Zusammenfassung
Mit dem Mangel an Vermittelbarkeit der eigenen Inhalte pflegt die politische Linke eines ihrer Schlüsselprobleme nicht erst seit dem gestrigen Tag: In ihrer Untersuchung von über 800 Parlamentswahlen unmittelbar nach Finanzkrisen in den letzten 140 Jahren stellt eine Forschergruppe des Münchener Center for Economic Studies fest, dass rechtsradikale Parteien ihren Wähleranteil im Schnitt um dreißig Prozent steigern konnten. Eine Erklärung dafür, dass linke Deutungsangebote sich besonders in Krisensituationen nicht als mehrheits- und damit auch nicht als tragfähig erweisen, können die Autoren zwar nicht liefern – vermutlich, weil sie nicht allein in der Demoskopie, sondern auch auf dem Feld der Kultur zu finden wäre. Aber dafür gibt es ja die Soziologie.
Wenn der Kritiker in der Abenddämmerung der klassischen Arbeitsgesellschaft nicht mehr für die Ausgeschlossenen sprechen kann, wenn es vielleicht immer falsch war, für die Anderen das große Wort zu führen, wenn es kein Subjekt der Kritik gibt, dann fällt die Kritik in sich zusammen – oder auf sich zurück.
(Brieler 2002, S. 74)
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- 1.
Für wertvolle Hinweise danke ich Markus Baum, Lea Elsässer, Felix Gnisa, Thomas Hecken, Johannes Kiess, Felix Petersen sowie den Herausgebern.
- 2.
Funke et al. 2015.
- 3.
Farin 2014, S. 169 (nicht im Lit.-Verzeichnis).
- 4.
Schäfer 2015.
- 5.
Bude 2014, S. 73.
- 6.
Koppetsch 2013, S. 135.
- 7.
Degele, Winker 2009.
- 8.
Seeliger 2013.
- 9.
Neugebauer 2007.
- 10.
Dörre et al. 2011.
- 11.
Koppetsch 2013, S. 11.
- 12.
Scholz 2015, S. 97.
- 13.
Marshall 1992.
- 14.
Di Blasi 2013, S. 51.
- 15.
Ein besonders perfides Beispiel hierfür findet sich in einer Äußerung von Hans-Werner Sinn, dem ehemaligen Direktor des ifo-Instituts. Um die vor dem Syrienkonflikt Geflüchteten in den Arbeitsmarkt integrieren zu können, so Sinn im Interview mit dem Tagesspiegel, sei der Mindestlohn zu senken (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/hans-werner-sinn-im-interview-die-integration-der-fluechtlinge-wird-teuer/12782248.html; Zugriff vom 16.07.2016). Wie weit die Willkommenskultur auf Kosten der im Niedriglohnsektor Beschäftigten trägt, zeigten zuletzt die völkischen Reaktionen in Freital und Clausnitz.
- 16.
Hall 2000.
- 17.
Fromm 1937.
- 18.
Spier 2006, S. 33.
- 19.
Schäfer 2015.
- 20.
Spier 2006, S. 37.
- 21.
Guérot 2016, S. 60.
- 22.
Nachtwey 2016, S. 179.
- 23.
Hall 2014, S. 110.
- 24.
Eribon 2016, S. 124.
- 25.
Lucke 2016, S. 5.
- 26.
Adorno 1973.
- 27.
Bude 2014, S. 57.
- 28.
Eine Parallele zu den „Böhsen Onkelz“ – einer Band, die sich aufgrund ihrer rechtsradikalen Vergangenheit mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert sieht wie Frei.Wild – scheint hier nicht nur mit Blick auf die symbolische Kultivierung widerständiger Kriegermännlichkeiten gegeben zu sein. So haben sich zwar auch die „Böhsen Onkelz“ zu verschiedenen Gelegenheiten sehr klar vom rechtsradikalen Spektrum distanziert. Vielmehr sind es die offensiv-vereinfachende Gleichsetzung rechter und linker Geisteshaltungen und die offene Äußerung antilinker Ressentiments, womit beide Bands den Groll linker Gesinnungskritiker auf sich ziehen.
- 29.
Farin 2014.
- 30.
Geertz 1987.
- 31.
Farin 2014, S. 361.
- 32.
Zwischen Frei.Wild und ihrer Rezeption wird also keine strenge kategoriale Unterscheidung getroffen, geht es doch um die kulturelle Bedeutung der Gruppe in Zusammenhang mit der politischen Verhandlung von Krisendynamiken.
- 33.
Farin 2014, S. 95.
- 34.
Koppetsch 2013, S. 11.
- 35.
Farin 2014, S. 115.
- 36.
Koppetsch, Speck 2015.
- 37.
Ebd., S. 68.
- 38.
Misik 2010, S. 184.
- 39.
Lessenich 2008.
- 40.
Farin 2014, S. 89.
- 41.
Brill 2010, S. 186.
- 42.
Connell 2006.
- 43.
Farin 2014, S. 144.
- 44.
Farin 2014, S. 123.
- 45.
Ebd., S. 89.
- 46.
Hall 1994, S. 199.
- 47.
Ebd., S. 203.
- 48.
Die Reinheit des Volkes wird nicht explizit als biologische Abstammungsgemeinschaft dargestellt. Zwar geht es hier um familiäre Tradition, die sich auf die Ansiedlung innerhalb eines bestimmten Territoriums (Südtirol) beschränkt. Eine „Blut-und-Boden“-Ideologie, wie sie im Nationalsozialismus vorherrschte, liegt in diesem Zusammenhang zwar nahe, stellt aber keineswegs die einzige plausible Interpretationsmöglichkeit dar. In eine Südtiroler Familie einheiraten kann im Prinzip ja jeder, und nichts Gegenteiliges behauptet auch die Band. Gleichzeitig, und hier liegt der Schlüssel zum Interpretationsspielraum, stellt die symbolische Verbindung von Heimatliebe, ländlichem Lebensstil und Gemeinschaft auch die oben ausgeführte Assoziation eines per Definition rassistischen Nativismus offen.
- 49.
Ritzer 2004.
- 50.
Farin 2014, S. 50.
- 51.
Berkin 2006.
- 52.
Farin 2014, S. 77.
- 53.
Ebd., S. 51.
- 54.
Wie Felix Gnisa mündlich bemerkte, ließe sich die Abwehr der Zuschreibung als „rechts“ durch Zegga auch als (unbewusste) Kommunikationsstrategie interpretieren.
- 55.
Farin 2014, S. 97.
- 56.
Spier 2006.
- 57.
Hinzu kommen einige Fernsehbeiträge, siehe https://www.youtube.com/watch?v=YXGZ3FKdA4M; und https://www.youtube.com/watch?v=pbR9XpctC9s (Zugriff vom 28.11.2015).
- 58.
http://www.zeit.de/2012/20/A-Onkelz/seite-2 (Zugriff vom 28.11.2015).
- 59.
Vgl. http://m.20min.ch/schweiz/zuerich/story/Frei-Wild-Auftritt-sorgt-fuer--rger-12691385?redirect=mobi&nocache=0.6267635543513053 (Zugriff vom 16.07.2016). Beispiele findet man nicht nur im Zusammenbruch der DDR, sondern auch in einem bayerischen, baskischen oder schottischen Separatismus, der Kommunistischen Internationale oder einer Rückgabe der französischen Kolonien.
- 60.
Haase 2013.
- 61.
Farin 2014, S. 17.
- 62.
Haase 2013.
- 63.
Es geht da wohl eher um Kias und Hondas, aber so genau kennt der Kritiker seinen Gegenstand dann wohl doch nicht.
- 64.
Schneider 2015, S. 98.
- 65.
Schneider 2015, S. 74.
- 66.
Ziemann 2012, S. 72.
- 67.
Lessenich 2009, S. 224.
- 68.
Bescherer 2013, S. 14.
- 69.
Hierlmeier 2006.
- 70.
Joas, Knöbl, 2004, S. 28.
- 71.
Jörke, Selk 2015.
- 72.
Kant 1784.
- 73.
Beck 2004.
- 74.
Urban; Ehlscheid 2013.
- 75.
Nachtwey 2016.
- 76.
Engels 1962, 305.
- 77.
http://www.zeit.de/campus/2016-06/politisches-engagement-junge-linke-studenten-parteizugehoerigkeit (Zugriff vom 17.07.2016).
- 78.
Wellgraf 2012, S. 9.
- 79.
- 80.
Hall 2014, S. 116.
- 81.
Müller 2016, S. 131.
- 82.
Ebd., S. 20.
- 83.
Wenn jemand ein Flüchtlingsheim anzündet und die Exekutive und/oder Judikative nichts tun, müsste man im Sinne des Gemeinwohls offen diskutieren, was genau „auf Augenhöhe“ hier bedeuten soll.
- 84.
Rosa 2009, S. 222.
- 85.
Urban 2009.
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Seeliger, M. (2019). Populistische Popkultur – Warum die Band Frei.Wild ein Verunsicherungsphänomen darstellt. In: Verhandelte Globalisierung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26372-0_5
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