Im Folgenden wird die FMEA anhand der vom VDA beschriebenen Vorgehensweise vorgestellt. Dieser Ansatz kann derzeit zweifelsfrei als systematischster und universellster Ansatz zur FMEA-Anwendung bezeichnet werden. Seine Anwendung erfolgt nicht nur innerhalb der Automobilindustrie, sondern auch in nahezu allen anderen Branchen. Abb. 2.1 stellt die fünf Schritte der FMEA in Anlehnung an VDA 4 (2006) mit ihren Symbolen dar.

Abb. 2.1
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(Quelle: © Schloske 2018. All Rights Reserved)

Fünf Schritte der FMEA in Anlehnung an VDA 4 Kapitel 3 (2012).

FormalPara Schritt 0: Fokussierung, Teamzusammensetzung und Terminplanung
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Wie eingangs beschrieben, sollte die FMEA frühzeitig begonnen werden, um die Fehlerbehebungskosten möglichst gering zu halten. Der ideale Zeitpunkt für die System-FMEA ist, wenn das Funktionsprinzip festgelegt ist, aber noch kein Sicherheitskonzept entwickelt wurde. Die Konstruktions-FMEA sollte nach der Konzeptfestlegung noch vor der Detaillierung gestartet werden. Bei der Prozess-FMEA ist der ideale Zeitpunkt, wenn das Fertigungskonzept festgelegt ist, aber noch nicht mit der Beschaffung der Betriebsmittel begonnen wurde. Die Durchführung der FMEA erfolgt in interdisziplinären Teams mit Experten aus den für die Entwicklung und Produktion des Produktes relevanten Bereichen unter Leitung eines erfahrenen und idealerweise ausgebildeten FMEA-Moderators. Um eine reibungslose Kommunikation sicherzustellen, sollte die Teamstärke maximal 8 Personen nicht übersteigen. Der Moderator leitet die Sitzungen und dokumentiert die Ergebnisse. Für die im Rahmen der FMEA festgelegten Maßnahmen zur Risikominimierung werden Verantwortliche definiert und mit einem Fertigstellungsdatum terminiert.

FormalPara Schritt 1: Systemstrukturierung
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Im ersten Schritt erfolgt eine Systemstrukturierung. Dabei wird das Produkt bzw. der Prozess systematisch in einer Top-Down-Vorgehensweise in einzelne Systemelemente (Systeme, Baugruppen und Bauteile) und Schnittstellen zwischen den Systemelementen bzw. in wertschöpfende Prozessschritte und deren Einflussfaktoren (4 bis 6 Ms: Menschen, Maschinen, Material, Messmittel, Mitwelt, Methode) untergliedert. Eine Hilfe dabei können, sofern bereits vorhanden, Strukturstücklisten bzw. Prozessablaufpläne sein. Die daraus entstehende Systemstruktur wird als System- oder Strukturbaum bzw. Prozessstruktur oder Prozessbaum bezeichnet.

FormalPara Schritt 2: Funktionszuordnung
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Im zweiten Schritt erfolgt eine Funktionszuordnung. Dabei werden den System- bzw. Prozesselementen des Struktur- bzw. Prozessbaumes je nach FMEA-Art Funktionen, Produktmerkmale und Prozessmerkmale zugeordnet. Die funktionalen Zusammenhänge zwischen den System- bzw. Prozesselementen werden in einem Funktionsnetz dargestellt.

FormalPara Schritt 3: Fehler- oder Risikoanalyse
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Im dritten Schritt erfolgt eine Fehler- oder Risikoanalyse. Dazu werden anhand der Funktionen und Merkmale der System- bzw. Prozesselemente potenzielle Fehlfunktionen oder Fehler abgeleitet. Die Zusammenhänge (Hypothesen) werden in einem Fehlernetz dargestellt.

FormalPara Schritt 4: Maßnahmenanalyse und Risikobewertung
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Im vierten Schritt werden den Risiken aus dem dritten Schritt im Rahmen der Maßnahmenanalyse Vermeidungs- und Entdeckungsmaßnahmen zugeordnet. Anschließend werden die potenziellen Risiken (Hypothesen) in Bezug auf die Auswirkungen auf den Kunden (Bedeutung B), die Wahrscheinlichkeit des Auftretens (Auftreten A) und die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung (Entdeckung E) anhand von firmen- oder branchenspezifischen Bewertungstabellen bewertet.

FormalPara Schritt 5: Risikominimierung oder Optimierung
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Auf Basis der Risikobewertung werden für besonders risikobehaftete Komponenten bzw. Prozesse Verbesserungsmaßnahmen zur Risikominimierung oder Optimierung durchgeführt. In der Vergangenheit wurde das Risiko häufig an der sogenannten Risikoprioritätszahl RPZ festgemacht, die sich durch Multiplikation der drei Bewertungsfaktoren B, A und E ergibt (RPZ = B * A * E). Die Grenzen für ein Risiko reichten dabei von RPZ = 125 bis hin zu RPZ = 80; in Fällen mit sicherheitsrelevanter Auswirkung sogar bei RPZ = 40. Neuerdings werden zur Risikoermittlung sogenannte Risikomatrizen angewendet, die sich innerhalb der FMEA-Arten unterscheiden. Das Erarbeiten der notwendigen Verbesserungsmaßnahmen erfolgt in der Regel im interdisziplinären Team. Für die empfohlenen Verbesserungsmaßnahmen werden Verantwortliche zusammen mit einem Einführungstermin festgelegt. Grundsätzlich sind dabei fehlervermeidende Maßnahmen den fehlerentdeckenden vorzuziehen.

Die Ergebnisse der FMEA werden mithilfe eines Formblattes dokumentiert und dienen neben der Maßnahmenliste zur Kommunikation mit internen Personen und externen Kunden. Abb. 2.2 zeigt das FMEA-Formblatt nach VDA, wie es in der Automobilindustrie häufig eingesetzt wird. Auch, wenn das Unternehmen nicht in der Automobilindustrie tätig ist, ist es anzuraten, auf das VDA-Formblatt zurückzugreifen, da dieses bei der Darstellung (Beamerprojektion) und der Bearbeitung (Chronologie des Entwicklungsfortschrittes) entscheidende Vorteile bietet.

Abb. 2.2
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(Quelle: Fraunhofer-Institut IPA)

FMEA-Formblatt nach VDA.

Prinzipiell ist auch eine Erstellung der FMEA direkt im FMEA-Formblatt ohne die vorgelagerten Schritte der Struktur-, Funktions- und Risikoanalyse möglich. Dann besteht jedoch die Gefahr, dass nur bekanntes Wissen analysiert wird, oder dass eine Vermischung zwischen Fehler und Fehlerursache erfolgt. Im Falle einer alleinigen Erstellung im FMEA-Formblatt werden hohe Anforderungen und Kenntnisse der FMEA-Methodik an den FMEA-Moderator gestellt, damit derartige Fehler bei der Erstellung verhindert werden.

In den folgenden Kapiteln werden die unterschiedlichen Herangehensweisen und Bewertungen der drei verschiedenen FMEA-Arten näher beleuchtet.