachtung und Pressebeeinflussung als Aufgabe der PR öffentlicher Verwaltung blieben aber bestehen.

Die ersten kommunalen Presseämter entstanden zwar schon vor dem Ersten Weltkrieg in Freiburg i. B. und Magdeburg (1906), Berlin, Guben und Kattowitz (1908) (Herbst 1923, S. 15), haben also eine mehr als einhundertjährige Tradition. Eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema blieb allerdings weitgehend aus. So geht es beispielsweise in aktueller Literatur zur ‚Kommunikation in der öffentlichen Verwaltung‘ um interne Kommunikations- und Arbeitsformen (Schleiken 2015), bei ‚Bürgerkommunikation auf Augenhöhe‘ um deren Gestaltung mit dem Ziel besserer Verständlichkeit (Ebert und Fisiak 2018) oder um eine ‚Gratwanderung‘ entlang rechtlicher und normativer Schranken (Busch-Janser und Köhler 2006), was wiederum Denkweisen von Verwaltung im Umgang mit Kommunikation repräsentiert. Kommunikationspolitische Fragen und Anforderungen, die uns hier interessieren, wurden dagegen kaum diskutiert oder allgemein gehalten (Ingenhoff 2016). Lediglich bei Herger (2004, S. 170 ff.) findet sich an prominenter Stelle ein kurzes Teilkapitel zu öffentlichen Verwaltungen; auch dieses ist allerdings eher deskriptiv als analytisch.

Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive hat lediglich Ronneberger (1981, S. 13 ff.) vor etwa vier Jahrzehnten (!) in einer kurzen ‚Einführung‘ auf einige Probleme der PR-Arbeit öffentlicher Verwaltungen hingewiesen:

  1. 1.

    Sie stehe vor dem Problem, allgemeine Staatsinteressen und spezielle Verwaltungsinteressen in Beziehung zu bringen, was nicht leicht zu vermitteln sei.

  2. 2.

    Sie müsse Sprachrohr- und Hörrohr-Funktion besitzen, um unterschiedliche Interessenlagen zu kennen und Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche zu verstehen.

  3. 3.

    Sie müsse die wesentlichen Bezugsgruppen identifizieren, um deren Interessen zu kennen und hierauf eingehen zu können.

  4. 4.

    Sie müsse akzeptieren, dass auf dem Markt öffentlicher, publizistischer Diskussionen für alle Organisationen und Personen dieselben Gesetze gelten, was auch für den Umgang mit kritischem Journalismus gelte.

  5. 5.

    Ziel müsse es sein, dem Bürger zu vermitteln, das Verwaltungshandeln das allgemein Beste, das Wohl aller anstrebe, auch wenn dies im Einzelfalle als Nachteil erscheine.

  6. 6.

    Auf Dauer könne nicht erwartet werden, dass sich auch das Image der öffentlichen Verwaltung verbessere, wenn nicht alle Beamten wüssten, wie man sich gegenüber der Öffentlichkeit verhält.

Die bei Ronneberger (1981) angeführten Punkte führen nur grob an die Problematik heran; wesentlich erscheint der vierte Punkt, der nichts anderes aussagt, als dass in der Öffentlichkeit alle Akteure bei Fragen nach Information und Transparenz an den gleichen Maßstäben gemessen werden – diesem Umstand sollte sich auch die Kommunikationsarbeit öffentlicher Verwaltungen bewusst sein, wenn sie die Anlage ihrer eigenen Arbeit und die Reaktionen von Bürgern, Öffentlichkeit, Journalisten und anderen Meinungsbildnern bewertet.

3.1 Öffentliche Verwaltung als Organisationssystem

Schauen wir uns dazu zunächst das kommunikative Wirkungsfeld der Public Relations öffentlicher Verwaltungen im weiteren und engeren Sinne an. Öffentliche Verwaltung ist ein Organisationstyp. Nach Niklas Luhmann (2000b, S. 62 f.) bestehen und reproduzieren sich Organisationen durch Kommunikation und zwar durch einen ganz bestimmten Typ von Kommunikation: der Kommunikation von Entscheidungen: Die Art und Weise, wie sie kommunizieren, sorgt entsprechend für die Art und Weise, wie sie sich reproduzieren. Sie sind Strukturen, die durch aneinandergereihte Entscheidungen und deren Kommunikation Bestand haben und sich fortschreiben, dabei weiter eingetretenen Pfaden folgen oder neue Wege beschreiten können. Im Sinne strukturationstheoretischer Überlegungen bedingt Struktur reproduzierend Handlungen und begrenzt und ermöglicht diese in gleicher Weise, wie Handlung auf Struktur zurückwirkt und diese modifiziert (Röttger 2005, S. 13). Bildlich gesprochen bilden Entscheidungen, die im Namen von Organisationen getroffen werden und kommunikativ vermittelt werden oder von außen auf sie einwirken, Ereignisepisoden, die aneinander anschließen, sich zu einer (Entscheidungs-)Geschichte verketten und so die Geschichte der Organisation, in unserem Fall einer Verwaltung, deren Entwicklungsrichtung in einem bestimmten Rahmen offen ist, fortschreiben.

Substanziell geprägt werden Persönlichkeit und Geschichte einer Organisation überindividuell von deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Organisationstypus und individuell von deren Eigenheit im Umgang mit Ereignissen, ihrem Habitus: Öffentliche Verwaltung ist also stereotyp zunächst in der Persönlichkeitswahrnehmung von Bürgern und Öffentlichkeit immer Verwaltung und Bürokratie. Unterschiedliche Organisationstypen, so kann unterstellt werden, gewähren und benötigen dabei unterschiedliche individuelle Gestaltungsspielräume – dieser Punkt wird im Weiteren zu beleuchten sein. In der öffentlichen Wahrnehmung öffentlicher Verwaltungen lassen sich Vorstellungen und Erwartungen sehr schön am ‚unpersönlichen‘, am i. d. R. überpersönlich gemeinten Begriff ‚Behörde‘ ablesen, mit dessen Verwendung viel überindividuelle Determination und wenig individuelle Gestaltungsspielräume unterstellt werden.

Die Differenz in der Einheit von Systemtypus und Habitus macht Organisationen wie ihre Organisationseinheiten zu individuellen sozialen Adressen, die intern wie extern als Teile eines übergeordneten Organisationssystems, hier der öffentlichen Verwaltung, wahrgenommen werden. Jede „Behörde“ ist also Teil des Ganzen, hat aber auch die Chance, sich unter Ausschöpfung ihrer Rahmenbedingungen eigenständig zu profilieren und in ihrer Besonderheit wahrgenommen zu werden. Geprägt werden sie dabei von den Menschen, die rollen- und regelgebunden in ihrem Namen auftreten, Haltungen vertreten, Entscheidungen treffen, kommunizieren und umsetzen: Sie gestalten als Repräsentanten mit ihrem Verhalten in sozialen Begegnungen mit dem behördlichen Umfeld das Bild einer Behörde in den Köpfen ihrer Interaktionspartner, wobei sie Vorurteile und Stereotype tradieren, irritieren oder modifizieren können.

Der aufmerksame Leser wird schon merken, wo diese Argumentation hinführen soll: Rollen bestehen immer aus Rollenerwartungen einer Organisation an den Rollenträger und dessen konkreter, von eigenen Möglichkeiten und Dispositionen geprägter Rollenerfüllung, mit der diese Person ihre Rolle ausfüllen kann und will. Für öffentliche Verwaltungen kann dabei eine Dominanz von organisationaler Rollenerwartung gegenüber individueller Rollenerfüllung unterstellt werden, was zu der Art öffentlicher Wahrnehmung führt, die öffentliche Verwaltung häufig erfährt: Dies gilt der allgemeinen Beobachtung nach in der Regel auch für die PR öffentlicher Verwaltungen. Es führt zu der Frage, ob eine so verstandene PR-Arbeit nicht nur zu öffentlichen Akzeptanzproblemen führt, sondern weiterreichender, ob sie dem mit öffentlicher Verwaltung verbundenen Leistungsauftrag in Wirklichkeit auch gerecht werden kann. Zweifel scheinen hier angebracht.

3.2 Fallbeispiel (1)

Um die Problematik zu verbildlichen, ein Fallbeispiel: Es ist real und aktuell, Ort und Region spielen dabei keine Rolle, denn es könnte sich vermutlich so oder ähnlich jederzeit überall in Deutschland ereignen.

Ein Kreistag hat in einem langjährigen Entscheidungsprozess beschlossen, die sieben Krankenhausstandorte des Landkreises neu zu ordnen: künftig in ein Großklinikum, dessen Standortfrage offen ist und, wie nicht anders zu erwarten, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird, zwei Fachkliniken, die in ähnlicher Form bestehen, aber verkleinert werden sollen, sowie vier bisherige Klinken, die künftig als Portalklinken noch über Notaufnahme und Erstversorgung sowie eine eigene Fachabteilung verfügen sollen. Dem Ganzen geht bereits ein langjähriger, von Leistungskonzentration gekennzeichneter Umstrukturierungsprozess voraus, in dem Krankenhausabteilungen zusammengelegt und an einzelnen Standorten geschlossen wurden: Das Thema hat über einen Zeitraum von zehn Jahren viel Medienresonanz erfahren, ist als Entwicklungsgeschichte in der Öffentlichkeit also präsent. Bevölkerungsreaktionen zeigen, dass der Prozess nicht nur als Veränderung, sondern auch als ein Prozess sukzessiver Verschlechterung der Gesundheitsversorgung des Landkreises angesehen und das Thema damit negativ belegt ist. Die aktuelle Diskussion dreht sich um zwei Punkte der Entscheidung: die Suche nach einem neuen Standort für das Zentralklinikum, weil der bestehende, innerstädtische Standort als nicht weiter ausbaufähig eingestuft wird, und die vier künftigen Portalklinken, an deren kleinstädtischen Standorten hierin ein massiver Eingriff in die örtliche Gesundheitsversorgung gesehen wird.

Die „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ oder kurz „Pressestelle“, wie es in dieser Kreisverwaltung in der Darstellung auf der Website auch heißt, hat den Prozess über die Jahre mit Pressemitteilungen und Pressegesprächen begleitet und über die Entscheidungen des Kreisrats ebenso ordnungsgemäß berichtet wie über den begonnenen Prozess einer Standortsuche und die dabei angelegten Kriterien. Dazu gab es Veranstaltungen zur Bürgerinformation. Das mediale Klima zu diesem Thema hat sich vor allem im Kontext besagter Entscheidungen deutlich verschlechtert. Die Medienresonanz ist kritisch, Leser- und Hörerstimmen in Lokalmedien und Hörfunk sind durchwegs negativ. Dies begeistert weder Räte noch Verwaltung und setzt die Pressestelle von allen Seiten unter Druck.

Die Kollegen der Pressestelle beklagen hinter vorgehaltener Hand, dass die Medien berichten, was sie wollen und sie für wesentliche Argumente des Umstrukturierungsprozesses, allen voran der Druck der Kostenträger, der die Finanzierung einer weitmaschigen Krankenhausinfrastruktur absehbar nicht mehr zulasse, medienseitig überhaupt kein Gehör finden würden. Dies gelte auch für Bürgerinformationen, die gerade in jüngerer Zeit an den verschiedenen Standorten stattgefunden hätten und in denen sich die Besucher wenig zugänglich für die Entscheidungsgründe des Kreisrats gezeigt hätten. Bürgerbeteiligungsprozesse werden von Verwaltung und Pressestelle ausdrücklich abgelehnt, weil darin kein Mittel zu mehr Austausch und Bürgernähe, sondern ein Hindernis für zügige Planung und Umsetzung gesehen wird; dies hätte die Auseinandersetzung mit Bürgerinitiativen und zivilgesellschaftlichen Organisationen an anderen Stellen schon gezeigt, so die Argumentation. Die Strategie zum Umgang hiermit: Seit jüngstem werden Informationen und Argumentationen zu diesem und anderen Landkreisthemen via Facebook „an den Medien vorbei“ verbreitet, so die Aussage.

Das Fallbeispiel macht bis zu diesem Punkt zwei Dilemmata deutlich. Zunächst: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sitzt hier nicht nur zwischen Baum und Borke, sie sitzt auch zwischen den Stühlen. Räte entscheiden mit Mehrheiten – und dies durchaus auch politisch getrieben –, Verwaltungen haben das so Entschiedene unabhängig von dessen öffentlicher Akzeptanz umzusetzen. Und: Alle diese Prozesse basieren auf Kommunikation; nachgeordnete Gestaltungsspielräume sind begrenzt. Luhmann hat dazu leicht ironisch festgestellt: „Die speziell administrative Kommunikation innerhalb der öffentlichen Verwaltung (…) befasst sich mit dem Spielraum, den die Ausführung formaler Weisungen lässt, mit schriftlicher Dokumentation (Aktenführung) und mit der Frage, was in die Akten kommt und was nicht“ (2000a, S. 255) – begrenzte Gestaltungsspielräume eben. Die Problematik im Zusammenspiel der „Sphären von Verwaltung und Politik“ hat Machura skizziert, wenn er feststellt:

„Eine Grenze zwischen beiden ist schwer zu ziehen. Allgemein kann gesagt werden, dass grundsätzliche Entscheidungen sowie Einzelentscheidungen von herausragender Bedeutung den politischen Amtsträgern vorbehalten sein sollten. Der Verwaltung bleiben insoweit die dienenden Funktionen der Entscheidungsvorbereitung und der Ausführung. Diese Vorstellung ist aber in höchstem Maße problematisch. Wer die Entscheidungsalternativen auswählt und die Informationsgrundlagen zusammenstellt, kann die politische Entscheidung durchaus lenken. Der hohe Sachverstand der kontinuierlich und spezialisiert in bestimmten Aufgabenbereichen arbeitenden Verwaltung kann hier den Ausschlag zugunsten einzelner Politiken geben. Der Vollzug von politischen Entscheidungen (…) ist zudem nicht frei von Gestaltungsmöglichkeiten. Auf dem langen Weg vom politischen Programm oder dem Legislativakt zu den ausführenden Organisationseinheiten kann der Inhalt der Aktionen abgewandelt werden.“ (Machura 2005, S. 357)

Die Beziehungen zwischen Politik und Verwaltung laufen in einer gemeinsamen Führungsspitze zusammen – im vorstehenden Beispiel einem Landrat –, der den Rat leitet und die Verwaltung führt. In diese Dreiecksbeziehung ist Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eingebettet, was Abb. 1 durch den Kreis in der Mitte des Dreiecks andeuten soll. In unserem Fallbeispiel besitzt sie – wie offenbar vielerorts – eine Sprachrohr-Funktion für politische Entscheidungsprozesse und deren konkrete Umsetzung (Mittelachse), worüber sie öffentlich Mitteilung macht, damit geforderte Transparenz schafft und gegenüber der Verwaltungsspitze rechenschaftspflichtig ist. In dieser Funktion kann sie nur Entscheidungen kommunizieren und Verhalten erläutern, auf die Prozesse selbst aber keinen Einfluss nehmen, auch nicht im Sinne einer Fachexpertise. Im Sinne des Luhmann-Zitats (2000a, S. 256 f.) ist sie der Verkünder guter wie schlechter Nachrichten über Sachverhalte, die sie zwar selbst nicht zu verantworten hat, deren öffentliche Wahrnehmung und Bewertung aber dennoch in vielen Fällen als Indikator für die ‚Qualität‘ der geleisteten PR-Arbeit herangezogen wird.

Abb. 1
figure 1

(Eigene Darstellung)

Zusammenwirken von Rat und Verwaltung.

3.3 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Verwaltungen

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, wie es vielfach bei öffentlichen Verwaltungen heißt, ist eine Form oder ein Typ von PR-Arbeit oder Public-Relations-Management. Dieses dient dem Umgang mit öffentlichen Meinungen. Eine bekannte und international anerkannte PR-Definition verbindet damit das Ziel des „An- oder Einpassen[s] einer Organisation an deren gesellschaftliches Umfeld“ (Long und Hazleton 1987, S. 6).Footnote 1 Ronneberger (1977, S. 21 f.) hat dazu schon vor über vier Jahrzehnten sinngemäß festgestellt, dass sich in öffentlicher Resonanz die Legitimität der Aktivitäten einer Organisation spiegele und PR-Arbeit der Vermittlung damit verbundener Organisationsinteressen diene: Über öffentliche Meinung wirke dies auf Organisationen zurück und beeinflusse die Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz von Verhalten und Zielsetzung. Ronneberger (1977) dachte dabei an Unternehmen und betonte deren partikulare Interessen, die in öffentlicher Kommunikation kritisch geprüft und geteilt oder bestritten würden. Übertragen wir dies auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Verwaltungen.

Das zugrunde liegende Verständnis von PR-Arbeit in öffentlichen Verwaltungen spiegelt der nicht erst heute vorwiegend im Bereich öffentlicher Verwaltungen verwendete Terminus „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“. Beide Begriffsteile des Kompositums entstammen dem klassischen PR-Praxisvokabular der Nachkriegszeit; vor dem Dritten Reich wurde von „Nachrichtenamt“ und „amtlicher Pressestelle“ gesprochen und das Amt bzw. amtliche daran betont (Szyszka 1990, S. 128 ff.), was auch heute noch in vielen Fällen das Denken zu prägen scheint. Während die Begriffe Pressearbeit und Öffentlichkeitsarbeit im allgemeinen Praxisverständnis vielfach als Synonyme verwendet werden und das Kompositum folglich eine Tautologie sein müsste, hat es im Kontext öffentlicher Verwaltungen durchaus seine Berechtigung. Ausgehend von Auskunftspflicht und Auskunftsberechtigung wird dort nämlich zwischen zwei kommunikativen Verbreitungswegen unterschieden:

  • Pressearbeit (heute teilweise als Medienarbeit bezeichnet) als Umgang mit Journalismus und Medien (Doppeladressierung: Journalismus/Publikum) und

  • Öffentlichkeitsarbeit als Informations- und Aufklärungsarbeit der öffentlichen Verwaltung gegenüber Bürgern mittels Informationsbroschüren, -materialen, periodischen Publikationen, Veranstaltungen und vielem mehr (Direktadressierung: Publikum); auf staatlicher Ebene fallen hierunter auch Informations-, Aufklärungs- und Imagekampagnen (z. B. in den Bereichen Gesundheit oder Umwelt).

Auf der Ebene von Maßnahmen und eingesetzten Instrumenten unterscheidet sich die Kommunikationsarbeit öffentlicher Verwaltungen nicht von der anderer Organisationstypen, denn diese ist immer zweck- und nicht organisationstypgebunden. Dabei gilt auch hier das bekannte Gestaltungsprinzip: Form folgt Funktion – und eben diese Funktion ist es, die ggf. Unterschiede setzt. Dies bedeutet: Wenn die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Verwaltungen eine dienende Funktion hat, dann lässt sich dies als Sprachrohr- oder Verlautbarungsfunktion zum Umgang mit Auskunftspflichten und Auskunftsberechtigungen und zur Schaffung einer an Gemeininteressen orientierten Transparenz der Grundlagen und der Arbeit öffentlicher Verwaltungen interpretieren. Sie ist in der externen Kommunikation, so legt es mangels empirischer Befunde die Alltagsbeobachtung nahe, vor allem in einem dienenden Sinne operativ-ausführend tätig. Aber muss dies zwangsläufig so sein?

Wird dies mit modernen Anforderungen an die externe Kommunikation von Unternehmen verglichen, dann werden dort i. d. R. drei Funktionselemente ausgewiesen:

  • eine Beobachtungsfunktion, die sich mit allgemeinen, insbesondere auch die eigene Organisation betreffenden Entwicklungen in Öffentlichkeit, öffentlicher Kommunikation und Meinungsbildung befasst,

  • eine Beratungsfunktion, die Entscheider auf der Basis von PR-Fachexpertise über mögliche kommunikative Konsequenzen anstehender Entscheidungen und von Entscheidungsoptionen sowie möglicherweise notwendigen Entscheidungen aufgrund von Entwicklungen in Kommunikation und Meinungsbildung in der Öffentlichkeit und bei Stakeholdern unterrichtet, und

  • eine Mitteilungs- und Interventionsfunktion, die Informationsangebote unterbreitet, Stellung bezieht, Positionen erklärt, Themen promotet und mehr, um auf Prozesse der Kommunikation und Meinungsbildung in der Öffentlichkeit und bei Stakeholdern einzuwirken.

Dabei geht es im Kern immer um Themen, Interpretationen, Sinnzuschreibungen, Bewertungen und darauf basierendes Beziehungskapital, bei Mitteilung und Intervention zusätzlich um Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, in drei unterscheidbaren Kommunikationssituationen:

  • Angebotssituationen, in denen Aufmerksamkeit und Wahrnehmung für häufig niederschwellige Themen gewonnen werden muss,

  • Routinesituationen, in denen kontinuierlich, periodisch oder punktuell Informationspflichten erledigt werden, und

  • Nachfragesituationen, in denen es häufig um Konflikte und Kontroversen geht, für die öffentliche Verwaltungen mit ihrem „verzweigten und sensiblen Umfeld“ (Ingenhoff 2016, S. 267) als besonders „anfällig“ (Ingenhoff 2016, S. 267) gelten.

3.4 Rahmenbedingungen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Verwaltungen

Die Frage ist nun, ob oder inwieweit das Vorstehende auch für die öffentliche Verwaltung gilt, die öffentliche und damit Gemeininteressen vertritt. Gelten hier die gleichen funktionalen Rahmenbedingungen? Oder handelt es sich hier um einen andersartigen Typus von PR-Arbeit, der kommunikationsstrategisches Vorgehen eingrenzt oder gar überflüssig macht? Kommunikative Umgangsformen wie ‚Verlautbarung‘ oder ‚Erklärung‘, die im behördlichen Kontext gerne mit Auskunftspflicht in Beziehung gesetzt werden, legen dies zumindest nahe.

Während der operative Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Verwaltungen – wir sprechen zur Vereinfachung im Weiteren hier von PR-Arbeit – mit allen drei Kommunikationssituationen konfrontiert ist, deutet vieles darauf hin, dass im Alltag der ‚PR-Arbeit öffentlicher Verwaltungen‘ – wir machen es hier im Weiteren wie im Verwaltungsdeutsch und kürzen den Begriff ab als ‚PRöffVer‘ – die operativ geprägten Beobachtungs- und Mitteilungs-/Interventionsfunktion dominieren, während die Beratungsfunktion eine nachgeordnete bis keine Rolle spielt, zumindest soweit es sich um strategische Beratung von politischen Entscheidungsträgern über die kommunikative Vermittelbarkeit von Entscheidungsoptionen handelt.

Oder anders ausgedrückt: Während andere Teile öffentlicher Verwaltung über die Entwicklung von Entscheidungsvorlagen teilweise maßgeblichen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen können, ist dies bei PR-Arbeit nicht der Fall. „Was wollen die denn auch, die machen Presseinformationen und reden mit Journalisten“ ist ein Satz, der mir so oder sinngemäß aus mehr als einem derartigen Beratungsprozess im Ohr klingt. Dabei ist die Antwort einfach – eine qualifizierte personelle Besetzung vorausgesetzt könnten sie Auskunft geben über die soziale Akzeptanz der öffentlichen Verwaltung, ihrer Haltungen und Entscheidungen, über Akzeptanzprobleme und mögliche Lösungswege – wir werden noch im zweiten Teil des Fallbeispiels darauf zurückkommen.

Um sich der Problematik weiter anzunähern, müssen zunächst die Rahmenbedingungen der PRöffVer näher betrachtet werden. Bei Unternehmen und Verbänden scheinen die funktionalen Grundausrichtungen klar zu sein: Kommunikationsarbeit dient in Falle von Unternehmen – wie andere Organisationsfunktionen auch – der Vertretung von Partikularinteressen, im Falle von Verbänden organisiert und vertritt sie ein mehr oder weniger partikulares Gruppeninteresse. In beiden Fällen ist PR-Arbeit hier Wettbewerbskommunikation zum Umgang mit Themen und Meinungen in einem gesellschaftlich-pluralistischen Handlungsfeld, das von Interessenkonkurrenz gekennzeichneten ist. Ziel ist es bei Verbänden, den vertretenen Organisationen einen möglichst weitreichenden Handlungsrahmen zu verschaffen, bei Unternehmen diesen Handlungsrahmen möglichst weitreichend auszuschöpfen.

Öffentliche Verwaltungen vertreten dagegen Gemeininteressen. Die damit verbundene Gemengelage wird nochmals komplizierter als etwa bei Verbänden. Verantwortlich hierfür sind der Entstehungsprozess von Entscheidungen und die mit der Kommunikation von Entscheidungsprozessen und Entscheidungen verbundenen Erwartungen:

  • Der Ablauf von Entscheidungsprozessen und die Richtung(en) möglicher Entscheidungslinien werden in der öffentlichen Verwaltung vorbereitet; der Einfluss von Gruppen- und Partikularinteressen kann an dieser Stelle ausgeblendet bleiben. Prozess und Entscheidung sind durch politische Mehrheiten und politische Aushandlung vorgezeichnet und enden in vielen Fällen mit einer Kompromissformel.

  • PRöffVer soll von ihrem Anspruch her „den Bürger objektiv, umfassend und überparteilich informieren“ (Liebert 2015, S. 623), und sich parteipolitisch enthalten, weshalb sich Fraktionen ihrer eigenen PR-Leute bedienen sollen. Der Anspruch ist eine sachliche und neutrale Information und deren Erläuterung. Auch hier geht es um eine funktionale Transparenz im Sinne einer dem Gemeininteresse zweckdienlichen Transparenz. Die schwierige Gemengelage ergibt sich dabei daraus, dass sich funktionale Transparenz hier auf einer Schnittstelle zwischen den durchaus heterogenen Informationsinteressen der Bürger (allgemeines Interesse vs. Betroffenheit), der geregelten Auskunfts- oder – weniger behördlich ausgedrückt – Mitteilungsverpflichtung der öffentlichen Verwaltungen und dem für die Akzeptanz von Thema, Anliegen, Prozess und Entscheidung notwendigen Transparenzbedarf bewegt, für deren Inhalte im Gemeinwesen nicht grundsätzlich bzw. auf breiter Ebene mit Zustimmung gerechnet werden kann.

3.5 Handlungsspielräume der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Verwaltungen

Was bedeuten Akzeptanz- und Transparenzbedarf nun für die Kommunikation öffentlicher Verwaltungen, die hier Bürgeransprüchen genügen muss? Prinzipiell müsste sich eine den Gemeininteressen verpflichtete Kommunikation ursächlich an den Informationsinteressen von Bürgern orientieren und zwar nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch zeitnah und an den heute in der digitalisierten Welt differenzierten medialen Nutzungsgewohnheiten orientiert – eine Verkündigung in Amtsblättern etwa löst diese Verpflichtung nicht ein.

Diesen Ansprüchen der Öffentlichkeit und der dem deutschen Presserecht nach Öffentlichkeit vertretenden journalistischen Medien stehen die Interessen und Funktionslogiken öffentlicher Verwaltungen und der dort im Hintergrund wirkenden Kräfte gegenüber. Aus berufspraktischer Perspektive von PR-Arbeit bildet nicht nur die Vermittlung zwischen beiden Seiten eine Herausforderung, sondern auch der Umgang mit den differenten Interessenlagen innerhalb beider Seiten. Das schöne deutsche Sprichwort „Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die keiner kann“ gilt hier sowohl auf interner Ebene von Prozessen und Entscheidungen wie auf externer Ebene deren Kommunikation. Sich auf eine an Mitteilungsverpflichtungen orientierte, bürokratische PR-Arbeit zurückzuziehen, kann dabei ebenso wenig eine Lösung sein wie eine sehr weitreichende und offene, unterschiedliche oder teilweise falsche Erwartungen weckende Kommunikationsarbeit.

Deshalb soll im Folgenden anhand der drei K-Bedingungen geprüft werden, welchen Bedingungen die Kommunikationsarbeit öffentlicher Verwaltungen in diesem Kontext unterliegt, welche Rolle PRöffVer hier im Verhältnis zwischen Organisation und Öffentlichkeit einnimmt und, ob, oder in welchem Maße auch sie strategisch angelegt sein kann oder müsste. Dabei sind zwei Sachverhalte vorauszuschicken. Kontingenz, Konsistenz und Konkurrenz beziehen sich immer auf Entscheidungen, Verhalten und das damit verbundene kommunikationsstrategische Vorgehen, d. h. nicht auf Kommunikation allein, da Kommunikation in diesem Kontext sonst Selbstzweck wäre. Dazu gibt es für kommunikative Probleme grundsätzlich keine Musterlösungen; dies gilt umso mehr, wenn beide Seiten von uneinheitlichen Interessen- und Motivlagen geprägt werden.

Kontingenz

Jeder Prozess und jede Entscheidung sind grundsätzlich immer auch anders möglich; ob sie dabei auch immer gegensätzlich oder nur optional anders möglich wären, ist eine ganz andere, an dieser Stelle unerhebliche Frage. Kontingenz bedeutet, dass es immer Optionen geben wird, gegenüber denen in der Öffentlichkeit unterschiedliche Vorbehalte oder Realisierungserwartungen bestehen, am Ende aber bei allen eingegangenen Kompromissen immer nur eine Option zum Zuge kommen kann und alle anderen, einschließlich anderer Kompromisslinien, verworfen werden. Die bis zur Entscheidung bestehende Unsicherheit, was entschieden wird, erledigt sich mit der Entscheidung. Anders als bei Unternehmen, die bei Entscheidungsweg, -motiven und -optionen keiner kodifizierten Transparenzverpflichtung unterliegen, sind öffentliche Verwaltungen dazu verpflichtet, diese offenzulegen. Bürgerbeteiligung ist hier keine strategische Option, sondern Systemspielregel. Da in vielen Fällen unterschiedliche Bürger unterschiedliche Interessen haben und von anstehenden Entscheidungen unterschiedlich begünstigt bzw. benachteiligt werden, entsteht an dieser Stelle das verwaltungstypische Kontingenzproblem der Kommunikation von Unsicherheit. Dieses stellt die am Prozess beteiligten politischen Entscheider und Administratoren vor eine besondere Herausforderung. Für deren Kommunikatoren wird dies zu einer kaum lösbaren Herausforderung, wenn sie nicht in diese Prozesse eingebunden sind, sondern nur über sie berichten sollen.

Aufgabe der Kommunikatoren der PR-Arbeit wäre es, sich nicht nur mit den kommunikativen Konsequenzen der unterschiedlichen Entscheidungsoptionen auseinanderzusetzen, sondern in ihrer Beobachterfunktion im Kontext einer anstehenden Entscheidung auch Probleme und Erwartungen in den verschiedenen Teilen von Öffentlichkeit nach den dahinterliegenden Motiven zu hinterfragen. Diese Informationen wären wesentlich, um diese Gruppen später thematisch und inhaltlich adäquat adressieren und sich mit ihnen in der Sache auseinandersetzen zu können. In ihrer Beratungsfunktion müsste PR-Arbeit dies zur Verwaltung und zu politischen Entscheidern zurückspielen, sich also in der ganzen Ausdehnung des ‚Verwaltungsdreiecks‘ (siehe Abb. 1) bewegen, um ihnen weiterreichende Entscheidungsgrundlagen und Argumentationshilfen an die Hand zu geben – der gewählte Konjunktiv deutet schon an, dass hier unseres Erachtens in der Praxis größere Defizite bzw. wenig ausgeschöpfte Entwicklungspotenziale bestehen.

Dort, wo die PRöffVer nur eine Mitteilungs- oder Verlautbarungsfunktion hat, werden diese Optimierungsmöglichkeiten nicht nur verschenkt. Im Grunde benehmen sich Räte und Verwaltungen damit auch der Möglichkeit der Spiegelung ihrer Entscheidungs- und Umsetzungsabsichten im Fremdbild von Bürgerinteressen. Sie verlassen sich auf Selbstbilder und vernachlässigen damit ggf. die eigentlichen Bürgerinteressen und -motive, die sie zu kennen glauben, aber nicht wirklich kennen. Wir werden beim zweiten Teil des Fallbeispiels gleich darauf zurückkommen.

Konsistenz

Jeder Prozess und jede Entscheidung betrifft immer nur einen Realitätsausschnitt, ist in diesen eingebunden und verfügt hierbei sowohl über eine auf Erfahrungen beruhende Vorgeschichte wie über Kontinuitätserwartungen, wie sich diese Geschichte ‚aller Voraussicht nach‘ weiterentwickeln wird. Konsistenz meint in diesem Zusammenhang Beständigkeit als die Erwartung, dass sich Prozesse und Entscheidungen inhaltlich in einem bestimmten Erwartungskorridor vollziehen und dies formal in gewohnter, erwartbarer Weise. Die damit in der Öffentlichkeit verbundenen Bewertungen können gleichermaßen positiv wie negativ belegt sein, denn immer bestehen Gruppen, die mit der Entscheidung oder der Art und Weise des Umgangs mit den betreffenden Sacherhalten zufrieden sind, sich damit arrangiert haben oder eben damit unzufrieden sind. Dahinterliegende Erwartungen sind deshalb darauf ausgerichtet, dass alles beim Alten bleibt oder sich etwas entscheidend verändert.

Daraus entsteht ein von unterschiedlichen Motiven, Interessen und Einschätzungen getriebener Erwartungskorridor, innerhalb dessen sich auf inhaltlicher Ebene ein Themenfeld bewegt und abgegrenzt werden kann. Dieses Themenfeld mit seinen Haupt- und Subthemen, den damit jeweils verbundenen Problemen und Problemlösungserwartungen und -motiven lässt sich in systematischer Kommunikationsanalyse aufschließen. Im Sinne verständigungsorientierter Öffentlichkeitsarbeit (Burkart 2010) lassen sich Zusammenhänge verstehen und Probleme ausdifferenzieren (Szyszka 2010, S. 157). Problemlösungen – soweit möglich – können dann aber nur auf der Ebene von Entscheidungen und der Kommunikation von Entscheidungen (Erklärung, Interpretation) stattfinden. Vor allem können auf diesem Weg akzeptablere Entscheidungsoptionen und darauf bezogene, proaktive Kommunikationsstrategien entwickelt werden – im Gegensatz zum Fallbeispiel, wo der Prozess sehr schnell in eine reaktive Kommunikationssituation ‚umgekippt‘ ist.

Gleiches gilt für die eingangs mit dem Begriff bürokratisch charakterisierten Kommunikations- und Umgangsformen. Auch hier geht es um den Umgang mit Kontinuitätserwartungen: Einerseits dürfte in vielen Fällen erfahrungsgemäß von der PRöffVer bei Medien und Öffentlichkeit nichts anderes erwartet werden als bürokratische Kommunikation, behaftet mit Vorurteilen und allgemeinen Akzeptanzbarrikaden. Andererseits bietet gerade dies die Chance, bei einer Änderung des Kommunikations- und Umgangsstils weg von Verlautbarung und hin zu in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen heute üblichen, effektiveren Formen einer dialogorientierten Kommunikation überzugehen. Dies setzt allerdings erneut ein entsprechendes Mandat der PRöffVer und eine entsprechende Kompetenz und Ausstattung voraus.

Konkurrenz

Im Kontext von Unternehmen und Verbänden meint Konkurrenz, dass Informationen über anstehende Entscheidungen und die letztendliche Richtung einer Entscheidung organisationspolitisch möglichst solange hinter verschlossen Türen zurückgehalten werden, wie dies aus konkurrenzstrategischen Gründen notwendig oder möglich ist. Idealerweise werden sie erst dann öffentlich, wenn nicht nur keine Unsicherheit über die Entscheidung mehr besteht, sondern es der betreffenden Organisation auch Nutzen verspricht. Dieses ist bei diesen Organisationstypen legitim, weil in pluralistischen Gesellschaften der Wettbewerb partikularer Interessen Systemspielregel ist. Räte und öffentliche Verwaltungen vertreten dagegen innerhalb dieses Systems Gemeininteresse, die sie zu Offenheit und Transparenz verpflichten.

Ein gewisses Transparenzparadox ergibt sich dabei daraus, dass sie natürlich für die Prüfung von Sachverhalten, Interessen, Entscheidungsvorlagen und Entscheidungsoptionen sowie das Finden von Kompromissen und Entscheidungen einen Ausschluss von Öffentlichkeit benötigen, um in nicht-öffentlichen Sitzungen diskutieren und abwägen zu können. Es geht hier aber nicht darum, sich mit der Entscheidung klug in einem Wettbewerbsmarkt zu positionieren, sondern um unter Abwägung aller Interessen und einem – idealtypisch – möglichst weitreichenden Ausschluss von Drittinteressen den jeweils besten Lösungsweg zu finden. Konkurrenz findet hier auf dem Weg zur Entscheidungsfindung und damit im Prozess statt. Wird eine Entscheidung relativ allgemein getroffen, werden Konkurrenzbeziehungen in die administrative Umsetzung weitergetragen.

Für PRöffVer bedeutet dies, dass sie die jeweiligen Konkurrenzbeziehungen, die Entscheidungen oder der Entscheidung um die Art der administrativen Umsetzung zugrunde legen, in aller Regel schon auf dem Weg zu diesen Entscheidungen zumindest teilweise transparent sind und nur die eigentlichen Entscheidungsprozesse selbst vor einem öffentlichen Einblick geschützt werden können. Am Ende ist dann wieder über die Entscheidung und deren Zustandekommen (z. B. Stimmenverhältnis, Kommentierung von Entscheidern) zu berichten. Auch hier ist Kommunikationsmanagement ein Prozess aus Transparenz- und Akzeptanzmanagement, der hier im Gegensatz zu Unternehmen und Verbänden anderen Spielregeln folgen muss, welche die Handlungsspielräume bei der Schaffung von Transparenz sehr weit und beim Schutz vor Beeinflussung unmittelbarer Entscheidungsprozesse sehr eng abstecken. Hinzu kommt, dass auf der politischen Seite der Räte Mandatsträger mit (parteipolitisch-)konkurrierenden Interessen ‚unterwegs‘ sind, die bisweilen nach ‚eigenen‘ Spielregeln selbst oder durch eigene Sprecher zusätzlich parteilich gefärbte Transparenz schaffen und damit die PRöffVer unterminieren können.

3.6 Fallbeispiel (2)

Kehren wir nochmals zu unserem Fallbeispiel mit der schlichten Frage zurück: Wie hätte man es hier besser machen können – auf der Ebene des politischen Entscheidungsprozesses, auf der Ebene der kommunikativen Einbettung der anstehenden Entscheidung in das in diesem Falle lokale und regionale Umfeld und auf der Ebene der Kommunikation selbst? Der politische wie kommunikative Lösungsansatz: mit einer anderen, besseren ‚Geschichte‘.

So, wie die Geschichte bislang erzählt wird, sind es Kosten- und Finanzierungsgründe, die für die grundlegende Veränderung der Struktur verantwortlich gemacht werden. Zitat: „Die Kostenträger sind nicht bereit, längerfristig die heute bestehenden und sich abzeichnenden Kosten zu übernehmen“. Das Bild: Man weicht dem Druck. Die Geschichte der beabsichtigten Umstrukturierung ist aber in eine weiterreichende Geschichte eingebettet: die der Gesundheitsversorgung ganz allgemein und den sich dort schon längerfristig vollziehenden Veränderungen im Gesundheitssystem, die in den Augen der Öffentlichkeit zu einer allgemeinen Verschlechterung geführt haben – ob dies substanziell so ist oder nur so wahrgenommen wird, ist dabei unerheblich. Das Gesundheitssystem verfügt über eine Reihe von Problemen, zu denen abseits des Klinikbetriebs lange Wartezeiten auf Facharzttermine mit Überweisungen, erneuten Wartezeiten und Wege gehören, wenn unterschiedliche Fachärzte für eine Diagnose oder Therapie konsultiert werden müssen. Dies bietet Raum für Ansatzpunkte, nicht nur dem Kostendruck zu weichen, sondern nach kreativen Lösungen zu suchen. Denn selbst wenn es Kostengründe sind, die zur Umstrukturierung der Infrastruktur der öffentlichen Gesundheitsversorgung in diesem Raum führen, dann ist dies Risiko und Chance zugleich, denn es bedeutet ja nicht, dass nicht auch Mehrwerte für die Bevölkerung geschaffen werden könnten.

Dies setzt beim politischen Entscheidungsprozess an. Wenn zum Beispiel anstelle der im ersten Teil genannten Portalkliniken mit Notfallversorgung und einzelnen Abteilungen öffentlich organisierte Facharztzentren treten würden, die über allgemeine Notfallaufnahme hinaus auch abseits akuter Fälle ambulanter Versorgung oder stationärer Weiterleitung am gleichen Ort auch unterschiedliche fachärztliche Diagnostik und Versorgung auf kurzen Wegen und in kurzen Zeiten gewährleisten würden, wäre ein Mehrwert geschaffen. Dieses Modell ist nicht neu, sondern erinnert an die Polikliniken der ehemaligen DDR, was aber, da es in der heutigen Situation der Gesundheitsversorgung Mehrwerte schaffen würde, für Kommunikation und Akzeptanz kein Nachteil sein sollte. Damit würde die Diskussion um den ökonomisch notwendigen Strukturwandel in eine zweite Reihe rücken und das Ganze in eine akzeptanzorientierte Richtung gelenkt werden. Voraussetzung wären allerdings eine weitblickende politische Kreativität und Flexibilität im Umgang mit diesem Thema. Sie ließe es zu, schon im Prozess eine andere Veränderungsgeschichte zu erzählen, um anstehende Entscheidungen in das lokale und regionale Umfeld einzubetten und von den Medien begleiten zu lassen. Der Widerstand an den potenziellen Standorten des geplanten Großklinikums wäre zwar dennoch zu erwarten, aufgrund des allgemeinen Mehrwertes des Konzeptes würden aber Argumentation und Solidarisierungseffekte eingegrenzt.

Vision oder Fiktion? In vielen Verwaltungen ist diese Kreativität scheinbar gar kein Thema, wenn sich ein Bürgermeister in einem ähnlichen Fall mit der Position zitieren lässt: „Wir als Verwaltung sind vielleicht etwas hasenfüßiger, weil die Risiken schwerer wiegen als die Chancen“. Da scheint er wieder durch, der Begriff eines möglichst risikolosen Verwaltens. Aber genau das, was mit dieser Metapher verbunden wird, erscheint heute für eine moderne Gestaltung des Gemeinwesens und eine moderne PR- oder Kommunikationsarbeit öffentlicher Verwaltungen zu wenig.

4 Vision oder Fiktion: Öffentliche Verwaltungskommunikation 3.0

Fassen wir abschließend zusammen und fragen dann, was die Ansprüche von moderner PRöffVer sein müssten. Vorab ist nochmals ausdrücklich festzuhalten, dass Verwaltungskommunikation und PRöffVer nicht besser oder – wertfrei ausgedrückt – nicht anders seien können als das Selbstverständnis einer öffentlichen Verwaltung, weil Funktionseinheiten eines Systems immer nur über das Mandat verfügen, das ihnen zugewiesen wurde, und in ihrer Arbeitsweise immer Abbild der Kultur des Muttersystems sind. Besteht in einer Verwaltung eine Absicherungskultur, wie sie sich im Falle der zitierten ‚Hasenfüßigkeit‘ unterstellen lässt, wird auch die Verwaltungskommunikation Ausdruck hiervon sein und PRöffVer kaum einer anderen Rollenerwartung entsprechend müssen, als Mitteilungen zu verbreiten. Die Krux: Hier werden Risiken höher eingestuft als Chancen.

Risiken bedrohen dabei i. d. R. nur den Bestand, Chancen aber stehen für Entwicklung. Wird dies mit der dienenden Rolle von Verwaltung begründet, repräsentiert es ein bürokratisch-passiv geprägtes Verwaltungsverständnis, dessen Ziel es ist, Auskunftsansprüchen zu genügen. Schon in den internen Prozessen wird das Verwaltungsdreieck damit nur teilweise adressiert, wie Abb. 2 zeigt. Dazu ist nochmals die Eingangsbemerkung festzuhalten, dass sich auch öffentliche Verwaltung Öffentlichkeit nicht entziehen kann. Im Gegenteil: Sie befindet sich potenziell immer im Spiegel der Öffentlichkeit. Meinungsbildung findet dabei auch ohne ein Zutun von öffentlicher Verwaltung und ihrer PRöffVer statt und adressiert in erster Linie Verhalten und erst in zweiter Linie diesbezügliche erklärende oder interpretierende Kommunikation.

Abb. 2
figure 2

(Eigene Darstellung)

PR-Arbeit der öffentlichen Verwaltung in dienender Sprachrohr-Funktion.

Gerecht werden kann PRöffVer in diesem Fall ihren Aufgaben u. E. nicht, weil Verwaltungskommunikation insgesamt aufgrund ihrer Verpflichtung zur Gemeininteressenorientierung und damit verbundener Transparenz im Grunde immer gezwungen ist, bereits in Situationen von Unsicherheit bezüglich der letztendlichen Entscheidungsoption zu kommunizieren und damit Unsicherheit zu verbreiten, statt Unsicherheit zu beenden. Dazu kommt, dass auf beiden Seiten – die des Verwaltungsdreiecks wie die der betroffenen Teile von Öffentlichkeit – unterschiedliche Erfahrungen, Lösungsideen und davon abgeleitete Erwartungen bestehen, mit denen PRöffVer umgehen muss. Auf der internen Seite von Rat und Verwaltung hat sich dabei im Medienwandel für den Umgang mit Rollen und Verantwortung vergleichsweise wenig verändert. Verändert hat sich die Seite der Öffentlichkeit und dabei die Möglichkeiten des Bürgers, dem vermeintlichen Paradox der Ohnmacht der Macht ein stückweit zu entgehen, indem sie Zuspruch und Widerstand nicht nur artikulieren, sondern auch organisieren und damit die Prozesse öffentlicher Verwaltung auf sachlicher, zeitlicher wie auf sozialer Ebene maßgeblich beeinflussen können. Ob dies dann am Ende im Sinne des Gemeinwesens ist oder einzelner darin vertretener Interessen, die sich besser oder erfolgreicher organisieren konnten als andere, ist nochmal eine andere Frage.

Der Umgang hiermit wird zu einer sehr komplexen und anspruchsvollen Aufgabe, wenn sich PRöffVer nicht in weisungsgebundener Verlautbarung erschöpft, oder anders ausgedrückt, wenn diese Prozesse nicht ignoriert werden und es nicht mehr nur um Form und Formulierung vorgegebener Inhalte und deren Verlautbarung geht (Abb. 2), sondern um einen proaktiven Umgang mit damit verbundener Unsicherheit durch Mitwirkung an der Auswahl notwendiger Themen und Inhalte bis hin zu deren politischem Zustandekommen geht. Im Rahmen ihrer dienenden Rolle kann öffentliche Verwaltung devot oder konstruktiv sein – ersteres ist in der modernen Medien- und Kommunikationsgesellschaft heute nicht mehr zeitgemäß, sondern vielmehr das Zweite unabdingbar.

Die Begründung hierfür ergibt sich eigentlich aus dem Vorstehenden von selbst. Die Welt von Verwaltungskommunikation, die sich in ihrer Außen- und Selbstdarstellung auf Verlautbarungen beschränken konnte, das war die alte analoge Medienwelt und die Medienwelt 1.0. Sie knüpfte Informationsverbreitung an deren Absender und ließ Diskussionen nur außerhalb digitaler Netzwerkstrukturen zu. Mit partizipativer Kommunikation und Vernetzung unter Web 2.0 fiel diese Barriere; schon dann, wenn Web 3.0 nur auf eine darauf aufbauende crossmediale, kanalübergreifende Vernetzung bezogen wird, die Inhalte und Meinungen zu Inhalten auf breiter Ebene verfügbar macht, wird deutlich, dass es auch bei öffentlichen Verwaltungen heute nicht mehr alleine um den Umgang mit Auskunftspflichten gehen kann. Verwaltungsentscheidungen bestimmen das Miteinander im Gemeinwesen. Vernetzungen im Gemeinwesen machen die Organisation von Akzeptanz und Widerstand in der Öffentlichkeit einfacher. Dies ist Risiko und Chance zugleich. Es wird – und da irren die Freunde der Hasenfüßigkeit – zu einem schwer kalkulierbaren, weil konfrontativen Risiko, wenn dem ausschließlich mit klassischen bürokratischen Prozessen und Ritualen begegnet wird. Es ist umgekehrt, die Chance, Themen und Subthemen, Gruppen und Personen sowie Meinungen und Argumentationen zu verorten und proaktiv mit diesen innerhalb der Prozesse des gesamten Verwaltungsdreiecks umzugehen.

Dies allerdings bedarf einer PRöffVer, der ein entsprechendes Mandat zugewiesen wird und die über die entsprechende personelle Ausstattung entlang der modernen Anforderungen des Public Relations- oder Kommunikationsmanagements verfügt. Ehemalige Journalisten oder Online-Redakteure als textsichere Handwerker und gute Medienkontakter bilden hier nur in wenigen Fällen die erste Wahl. Eine moderne Verwaltungskommunikation sollte sich zumindest einer PRöffVer 2.0 bedienen, an die sie Anforderungen eines in anderen Bereichen zunehmend erforderlichen modernen Kommunikationsmanagements stellt, diese entsprechend mandatiert und ausstattet und in Verwaltungsprozesse einbezieht. Beobachtung, fachliche Analyse und Beratung und dann erst – wenn nötig und zielführend – Mitteilung beschreiben das PR-spezifische Aufgabenspektrum einer modernen PRöffVerf. Verwaltungsspezifisch kommt hier hinzu, dass sie als Anwalt der kommunikativen Konsequenzen mit ihrer fachlichen Expertise in die Erstellung und Bewertung von Entscheidungsoptionen eingebunden sein müsste und auf diesem Weg Einfluss auf die gesamte Verwaltungskommunikation nehmen müsste (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

(Eigene Darstellung)

Zeitgemäße PR-Arbeit der öffentlichen Verwaltung.

PRöffVer wird damit nicht zu einem Anwalt der Öffentlichkeit oder einem ‚Diener zweier Herren‘: Dies wäre ausdrücklich ein falsches Rollenverständnis, auch wenn dieses bisweilen im Kontext von PR-Wissenschaft (Grunig und Hunt 1984, S. 9) und PR-Praxis (Avenarius 1998, S. 56 f.) verbreitet ist. Sie bleibt Anwalt einer dienenden Verwaltung, welche die Möglichkeiten der modernen Mediengesellschaft zu einem zielführenden Umgang mit dem Transparenzparadox nutzt, indem sie 1) als Bindeglied zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit zum Umgang mit Kommunikation und Meinung dient – und dies als Hör- und Sprachroh –, und 2) intern mit allen Spitzen des Verwaltungsdreiecks in allen wesentlichen, öffentlichkeitswirksamen Entscheidungsfragen eng zusammenarbeitet, um Akzeptanz- und Umsetzungsprobleme und vor allem damit verbundene Konflikte möglichst weitreichend einzugrenzen. Dies ist sicher mehr als eine Fiktion. Wieweit es eine Vision ist, die PRöffVer dies heute oder absehbar zu leisten vermag, kann nur in empirischer Analyse geprüft werden.