Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird ein Überblick zum Stand der bisherigen Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland sowie zu vorliegenden Erkenntnisse aus ersten ökonomischen Studien zu den Auswirkungen auf Löhne und Beschäftigung gegeben. Diese haben gezeigt, dass die Stundenlöhne am unteren Rand des Lohnspektrums im Zuge der Mindestlohneinführung um fast 5 % gestiegen sind und damit deutlich stärker als in den Jahren zuvor gestiegen sind, ohne dass es zu den im Vorfeld befürchteten Beschäftigungsverlusten gekommen ist. Überdurchschnittliche Lohnsteigerungen verzeichneten Frauen, Beschäftigte in kleineren Betrieben, ausländische Arbeitskräfte, geringfügig Beschäftigte und Personen ohne Berufsausbildung. Gleichzeitig gibt es auch deutliche Hinweise darauf, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland noch nicht flächendeckend eingehalten wird.
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Notes
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„In the United Kingdom, for example, when the national minimum wage was introduced, it was widely believed that the policy would be successful only if it was largely “self-enforced” – that is, so widely known about and accepted that there would be widespread compliance. To this end, much attention was devoted to information campaigns, by the authorities as well as social partners.“ (ILO 2016, S. 58 f.).
- 2.
Lakies (2015, S. 217) schreibt in seinem Kommentar dazu: „Eine „Umsetzungspflicht“ des Verordnungsgebers ist damit nicht verbunden. Für den Verordnungsgeber besteht […] ein Ermessen (fett im Original, die Autor_innen), ob er von der Rechtsverordnung Gebrauch macht oder nicht.“
- 3.
In einzelnen Bundesstaaten sowie Städten der USA sind deutlich höhere Mindestlöhne als auf nationaler Ebene festgelegt worden. Die zahlreichen Kampagnen zu „living wages“ in Großstädten sind zum einen eine Reaktion auf die rasch steigenden Lebenshaltungskosten in den Ballungsräumen und zum anderen kann man sie auch als Gegenbewegung zu der politischen Blockade von Mindestlohnerhöhungen auf nationaler Ebene verstehen (Allegretto et al. 2018).
- 4.
Es handelt sich um folgende Branchen: Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport und damit verbundene Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen, die Fleischwirtschaft und das Prostitutionsgewerbe.
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Diese Schwelle ist zum 1. August 2015 um eine neue Schwelle von 2000 € brutto ergänzt worden. Die neue Schwelle greift jedoch nur dann, wenn die betreffenden Beschäftigten das Gehalt von über 2000 € brutto als verstetigtes Arbeitsentgelt bereits in den letzten 12 Monaten vom selben Arbeitgeber erhalten haben.
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Bosch, G., Hüttenhoff, F., Weinkopf, C. (2019). Wirkungen des gesetzlichen Mindestlohns – Bisherige Erkenntnisse. In: Kontrolle von Mindestlöhnen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26806-0_2
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