Zusammenfassung
GABEK®-Netze können dazu verwendet werden, die Bedeutung von Begriffen zu klären, wie sie in der Community verwendet werden. Es können Begriffe sein, die an geschichtliche Ereignisse der Gemeinschaft erinnern, die einen Konflikt anzeigen, oder es können symbolhafte Begriffe sein, die besondere Leistungen der Gemeinschaft hervorheben, auf die man stolz ist. Es können auch Begriffe sein, die Missverständnisse hervorrufen, da sie die Gesprächsteilnehmer an unterschiedliche Erfahrungen erinnern.
Als Beispiel für eine Begriffsexplikation wird der Begriff „Arbeitszeitmodell B“ analysiert. Es handelt sich um einen Begriff, der in drei Forschungsabteilungen der Daimler AG in Berlin kontrovers diskutiert wurde. Er bezeichnete eine neue Arbeitszeitregelung, die einheitlich in allen drei Niederlassungen eingeführt werden sollte. Die verbale Datenbasis wurde erhoben durch einen Brief des Unternehmens an alle betroffenen Mitarbeiter mit drei Fragen zur Arbeitszeitregelung. Deren Antworten wurden mit GABEK® ausgewertet. Das Beispiel zeigt, dass Konflikte manchmal bereits durch die Klärung eines problematischen Begriffs gelöst werden können.
Nach einem vorbereitenden Unterabschnitt über „theoretische Begriffe“ wird der wissenschaftstheoretische Weg beschrieben, der zur Klärung des Begriffs und damit zur Lösung des Konflikts geführt hat.
Zunächst wird das komplexe Begriffsnetz gebildet, das die gesamte verbale Datenbasis abbildet. Dann werden Sätze selektiert, in denen der zu klärende Begriff „Arbeitszeitmodell B“ (das Explicandum) vorkommt. Im Gesamtnetz werden dessen Nachbarbegriffe grafisch dargestellt, die in sehr vielen Sätzen gemeinsam mit dem Explicandum vorkommen. Viele dieser Begriffe der Nachbarschaft des Explicandums sind auch untereinander durch viele Sätze miteinander verbunden. Dadurch entsteht eine Reihe von Textgruppen oder Bedeutungsclustern, die miteinander durch gemeinsame Begriffe verbunden sind. Über die Sätze jedes einzelnen Bedeutungsclusters wird eine Zusammenfassung gebildet. Diese Zusammenfassungen führen zu theoretischen Prinzipien, die zusammen den Begriff „Arbeitszeitmodell B“ erklären. Anhand der Beschreibung einer speziellen Situation – hier der „Teamarbeit“ – wird schließlich die Widerspruchsfreiheit der Prinzipien und die Anwendbarkeit des Begriffes nachgewiesen.
Auf der Grundlage der Begriffsanalyse konnte der Konflikt zwischen den drei Niederlassungen sowie zwischen Personalleitung und Betriebsrat mit der Einführung einer neuen Arbeitszeitregelung gelöst werden.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Festsetzung gilt, wenn das Definiendum erst neu eingeführt wird und vorher noch nicht festgelegt worden ist. Ihr kommt kein Wahrheitswert zu.
Feststellung gilt, wenn für das Definiendum schon bindende Anwendungsregeln existieren. Sie kann wahr oder falsch sein (z. B. lexikalische Definition).
Mischformen ergeben sich, wenn die schon festgelegten Anwendungsregeln für das Definiendum präzisiert, teilweise abgeändert werden oder wenn das Definiendum in mehrere Begriffe aufgegliedert wird. Sie ist weder wahr noch falsch, muss aber adäquat sein (z. B. Begriffsexplikation).
- 2.
Einige Textbeispiele dazu:
-
A35
-
Allerdings empfinde ich es etwas problematisch, wenn ich an die Teamarbeit denke, die in unserer Abteilung immer wichtiger wird. Wenn ich nicht mehr weiß, wann welche Kollegen im Büro sind, wird es schwieriger, Teambesprechungen auch mal spontan durchzuführen. Manchmal möchte man auch einfach einen Rat zu einem Problem oder „nur“ sozialen Austausch.
-
A05
-
Die Kommunikation würde sich schwieriger gestalten, wenn man nicht weiß, wann Kollegen fest anzutreffen sind, da die „Versuchung“ besteht, sich seinen Arbeitstag „individueller“ zu gestalten.
-
D54
-
Die Absprache bezüglich Anwesenheitszeiten verläuft im Team hervorragend. Durch die Verwendung eines gemeinsamen Kalenders können auch Anwesenheitszeiten von Kollegen, mit denen man nicht ständig zusammenarbeitet, eingesehen werden.
-
C76
-
Die Arbeitszeit verlagert sich immer weiter nach hinten, wenn im Team gearbeitet wird. Der Gruppendruck nimmt zu (oft ungewollt), mehr Stunden zu arbeiten als nach Tarifvertrag vereinbart sind.
-
Literatur
Benedetti G (1995) Der Arbeitsbegriff von 5- bis 13-jährigen Kindern, Diplomarbeit, Institut für Philosophie, Universität Innsbruck
Bunge M (1967) Scientific research II. The search for truth. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Carnap R (1956) The methodological character of theoretical concepts. In: Feigl H, Scriven M (Hrsg) The foundations of science and the concepts of psychology and psychoanalysis, Bd 1. University of Minnesota, Übersetzung von Schebal, A.: „Theoretische Begriffe der Wissenschaft“ In: Zeitschrift für Philosophische Forschung, Bd 14, 1960, S. 209–233 und 571–597
Miller G (1956) The magical number seven plus minus two: some limits for our capacity for processing information. Psychol Rev 63:81–97
Sergin VY (1992) A global model of human mentality. In: Trappl R (Hrsg) Cybernetics and systems research, Bd 1, proceedings of the 11th European Meeting on Cybernetics and Systems Research. World Scientific, Wien/Singapore/London/Hong Kong, S 882–890
Stegmüller W (1969) Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd I: Wissenschaftliche Erklärung und Begründung. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Stegmüller W (1970) Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd II: Theorie und Erfahrung. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Stegmüller W (1973) Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd II: Theorie und Erfahrung, Teil D: Logische Analyse der Struktur ausgereifter physikalischer Theorien, ‚Non-statement view‘ von Theorien. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Waibel M (2010) Eine Methode zur Übeprüfung von Hypergestalten – dargestellt am Beispiel des Dissertationsprojektes ‚Interim Management‘. In: Raich M, Schober P, Zelger J (Hrsg) GABEK® IV. Sprachliche Strukturen, Theorie und Anwendung. Linguistic Structures, Theory and Practice. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen, S 181–197
Wittgenstein L (1971) Philosophische Untersuchungen. Frankfurt, Suhrkamp
Zelger J (1975) Konzepte zur Messung der Macht, Beiträge zur Politischen Wissenschaft, Bd 23. Duncker & Humblot, Berlin
Zelger J (2010) Von verbalen Daten zu regional gültigen Theorien mit GABEK®. In: Raich M, Schober P, Zelger J (Hrsg) GABEK® IV. Sprachliche Strukturen, Theorie und Anwendung. Linguistic Structures, Theory and Practice. Studienverlag, Innsbruck/Wien/Bozen, S 135–180
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2019 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Zelger, J. (2019). Begriffsanalyse durch Bedeutungszusammenhänge. In: Erforschung und Entwicklung von Communities. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27099-5_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-27099-5_4
Published:
Publisher Name: Springer Vieweg, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-27098-8
Online ISBN: 978-3-658-27099-5
eBook Packages: Computer Science and Engineering (German Language)