Zusammenfassung
Industriell erzeugte Lebensmittel gehören zur modernen Ernährungskultur ebenso wie Convenience Food dazu. Sie werden seit über 150 Jahren produziert, ihr Anteil an der Bedarfsdeckung der täglichen Ernährung ist enorm, sie unterliegt umfangreichen Sicherheits- und Qualitätsprüfungen. Ihre Produkte und Geschichten verbinden Menschen selbst über große Raum-Zeit-Grenzen, Personen an unterschiedlichsten Orten der Welt verzehren die gleichen Speisen, Menschen aus unterschiedlichen Generationen entwickeln eine Beziehung zu derselben Marke. In Massenproduktion erzeugten Lebensmitteln liegt also ein großes soziales Vergemeinschaftungspotenzial zugrunde, sie erhalten einen soziokulturellen Nährwert, der in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Produktsegment bislang nicht berücksichtig wurde. Der vorliegende Beitrag geht von zwar soziokulturell geprägten, aber in ihren Entscheidungen letztlich mündigen Konsumenten aus. Jene Essenden greifen auch deshalb zu industriell hergestellten Lebensmitteln aus der Massenproduktion, weil sie aus dem Konsum dieser Speisen verschiedene positive Effekte beziehen: Genuss, Kommunität, soziokulturelle Identität, Kommunikationspotenzial. Industriell produzierte Speisen und Getränke sind demnach nicht irgendein sich scheinbar nur parasitär in der Ernährungskultur eingenisteter Faktor, der auf skurrile Art gigantische Umsätze erzeugt obwohl sie doch niemand verzehrt, sondern sie sind ein systemrelevantes Element der globalen Ernährungskultur der Ernährungskulturen, das neben der Versorgung mit physiologisch benötigten Nährstoffen auch soziokulturelle Funktionen erfüllt.
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http://www.genussmaenner.de/aid=56152.phtml Abruf: 23.10.2018.
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Ob wir derzeit in der Hoch-, Spät- oder Post-Moderne leben, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Sicher ist auf jeden Fall, dass wir in der Zeit nach der Vor-Moderne leben.
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Eine anschauliche Ausarbeitung dieser analogen Körpersprache im Gegensatz zur digitalen Wortsprache, findet sich in Peter Peters Analyse des Klassikers des Kulinarischen Kinos „Babettes Fest“ (Peter 2013).
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Darunter können diverse Dingen fallen, so könnten religiöse, politische, räumliche Elemente kulturelle Makronährstoffe, dagegen persönliche Erinnerung oder gruppenspezifische Elemente kulturelle Mikronährstoffe und Überraschungsfaktoren, gustatorische Trigger oder Gefühlskomponenten kulturelle Spurenelemente darstellen. Dazu fehlt bislang aber noch eine systematische Arbeit.
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So wie ein zwanzigjähriger Jäger einer tribalen Amazonaskultur ein anderes Portfolio an physiologischen Nährstoffen benötigt als eine fünfzigjährige Professorin in Berlin.
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In abgeschwächter Form gilt bei all solchen, die nicht von lebensbedrohender Mangelernährung betroffen sind, immerhin noch das Sprichwort „Hunger ist der beste Koch“. Doch führt dies sehr selten dazu, dass wirklich kulturfremde Nahrung verspeist wird, denn mehr dazu, dass selbst einfache oder banale Speisen gustatorisch extrem aufgewertet werden.
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In der Tat sieht sich die Moderne vielfach mit solchen Sezessionstendenzen konfrontiert, sei es mit der Separatismusbewegung von Gruppen, mit Vereinzelungstendenzen von zahlreichen einzelnen Individuen oder kultureller Segregation (vgl. etwa am Beispiel Schweden Eger 2010).
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Wie sie ansonsten im globalen Maßstab vielleicht nur noch Beethovens Ode an die Freude zukommen vermag und dies, wie Slavoj Žižek zeigt, primär auf eine ziemlich pervertiert ideologische Art und Weise (Žižek 2012).
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Deswegen schmecken die meisten der sich mittelfristig etablierten industriell produzierten Lebensmittel auch dem überwiegenden Teil der Menschen „irgendwie“, rufen aber bei den meisten Menschen auch nicht unbedingt dieselben ekstatische Erlebnisse hervor, wie zum Beispiel einerseits der geliebte Apfelstrudel aus Omas Küche oder andererseits ein Menü im Vendôme.
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Der Hunger mag riesig gewesen sein oder es ist frittiert an einem Street-Food-Stand erworben worden oder man hat es sich mit seiner großen Liebe gemeinsam geteilt.
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Ein weiterer Experimentvorschlag für die Leser: Fragen Sie in Ihrem Bekanntenkreis nach einem Lieblingseis aus der Kindheit. Nahezu jeder erinnert sich an einen industriellen Favoriten: Capri, Ed von Schleck, Calippo, Flutschi-Finger, Bum Bum und so weiter.
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https://twitter.com/fraudiener/status/959795128310403074 Abruf: 12.07.2018.
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https://twitter.com/buzzaldrinsblog/status/959799791550173187 Abruf: 12.08.2018.
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https://twitter.com/dieeinaeugige/status/959856806402166784 Abruf: 12.08.2018.
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https://twitter.com/paperriot/status/959895322045509632 Abruf: 12.08.2018.
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Und es geht hier eben gerade nicht um das Produktionsfeld „anbauen“ oder „kochen“, sondern explizit um die Konsumtionsseite „essen“ beziehungsweise „schmecken“.
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Sowie einige andere Produkte, eine Smartphone-Applikation, eine bestimmte Kinderwindel, die SPD (die aber wohl die „Rezeptur“ verändert hat, der der Nutzer bedauert die inzwischen eingetretene Bindungskraft), Kosmetika usw.
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Eine Ausnahme ist der Hinweis von @destinrayn auf die Fleischerei Straube: „Oh ja! In meinem Fall ist es schon mit der regulären Beschaffung schwierig, wenn die mal pleite gehen oder so… Bratwürste, Fleischerei Straube Suhl bzw. Dietzhausen. Alternativen habe ich bisher nicht gefunden.“ https://twitter.com/destinrayn/status/959943191674937344 Abruf: 12.08.2018.
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So schreibt @DauerZocker94. https://twitter.com/DauerZocker94/status/959972031491174400 Abruf: 12.08.2018.
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https://twitter.com/Halleyko_yt/status/963698875235291136 Abruf: 13.08.2018.
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Popmusik weist ebenfalls eine extrem hohe Bandbreite an Qualitäten und eine weitgehende Binnendifferenzierung auf.
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https://twitter.com/70s_party Abruf: 17.08.2018.
Literatur
BDSI (2018) Anteil des nachhaltig erzeugten Kakaos in den in Deutschland verkauften Süßwaren steigt auf 55 Prozent. https://www.bdsi.de/pressemeldungen/details/anteil-des-nachhaltig-erzeugten-kakaos-in-den-in-deutschland-verkauften-suesswaren-steigt-auf-55-proze/
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Kofahl D (2018b) Versöhnen statt Ampel. Wir sollten uns mit unserer modernen Esskultur versöhnen, statt anderen Menschen ihr Essen vorzuschreiben oder Lebensmittelampeln zu fordern. Novo – Argumente für den Fortschritt. https://www.novo-argumente.com/artikel/versoehnen_statt_ampel
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Paul S (2010) Eine Generation klagt an: rückt den Grünofanten raus! https://nutriculinary.com/2010/04/23/eine-generation-klagt-an-ruckt-den-grunofanten-raus/. Zugegriffen: 15. Okt. 2015
Paul S (2014) Fundstück der Woche: Wiederschlecken nach Jahrzehnten – die Rückkehr des “Grünofanten”. https://nutriculinary.com/2014/04/03/fundstueck-der-woche-wiederschlecken-nach-jahrzehnten-die-rueckkehr-des-gruenofanten/. Zugegriffen: 12. Aug. 2018
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WDR 2018. https://www.facebook.com/WDR/videos/1952422654808707/. Zugegriffen: 29. Aug. 2018
Žižek S (2012) The Pervert’s guide to ideology – Präsentiert von Slavoj Žižek. Suhrkamp, Berlin (DVD)
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Kofahl, D. (2020). „Einfach gut!“ – Geliebte Narrative der Lebensmittelbranche in der modernen Konsumkultur. In: Klotter, C., Endres, EM. (eds) Gute – Böse Lebensmittelindustrie. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26458-1_4
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