Zusammenfassung
Eine mögliche Argumentation hinsichtlich der Beurteilung staatlicher Leistungen wie etwa einer finanziellen Grundsicherung kann mithilfe des bekannten Instrumentariums der Haushaltstheorie erfolgen. Die Maßnahmen der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige (auf dem niedrigeren Niveau der Sozialhilfe) zum so genannten Arbeitslosengeld II im Rahmen der Agenda 2010 und der nach einem Jahr Arbeitslosigkeit (in dem Arbeitslosengeld I gezahlt wird) nun erfolgenden Zahlung von (wie man so sagt) „Hartz IV“ ist immer wieder diskussionswürdig. Die Spannweite reicht einerseits von der Bezeichnung als „Armut per Gesetz“ (Wegner 2010, S. 10) und der damit einhergehenden Kritik der niedrigen Höhe, die keine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und damit Menschen in relativer Armut leben lässt. Und auf der anderen Seite wird „… argumentiert, dass die für die Betroffenen gewährten finanziellen Versorgungsleistungen nach wie vor zu großzügig bemessen seien und Menschen deswegen zu wenig zum eigenverantwortlichen Ausstieg aus der Armut nötigen. HartzIV wäre in dieser Hinsicht folglich geradezu ‚Faulheit per Gesetz‘.“ (Wegner 2010, S. 10). Die Extreme werden somit offensichtlich: Aus Sicht der einen ist das soziale Sicherungsnetz eine Hängematte und aus Sicht der anderen hängt das Netz so tief über dem Boden, dass es keine wirkliche Sicherungsfunktion mehr leistet und man im Netz liegend den Betonboden spürt.
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Notes
- 1.
Die frühere Arbeitslosenhilfe basierte auf der Höhe des bisherigen Einkommens und galt unbefristet. Nunmehr erfolgt nach einem Jahr Bezug des Arbeitslosengeld I der Bezug der Grundsicherung, die sich nicht an vorherigem Einkommen sondern am Bedürftigkeitsprinzip orientiert.
- 2.
Je mehr arbeitsfähige Personen einem Haushalt zugehörig sind, desto mehr vergrößert sich die auf Freizeit und Arbeit aufteilbare Stundenzahl. Vgl. Endres, Alfred und Martiensen, Jörn (2007), S. 177.
- 3.
Sozusagen der modellierte Effekt der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe auf dem niedrigeren Niveau der Sozialhilfe. Dies entspricht einer Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Grundversorgung.
- 4.
Dies ist die Begründung für eine weitere Absenkung der Grundversorgung, da diese ansonsten ja (für etwa Akteur A) wie oben bereits angemerkt „Faulheit per Gesetz“ (Wegner 2010, S. 10) bedeuten würde. Beurteilen dürfen Sie die unterschiedlichen Aussagen selbst.
- 5.
Kurzer Zusatz: Ein Artikel von Launov und Wälde (2014) beschreibt die Wirkung der Hartz-IV-Reformen auf die Arbeitslosigkeit als äußerst gering. Lediglich ein Rückgang von 0,1 Prozentpunkten wird auf die Reform zurückgeführt. Begründet wird dies unter anderem damit, dass bei Hochqualifizierten die Absenkung der Versorgungsleistung irrelevant erscheint, da diese noch vor Greifen der Absenkung (also innerhalb eines Jahres) eine neue Beschäftigung finden. Für Geringqualifizierte wiederum ist die Differenz der Versorgungsleistung vor und nach der Reform zu gering, als dass diese einen großen Einfluss auf das individuelle Verhalten auszuüben vermag (Launov und Wälde 2014, S. 113).
- 6.
- 7.
- 8.
Den Aspekt der „Bedingungslosigkeit“ müsste man im Grunde auch einmal beleuchten und entweder wörtlich nehmen oder von einem Grundeinkommen mit (zumindest wenigen) Bedingungen sprechen. Auch wird teils in einem Atemzug mit dem Grundeinkommen auf einen Verzicht sonstiger Sozialleistungen (z. B. Wohngeld, BAföG, Kindergeld etc.) verwiesen. Dies wiederum kann in manchen Fällen (z. B. Krankenversicherung) nicht funktionieren. Diese Seite der Problematik ist aber für die modellhafte Betrachtung mit Fokus auf die Arbeitsanreize nicht von Interesse und wird ausgeklammert.
- 9.
Dieses Vorgehen entspricht im Grunde der Idee einer negativen Einkommenssteuer. Nehmen Sie an, dass es einen Einkommenssteuersatz von 50 Prozent gäbe, welcher bei einem Schwellenwert von 1200 € in beide Richtungen wirkt. Das soll bedeuten, dass monatliche Verdienste oberhalb von 1200 € mit 50 Prozent besteuert werden und Verdienste unterhalb von 1200 € mit 50 Prozent bezuschusst werden. Verdient eine Person 1800 € im Monat, so liegt der Betrag 600 € oberhalb des Einkommensgrenzwertes von 1200 €. Die 600 € werden mit 50 Prozent besteuert. Die Person zahlt demnach 300 € an Steuern und es bleibt ein verfügbares Einkommen von 1500 € übrig. Die Person ist Nettozahler. Verdient eine Person 400 € im Monat, so liegt dies 800 € unterhalb der Grenze von 1200 €. Die Person erhält nun 400 € (nämlich 800 ∗ 0,5) als Zuschuss und es ergibt sich ein Gesamtbetrag von 800 €. Sie sehen, dass dies in der Abb. 5.8 im Bereich F bis H zu einem erhöhten Anreiz der Arbeitsaufnahme führt, im Gegensatz zu einer vollständigen Kürzung der Transferleistung bei Arbeitsaufnahme. (Vereinfacht ausgedrückt ist dies das Kalkül, ob Sie „für sich oder für den Staat arbeiten gehen“.) Siehe bzgl. der negativen Einkommenssteuer Brynjolfsson und McAfee 2018, S. 284–286 und Petersen 1995. Auch wäre es möglich, ab dem Punkt H – ab welchem man bei Mehrarbeit zum Nettozahler wird – einen anderen Einkommenssteuersatz anlegt. So könnte negatives Einkommen mit 50 Prozent besteuert werden (wie im Beispiel zuvor) und positives Einkommen mit lediglich 20 Prozent. Verdient eine Person demnach z. B. 1800 €, sind dies 600 € mehr als der Schwellenwert von 1200 € angibt. Die 600 € werden nun mit 20 Prozent versteuert, sodass sich das Einkommen von 1800 € auf 1680 € und nicht (wie bei 50 Prozent) auf 1500 € reduziert. Dies ändert die Steigung der Einkommensgerade im Punkt H und schmälert mögliche Einbußen hinsichtlich der Arbeitsanreize bei Nettozahlern.
- 10.
Das macht ja auch durchaus Sinn. Ich ändere meinen Musikgeschmack bspw. wirklich nicht jede Woche, aber kann mit den Liedern, die ich als Kind richtig toll fand mittlerweile nicht mehr ganz so viel anfangen und auch meine präferierten Freizeitaktivitäten haben sich geändert und konzentrieren sich weit weniger auf Rutsche und Sandkasten als damals. Auch wenn von verstärktem ökologischem Bewusstsein der Gesellschaft gesprochen wird, dann impliziert dies eine Veränderung der Präferenzstrukturen.
- 11.
Vgl. Endres und Martiensen (2007), S. 177.
Literatur
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Endres, A., & Martiensen, J. (2007). Mikroökonomik. Stuttgart: Kohlhammer.
Launov, A., & Wälde, K. (2014). Folgen der Hartz-Reformen für die Beschäftigung. Wirtschaftsdienst, 94(2), 112–117.
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Natrop, J. (2012). Grundzüge der Angewandten Mikroökonomie (2. Aufl.). München: Oldenbourg Verlag.
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Sloman, J. (2000). Mikroökonomie (3. Aufl.). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
Wegner, G. (2010). Ermutigung I statt Hartz IV, zur Diskussion um das SGB II. Die Politische Meinung, 487, 10–16.
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Strotebeck, F. (2019). Sozialleistungen und mögliche Einflüsse auf den Arbeitsmarkt. In: Einführung in die Mikroökonomik . Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27307-1_5
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