Zusammenfassung
Dieser Beitrag blickt auf die Umweltpolitik Schleswig-Holsteins. Dargestellt ist die Implementierung der Wasserrahmenrichtlinie im Bundesland (WRRL, Richtlinie 2000/60/EG), mit besonderer Berücksichtigung der Verflechtung von regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Beachtung findet hierbei sowohl die institutionelle Struktur des Landespolitikfeldes wie auch der Einfluss der starken Prägekraft EU-europäischer Vorgaben auf nationale und regionale Strukturen der Umweltpolitik.
1 Einleitung: Umweltpolitik – eine kurze Vorstellung
Es besteht kein Zweifel: „Die Ökologie gehört zu Deutschland“ (Uekötter 2015, S. 10). Das zeigen beispielsweise das kontinuierlich hohe Interesse an der Verbesserung des Umweltschutzes innerhalb der Bevölkerung (BMUB 2015; Kuckartz und Rheinganz-Heintze 2006), sowie politische Maßnahmen wie der Atomausstieg und die Energiewende, eine ambitionierte Klimapolitik, die explizite Regelung von Mülltrennung und Abfallverwertung, ein engagierter Naturschutz und eine starke Umweltbewegung und Interessenvertretung auf nationaler und internationaler Ebene. Umweltpolitik hat sich in westlichen Demokratien etwa zu Beginn der 1960er Jahre zunächst als eine „Expertenpolitik“ herausgebildet (Schmidt 2013, S. 157; Knodt und Kohler-Koch 2000, S. 445). Expertise wird insbesondere benötigt, da Umweltpolitik das Wissen und Bewusstsein um komplexe Wirkprozesse zwischen Natur und Mensch voraussetzt, insbesondere um tatsächlich Schutz vor schädlichen Eingriffen zu bieten oder Verbesserung eines Zustands zu erwirken (Wey 1982, S. 11). Während in der Anfangsphase der Umweltpolitik auf ordnungsrechtliche Politikinstrumente zurückgegriffen wurde, findet nun ein erweitertes Steuerungsinstrumentarium Anwendung (Knieling und Roßnagel 2015). Als „am meisten internationalisiertes Politikfeld mit universellem policy tool-kit, Konzepten und Strategien“ (Andersen und Liefferink 1997, S. 19) sind umweltpolitische Entscheidungen selten allein lokal, regional oder national geprägt. Impulse für umweltpolitische Inhalte und Veränderungen gehen oftmals von Vorgaben der EU aus. Laut Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gehen rund 80 % der für Deutschland geltenden Umweltpolitik auf EU-Beschlüsse und Weisungen zurück (BMU o. J.; Joergens und Saerbeck 2016).
Der vernetzte Charakter der Ausgestaltung von Umweltpolitik über mehrere politische Ebenen führt dazu, dass EU-Umweltpolitik als „Patchwork“ politischer Instrumente, Prinzipien und Strategien beschrieben wird (Knill 2001, S. 119), was eine erhebliche Komplexität mit sich bringt. Die Ausgestaltung europäischer Mehrebenen-Politik geschieht in horizontaler und vertikaler Interaktion verschiedener politischer Akteure. Hierbei konzentriert sich die Interaktion in Teilen auf spezifische Themengebiete, in anderen Teilen auf die allgemeine Beschlussfindung innerhalb und zwischen bestimmten administrativen Grenzen; zu diesen Dynamiken der Umwelt-Governance sind eine Vielzahl wissenschaftlicher Beiträgen geschrieben worden (vgl. z. B. eine Übersicht hierzu bei Hoogh und Marks 2003). Bei einem solch hohen Maß an Verflechtung administrativer Ebenen und Umsetzungsstrategien besteht ein hoher Bedarf an Kompromissbereitschaft. Um eine Kohärenz von Zielen und Umsetzungsprozessen zu schaffen, gibt es Bemühungen um eine Harmonisierung der Politiken und Strukturen der EU Mitgliedsstaaten. Ein einheitlicher Zugang zu Umweltzielen innerhalb der EU-Länder, beispielsweise zur hier besprochenen Wasserrahmenrichtlinie, wird über eine Dynamik des „self-commitment“, über die Publikation von vage gehaltenen Rahmenrichtlinien, angeregt (Héritier 1999, S. 58). Diese von der Europäischen Kommission ausgehenden Rechtsakte definieren allgemeine Ziele und regulatorische Prinzipien, oftmals ohne konkrete Maßnahmen vorzugeben. So soll die Differenz zwischen den verschiedenen Standpunkten und Präferenzen der Mitgliedsstaaten überbrückt werden. Seit Beginn der 90er Jahre werden Zielvorgaben formuliert, deren Ausgestaltung auf nationaler Ebene vollzogen wird (Knill und Tonsun 2008, S. 160). Informelle Politikinstrumente sind die hierzu ergänzend veröffentlichten Strategiepapiere, Grün- und Weißbücher, die mit intensiven Konsultationsprozessen einhergehen und dabei helfen, Netzwerke und Koalitionen aus supranationalen und sub-nationalen öffentlichen und privaten Akteuren aufzubauen (Héritier 1999, S. 58).
Umweltpolitik ist von einem wenig beachteten Außenseiterprojekt zu einem Aufgabengebiet in der Mitte des politischen Systems gewachsen, wobei Umweltaspekte nicht nur in der Umweltpolitik im engeren Sinne behandelt werden, sondern in zahlreichen weiteren Politikfeldern berücksichtigt werden. Wichtig war hierfür die „Cardiff-Strategie“, die in den frühen 1990er Jahre eine Einbindung umweltpolitischer Gesichtspunkte in alle politischen Sektoren vorschlug; ein Prozess, der in Deutschland bereits in den 1970ern angestoßen worden war (Wurzel 2002, S. 12). Damit ist Umweltpolitik eine Querschnittaufgabe, gekennzeichnet durch ihre starken Interdependenzen mit anderen Politikfeldern, verschiedenen Akteursgruppen und Umsetzungs- und Handlungsebenen. Sie ist zum partizipativen Projekt gewachsen.
Partizipative Verfahren, in denen der Staat als „Interdependenzmanager“ auftritt, sind für umweltpolitische Regelungszusammenhänge immer wichtiger geworden (Genschel und Zangl 2007, S. 16; Walk 2008, S. 14 f.). Der Zuwachs an Beteiligungsverfahren in der Beschlussfassung wie auch Umsetzung von Umweltpolitik ist insbesondere auf die Beschlüsse der Aarhus Convention der Vereinten Nationen von 1998 zurückzuführen, wo Regeln für den Zugang zu Umweltinformation und Partizipation geregelt wurden (UNECE 1998). Aber auch das Weißbuch zum Europäischen Regieren, das ebenfalls die stärkere Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern vorsah (Weißbuch 2001), und diverse Grünbücher zu Umweltthemen der Europäischen Union (EU) haben zu einem Wechsel in der Dynamik von Entscheidungsfindung und politischer Umsetzung beigetragen.
Dieser Beitrag blickt auf die Umweltpolitik Schleswig-Holsteins. Dargestellt ist hier die Implementierung der Wasserrahmenrichtlinie im Bundesland (Richtlinie 2000/60/EG), mit besonderer Berücksichtigung der Verflechtung von regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Beachtung finden hierbei sowohl die institutionelle Struktur des Landespolitikfeldes wie auch der Einfluss der starken Prägekraft EU-europäischer Vorgaben auf nationale und regionale Strukturen der Umweltpolitik.
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) strebt eine einheitliche Wasserpolitik der Europäischen Union an, um die Wasserqualität ihrer Mitgliedsländer auf einen guten ökologischen Standard zu heben (siehe Abschn. 3). Der rechtlichen Umsetzung der WRRL ist in Deutschland eine Anpassung des Wasserhaushaltsgesetzes, der Landeswassergesetze sowie der Erlass diverser Verordnungen vorangegangen, die eine Europäisierung der Strukturen nationalstaatlicher Wasserpolitik bewirken (siehe Abschn. 3.1 und folgende). Mit der Implementierung der WRRL und ihrer Übernahme in deutsches Wasserrecht ändern sich Begriffsbestimmungen, Grundsätze und die Koordinierung länderübergreifender Gewässerbewirtschaftung, Zielbestimmungen für Oberflächengewässer und Grundwasser, Verlängerungs- und Ausnahmeregelungen sowie die Instrumente der Wasserpolitik (LAWA 2003, S. 3). Eine der meist besprochenen Änderungen ist die Einführung der ‚Flussgebietseinheit‘ als neuer administrativer Größe. Um räumliche Gegebenheiten und die Lebenswelt rund um europäische Wasserkörper – gemäß Art. 2, Nr. 10 WRRL ein einheitlicher und bedeutender Abschnitt eines Oberflächengewässers – so treffend wie möglich abzubilden, werden Entscheidungen zur Umsetzung von Vorgaben der WRRL auf der Ebene von Flussgebietseinheiten getroffen, innerhalb derer eine rege Beteiligung lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Akteure ersucht wird. Die Ebene der Governance wird hierbei aus Gründen der Effizienz an den jeweiligen Naturraum angepasst, was eine Neuorientierung politisch-administrativer Räume nach sich zieht (Newig und Fritsch 2009, S. 3; mehr hierzu in Abschn. 3). In Anbetracht der Tatsache, dass die natürliche Ressource Wasser lokale Besonderheiten aufweist – indem sie beispielsweise von unterschiedlichen Sektoren genutzt wird und verschieden stark beansprucht ist – scheint ein einheitlicher, europäischer Zugang nur in Zusammenhang mit einer Umsetzung auf Ebene der jeweils zu verändernden Wasserqualität realisierbar. Was dies nach sich zieht, ist im Folgenden dargestellt.
2 Zwischen Geest und Marsch, holsteinischem Hügelland und Küste – Umweltpolitik in Schleswig-Holstein
Im Zentrum der institutionellen Ordnung von Schleswig-Holsteins Umweltpolitik steht als oberste Landesbehörde das Umweltministerium. Es hat über die Jahre verschiedene Namen gesehen: MUNL (Ministerium für Umwelt, Natur und Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein, bis 2005), MUNF (Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein), MLUR (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume), MELUR (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume) – mit so gut wie jedem Regierungswechsel wurden die Namen und Aufgaben des Ministeriums verändert und zumeist erweitert. Mit dem Regierungsantritt der Küstenkoalition 2012 wurde dem Ministerium auch der wesentliche Teil der Energiewirtschaft-Organisation der erneuerbaren Energien sowie die Atomaufsicht zugeordnet. Seit 2017 ist die sog. Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP für die Regierung des Bundeslandes zuständig. Robert Habeck, der die Umweltpolitik Schleswig-Holsteins ab 2012 sechs Jahre lang prägte, wurde Anfang September 2018 von Jan Philipp Albrecht als Umweltminister abgelöst. In der Jamaika-Koalition kümmert sich das Ministerium nun auch um das Thema Digitalisierung. Es heißt nun Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND).
Dem Ministerium ist nach § 5 Abs. 2 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) das Amt für die Planfeststellung Energie zugeordnet, das für die Durchführung der Planfeststellung nach § 43 Energiewendegesetz (EnWG) zuständig ist (Erichsen 2015). Landesoberbehörden sind zum einen der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz des Landes Schleswig-Holstein (LKN-SH) und zum anderen das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR). Der LKN-SH ist der Dienstleiter für den Küstenschutz an Nord- und Ostsee mit seinen vorgelagerten Inseln und Halligen, für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, den Hochwasserschutz an der Elbe, Gefahrenabwehr und Gewässerunterhaltung und somit Küstenschutzbehörde, Hafenbehörde und Naturschutzbehörde (Erichsen 2015). Das LLUR mit seinen acht Abteilungen setzt sich ein für Landwirtschaft, gewerbliche Fischerei und Angelfischerei, Schutz der Gewässer und die Ordnung des Gewässerhaushalts, die Bewahrung und Entwicklung der Natur in SH, die Erfassung und Bewertung von Geopotenzial und Georisiken, Immissionsschutz und Abfallentsorgung sowie die Gestaltung und Entwicklung ländlicher Räume (Erichsen 2015; LLUR 2015). Weiterhin gehört das Landeslabor des Landes SH (Lebensmittel-, Veterinär- und Umweltuntersuchungen) nach § 6 LVwG zu den Landesoberbehörden. Untere Landesbehörde (§ 7 LVwG) ist die Untere Forstbehörde im Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (Erichsen 2015). Rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist die Anstalt Schleswig-Holsteinische Landesforsten, mit Aufgabe der Bewirtschaftung der landeseigenen Wälder unter gleichzeitiger Erbringung umfangreicher Gemeinwohlleistungen (Erichsen 2015). Nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist das Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume, das sich der Fort- und Weiterbildung zu Natur- und Umweltschutz, Bildung für nachhaltige Entwicklung und der Entwicklung ländlicher Räume widmet (Erichsen 2015). Involviert in Umweltpolitik sind weiterhin die Kreisbehörden Schleswig-Holsteins, die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein sowie Verbände und Vereine. Landwirtschaftskammern existieren aus historischen Gründen nur in einigen nördlichen und westlichen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland). Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, mitgliedschaftlich verfasst und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder (SRU 2015, S. 328).
Umweltpolitik wird in diesem institutionellen Kontext, wie einleitend angedeutet, sowohl von landes-, bundes-, als auch EU und internationaler Ebene ausgehend betrieben. Nach einer Föderalismusreform im Jahr 2006 wurden die Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu geordnet, was für die Länder neue Kompetenzen bedeutete. Diese Reform reagierte auch auf Ineffizienz bei der Umsetzung von EU Vorgaben in Bund und Ländern. In die konkurrierende Gesetzgebung wurden in diesem Zuge umweltpolitisch relevante Themen der Naturschutz und Landschaftspflege, Bodenverteilung und Wasserhaushaltes überführt. Zu diesen Themenbereichen, mit Ausnahme der allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, des Rechts auf Artenschutz sowie des Meeresschutzes, können die Länder auch eigenen Gesetze erlassen. Im Folgenden sind die im Rahmen der Implementierung der Wasserrahmenrichtlinie neu bestehenden Kompetenzen von EU, Bund, Ländern sowie Bürgerinnen und Bürgern aufgeschlüsselt. Hierbei ist zu beachten, dass neue administrative Einheiten, die von der EU vorgegeben wurden, zu einer weiteren politischen Interaktionsebene führen, was dieses Beispiel als herausragendes Beispiel einer stark partizipativen Umweltpolitik im Mehrebenensystem besonders interessant macht.
3 WRRL: Implementierung von Brüssel bis Kiel
Europas Gewässer waren in einem schlechten Zustand als die Wasserrahmenrichtlinie in Kraft trat. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, einen einheitlichen Rahmen zu schaffen, der dem Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers in Europa dient. Ein guter Wasserzustand wird unter Einbeziehung der Öffentlichkeit innerhalb von Maßnahmenprogrammen sowie Bewirtschaftungsplänen bis 2027 angestrebt. Der Erfolg der WRRL, den Zustand des Wassers zu verbessern, hängt dabei entscheidend von der Bereitschaft zur Zusammenarbeit über Länder- und Staatsgrenzen hinweg ab (LAWA 2003). Eine besondere Herausforderung stellt hierbei die europäische Zielsetzung einer regionalen und lokalen Umsetzung dar, wobei regionale Besonderheiten und europäische Gemeinsamkeiten miteinander vereinbart werden sollen. Aus Verwaltungssicht kam das Problem hinzu, dass die bestehenden administrativen Strukturen teilweise nicht passgenau für die Umsetzung der Richtlinie waren.
In allen europäischen Mitgliedsländern und somit auch im bundesdeutschen Wasserrecht und der Wasserpolitik hat die Implementierung der WRRL zu weitreichenden Änderungen, insbesondere institutioneller und prozeduraler Natur geführt. Dass die Länderkompetenzen und -zuständigkeiten auf die europäische Ebene verlagert worden sind und Prozesse der politischen Umsetzung administrative Neugestaltung erforderlich machen, sind typische Phänomene der Europäisierung (Radaelli 2004). Auch die Bundesrepublik und Schleswig-Holstein verzeichnen umfassende Neustrukturierungen, die im Folgenden thematisiert sind. Ein flächendeckend „guter Wasserstatus“ wurde bislang in Schleswig-Holstein nicht erreicht; ebenso wenig ist dies in anderen Teilen Deutschlands oder anderen EU-Mitgliedsländern der Fall. Was jedoch ohne Zweifel erreicht wurde, ist eine intensive Zusammenarbeit verschiedener Akteursgruppen, ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Ausgangspositionen und Ziele sowie eine Interaktions- und Beteiligungspraxis, die die tatsächliche Lebenserfahrung von Wasserressourcen berücksichtigt.
3.1 WRRL: Grundlagen und mitgliedsstaatsübergreifende Regelungen
Die WRRL zieht einige grundlegende Neuerungen im Bereich der Handhabung von Wasserpolitik nach sich: Für die Grund- und Oberflächengewässer innerhalb von EU-Grenzen wird bis 2015 ein einheitliches Schutzniveau (der sogenannte „gute Zustand“, Art. 2. Abs. 20 WRRL) angestrebt. Die Bewirtschaftung der Wasserressourcen soll über Maßnahmenprogramme (Art. 11 WRRL) und Bewirtschaftungspläne (Art. 13 WRRL) erfolgen bzw. nachvollziehbar strukturiert sein. Bewirtschaftungspläne müssen spätestens neun Jahre nach Inkrafttreten der WRRL veröffentlicht werden. Sie werden alle sechs Jahre angepasst (LAWA 2003). Sie beinhalten eine Beschreibung einer Flussgebietseinheit, inklusive einer Auflistung der zuständigen Behörden, Maßnahmen zur Anhörung der Öffentlichkeit, Belastungszustand und Umweltziele sowie einer wirtschaftlichen Betrachtung des Naturraums (ebd.). Im Bewirtschaftungsplan sind unter anderem eine Einschätzung des Erfolgs von Maßnahmen, beziehungsweise gegebenenfalls der Misserfolg einer Maßnahme anzugeben. Außerdem ist hier die Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen darzustellen und regelmäßig zu dokumentieren. Für die an der Bewirtschaftung der Flussgebietsebenen Beteiligten, sowie auch für die Kommission, ist der Bewirtschaftungsplan somit auch ein Instrument der Kontrolle, des Monitorings und der Berichterstattung. Maßnahmenprogramme konkretisieren, wie die Ziele für diese Flussgebietseinheiten erreicht werden sollen. In einem Rhythmus von sechs Jahren müssen der Bewirtschaftungsplan und das Maßnahmenprogramm verfasst und eingereicht werden, was über digitale Berichterstattung an die EU-Kommission erfolgt. 109 bundesweit einheitliche Maßnahmenarten dienen zur Orientierung in den Planungsräumen der Bundesländer. Diese sind von der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erarbeitet und vorgestellt worden, damit die Maßnahmenprogramme der Länder vergleichbar sind und die komplexe Struktur der Richtlinie anschaulicher kommuniziert wird (LAWA 2003). Eine weitere Neuerung stellt die Einführung von Flussgebietseinheiten (Art. 3 WRRL) als Aktionsebene dar. Letztere machen eine veränderte institutionelle Aufstellung zur Bearbeitung und Umsetzung der WRRL erforderlich, die von der bislang gehabten abweicht. Die Umsetzung der WRRL erfordert eine multi-skalare Neuerung über die Einführung der neuen räumlichen Interaktionsebene, der Flussgebietseinheit. Ziel dieser Re-Skalierung ist es, eine Konzentration auf die Ressource zu schaffen und effektiver an einer Verbesserung der Wasserqualität arbeiten zu können (Moss 2004, S. 87; Moss und Newig 2010, S. 1–6). Zusätzlich ist es so, dass nicht staatliche Akteure und auch die breite Öffentlichkeit systematisch über partizipative Entscheidungs- und Beratungsverfahren in die Umsetzung der Richtlinie, insbesondere der Bewirtschaftungspläne, einzubeziehen sind (Art. 14 Abs. 1. WRRL).
3.2 WRRL: Implementierung auf Bundesebene
Die große Föderalismusreform zur Neuordnung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern, die am 1. September 2006 in Kraft getreten ist, hat die Rahmengesetzgebung in eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz überführt, um eine bundesweit einheitliche Umsetzung europäischer Vorgaben im Wasserrecht zu ermöglichen. Somit hat der Bund nun nach Art. 72 Abs. 1 GG volle Gesetzgebungskompetenz, wobei Einschränkungen aufgrund von Abweichungsmöglichkeiten nach Art. 72 Abs. 3 möglich sind. Auf diese notwendige Harmonisierung im Wasserrecht folgten grundlegende Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG, 31. Juli 2009) und in den Landeswassergesetzen. Auch durch Erlass von Landesverordnungen ist die Wasserrahmenrichtlinie in Deutschland umgesetzt worden. Auf nationalstaatlicher Ebene gehören zur Umsetzung der WRRL das Bundesumweltministerium (BMU), das Umweltbundesamt (UBA) wie auch die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA). Zum Start der Implementierung der WRRL befinden sich die meisten deutschen Gewässer nicht in dem von der EU gewünschten „guten Zustand“ (UFZ 2010, S. 8). Viele Bundesländer mussten an mehr als 80 % der Länge ihrer Fließgewässer einen Antrag auf Fristverlängerungen einreichen, da erforderliche Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen nicht angemessen umgesetzt werden können. Die Umsetzung europäischer Vorgaben zur Wasserpolitik wird im Folgenden für Schleswig-Holstein beschrieben.
3.3 Zur Umsetzung der WRRL in SH
Da die Wasserpolitik der Länder bislang hoch formalisiert und mit starkem Rechtsbezug abgelaufen ist (s. o.), besteht in den meisten Bundesländern wenig Erfahrung in Sachen informeller Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung auf diesem Gebiet (Moss 2004, S. 90). Schleswig-Holstein änderte sein Landeswassergesetz mit Bezug auf die EG-WRRL am 11. August 2003. Der erste sechsjährige Bewirtschaftungszeitraum zur Umsetzung dauerte vom 21. Dezember 2009 bis zum 21. Dezember 2015. Der zweite Bewirtschaftungszeitraum begann am 22. Dezember 2015 und endet am 21. Dezember 2021. Ein frühzeitiger Maßnahmenbeginn erleichtert es, Fristen für die Zielerreichung einzuhalten, was in Schleswig-Holstein früh erkannt worden ist. Hier wurden mit der ersten Bestandsaufnahme vorgezogene Maßnahmen zur Umsetzung der WRRL durchgeführt (SRU 2008, S. 466). Hierbei handelte es sich um Maßnahmen zur Förderung der Durchgängigkeit, der Verbesserung der Gewässerstrukturen und Maßnahmen zur Reduzierung von Nährstoffeinträgen und zur Verbesserung des Stoffrückhalts in Gewässern (MELUR 2012, S. 9). Die Finanzierung der Maßnahmen in Schleswig-Holstein setzt sich aus Fördermitteln des Bundes aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK), EU-Geldern im Rahmen des ELER-Programms, Landesmitteln aus den Wassernutzungsabgaben und einer finanziellen Beteiligung der Wasser- und Bodenverbände zusammen (Bruns 2010, S. 142; MLUR 2008, S. 12).
An der Verwaltungsstruktur sowie den Zuständigkeiten der Behörden, die mit wasserwirtschaftlichen Aufgaben betraut sind, ändert sich in Schleswig-Holstein infolge der Umsetzung der WRRL wenig (Bruns 2010, S. 145). Die Planung und der Umsetzungsprozess der WRRL laufen in Schleswig-Holstein im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) zusammen, das für die Erstellung und Abgabe der Maßnahmenpläne verantwortlich ist. Das Landesamt für Natur und Umwelt (LANU) nimmt eine Hilfsrolle ein und betreut, gemeinsam mit dem MELUR, die partizipativen Prozesse, wobei Interessierte und Betroffene direkt an der Planung und Festlegung von Maßnahmen zur Umsetzung der WRRL beteiligt sind (MELUR 2012). Beide sind Teil der Flussgebietsbeiräte, ebenso wie Vertreter des Landwirtschaftssektors, der Industrie und Umwelt. Naturgemäß treffen im Aufgabengebiet des Ministeriums verschiedene Interessenlagen aufeinander, die auf einen Nenner gebracht werden sollen. Mit Blick auf Ziel- und Interessenskonflikten der Arbeits- und Aufgabenbereiche Umwelt- und Naturschutz-, Agrar-, Fischerei- und Klimapolitik sowie der Digitalisierung sind Aushandlungsprozesse unabdingbar. Mit Bezug auf die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erfuhren die Aushandlungsstrukturen eine Erweiterung, nämlich die beschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit rund um die neu eingeführte administrative Ebene der Flussgebietseinheit (siehe Abschn. 3.4 und folgende).
Das Landesamt für Natur und Umwelt (LANU) startete 2002 eine Informationskampagne zu den Inhalten und Anforderungen der WRRL, zuzüglich wurden Workshops abgehalten, um eine möglichst gute Vorbereitung auf die Beteiligungsprozesse zu gewährleisten. Für eine möglichst transparente Planung steht seit 2006 die zentrale Maßnahmendatenbank I Schleswig-Holstein online, in welcher der Planungsstand einsehbar ist. Lediglich die lokale Maßnahmenplanung bleibt SH-landesintern und aufgrund personenbezogener Daten von Landeigentümern unveröffentlicht (MELUR 2013, S. 2).
2002 wurde in Schleswig-Holstein eine Prüfung der Qualitätsstandards der Wasserkörper durchgeführt. Etwa 98 % der Gewässer haben zu diesem Zeitpunkt den Standards der Wasserrahmenrichtlinie nicht entsprochen, was insbesondere an Flussbegradigungen und hohen Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft liegt (MELUR 2012, S. 7). 95 % der Seen verfehlten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die Ziele der WRRL aufgrund der hohen Nährstoffbelastung (Bruns 2010, S. 129). Dies entspricht durchaus dem BundesdurchschnittFootnote 1, was eine Zielerreichung des von der WRRL angestrebten guten Gewässerzustands von Beginn der Implementierung an stark erschwert hat (Bruns 2010). Die Ursachen dieser Probleme sind in SH vor der Umsetzung der WRRL bereits im Fließgewässerkonzept und Seenschutzkonzept, dem Niedermoorprogramm (Trepel 2007, S. 65) sowie dem Gesamtplan Grundwasserschutz angegangen worden. Die Umsetzung der WRRL erlaubt jedoch nur in Teilen ein Anknüpfen an diese bestehenden Regelungskonzepte, wie im Folgenden beschrieben ist.
3.4 Institutionelle Neuerungen zur Umsetzung der WRRL in SH
Die WRRL sieht einen neuen territorialen Interaktionsraum vor (Flussgebietsebene, Art. 3 WRRL) neben einem bestehenden institutionalisierten administrativen Entscheidungssystem – den Ländern – die bislang für Wasserpolitik innerhalb ihrer Grenzen zuständig waren und sich nun mit neuen Akteuren und unklaren Zuständigkeiten konfrontiert sehen. Die Implementierung von Wasserpolitik und Wassermanagement unter der WRRL führte zu einer Einführung neuer Planungseinheiten in Schleswig-Holstein. Ebenso wie in anderen Bundesländern entsprachen die Regelungsräume von Wasserpolitik in Schleswig-Holstein vor der WRRL den administrativ-politischen Grenzen zwischen Bundesländern, Kommunen und Stadtgrenzen. Ausnahmen bildeten hierbei die Wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne (Richtlinien für die Aufstellung von wasserwirtschaftlichen Rahmenplänen, GMB1. 1984 Nr. 16, S. 239). Da die Regionalplanung in Schleswig-Holstein bis dato fast ausschließlich von der Landesebene beeinflusst wurde, war die regionale Ebene institutionell vergleichsweise weniger auf eine neue administrative Regelung vorbereitet (Bruns 2010, S. 24). Die ökologischen Raumgrenzen und Beteiligungsräume wurden bei der Neugestaltung der Regelungsräume so gesetzt, dass die Umsetzung der WRRL, der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie, vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG), der Vogelschutzrichtlinie (vom 2. April 1979, 79/409/EWG) und der Hochwasserrichtlinie (Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, 2007/60/EG, 23. Oktober 2007) aufeinander abgestimmt werden können.
Die Wasserkörper (WK) Schleswig-Holsteins wurden auf Ebene von zehn Planungseinheiten (PE) zusammengefasst, von denen zwei länderübergreifend mit Mecklenburg-Vorpommern respektive Hamburg sind, was eine Zusammenarbeit zwischen Bundesländern erforderlich macht (MELUR 2013, S. 2). Weiterhin erfolgte eine Zusammenfassung dieser PE auf Ebene der Flussgebietseinheiten (FGE). Diese beiden Ebenen (Planungseinheit und Flussgebietseinheit) wurden in das Maßnahmenprogramm Schleswig-Holsteins aufgenommen und der Öffentlichkeit zur Anhörung vorgelegt, inklusive der Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) (MELUR 2013, S. 3). Drei Flussgebietsbeiräte wurden festgesetzt, die für die in Abb. 1 aufgezeigten Flussgebietsebenen Maßnahmenpläne erarbeiteten und sich halbjährlich zum Informationsaustausch treffen (Bruns 2010, S. 145). Die Flussgebietsbeiräte sind aus etwa 70 Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen zusammengesetzt. Für jede Flussgebietseinheit sind wiederum 34 Bearbeitungsgebiete und Arbeitsgruppen von sechs bis zehn Personen eingerichtet worden, die von den Wasser- und Bodenverbänden (WBV) geleitet wurden (Bruns 2010, S. 147). In den WBV sind größtenteils Landbesitzer, insbesondere Landwirte, organisiert, die vom Ministerium als „wichtiger Kooperationspartner (oder mächtiger Gegner, falls eine Kooperation nicht zustande kommt) angesehen“ (Bruns 2010, S. 147) werden. Die Zuteilung der Leitung von Flussgebietsbeiräten und Arbeitsgruppen sorgte in SH für Konflikte. Koordinierungsaufgaben waren zunächst rein staatlich besetzt gedacht worden und sollten von den Staatlichen Umweltämtern (StUA) übernommen werden. Die Landkreise schlugen 2001 vor, die Bearbeitung zu übernehmen und eine stärker kommunale Prägung zu erreichen. Teile der Vollzugsaufgaben der StUA wären damit auf sie übertragen worden. 2002 wurde festgelegt, dass die Koordination der Flussgebietsbeiräte durch das MELUR mit den StUA und die Leitung der Arbeitsgruppen durch die Wasser- und Bodenverbände (WBV) erfolgen sollte. Als Reaktion blieben Landkreistag und Städtetag den Arbeitsgruppen fern (Bruns 2010, S. 147 ff.).
Die Einladung zur Teilnahme an den regionalen Arbeitsgruppen ging vom MELUR aus. Die Koordination der Umsetzung der WRRL in den Flussgebieten und den Flussgebietsbeiräten übernahmen die Staatlichen Umweltämter (StUA) (Bruns 2010, S. 145). Eine Übersicht der Mehrebenenstruktur und Aufgabenverteilung gibt Tab. 1.
4 Abschlusskommentar
Mittlerweile befindet sich Schleswig-Holstein im zweiten Bewirtschaftungszeitraum und hat mit Vorbereitungen für den dritten Bewirtschaftungszeitraum begonnen. Gesamteuropäisch hat die Implementierung der WRRL zu unterschiedlichen Beteiligungsverfahren geführt. Ein europaweit guter Gewässerzustand ist hierbei weitestgehend nicht erreicht worden. Verantwortlich für dieses unbefriedigende Ergebnis, das sich laut Prognosen auch im kommenden Bewirtschaftungszeitraum nicht verbessern wird, sind Vollzugs- und Umsetzungsdefizite, Kohärenzdefizite mit anderen EU-Rechtsakten, ausgiebige Nutzung der Ausnahmeregelungen und Gestaltungsdefizite (vgl. z. B. Boeuf et al. 2016; Kochskämper et al. 2016). In einem Infobrief zum Stand der Umsetzung in Schleswig-Holstein heißt es außerdem, dass das „one-out-all-out-Prinzip“ – was bedeutet, dass die schlechteste Komponente die Gesamtbewertung bestimmt – ebenfalls zu dem schlechten Bewertungsstand beiträgt (MELUR 2016). Hauptbelastung in Schleswig-Holstein sind die morphologischen Veränderungen durch Begradigungen sowie zu hohe Nährstoffeinträge im Grundwasser (MELUR 2016, S. 2). Demnach richten sich die meisten Maßnahmen auch auf diese Umstände, beispielsweise durch Strukturverbesserungen, die sich positiv auf die Fischfauna im Bundesland auswirken oder durch Randstreifen und Sandfänge, die Schutz vor diffuser Belastung der Gewässer und einer erhöhten Sandfracht an der Sohle bieten (MELUR 2016, S. 5). Unter www.schleswig-holstein.de/wanis sind alle Ergebnisse der Nährstoffüberwachung für Grundwasser, Fließgewässer und Seen, Frachten aus dem Binnenland in Nord- und Ostsee sowie die berichtspflichtigen Wasserkörperinformationen öffentlich zugänglich (ebd.)Footnote 2.
Eine intensivere Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Entscheidungsprozess kann die Brücke zwischen auf der EU-Ebene ausgehandelten Gesetzesentwürfen und einer Umsetzung auf nationaler Ebene und in regionalen wie lokalen Kontexten schlagen und somit potenziell eine effektivere Politik begünstigen (Newig und Fritsch 2009, S. 2). Aus Analysen der Implementierung der WRRL in Schleswig-Holstein geht hervor, dass gerade die Beteiligungsstruktur zu hoher Akzeptanz und damit höchstwahrscheinlich einer vergleichsweise effektiven Umsetzung führt (Kochskämper et al. 2016; Buelow 2017). Im Bundesland ist zur Umsetzung der WRRL ein institutioneller Handlungskontext geschaffen worden, der über das allgemeine Gebot der Beteiligung hinausgeht (Bruns 2010, S. 149). Anders als viele andere Bundesländer hat Schleswig-Holstein das EU-Gebot zur Förderung der „aktiven Beteiligung“ aufgenommen (Bruns 2010, S. 128). Die Differenzierung der Maßnahmenplanung über verschiedene Bearbeitungsebenen zeigt die Bemühungen auf, möglichst viel lokales Wissen in den Implementierungsprozess der WRRL einzubeziehen. Es wurde angenommen, dass eine solche breite Partizipation und die einvernehmliche Arbeit am Maßnahmenprogramm eine höhere Akzeptanz der Maßnahmen und eine bessere Umsetzung garantieren. Das ist bis dato der Fall (MELUR 2013, S. 4). Das MELUR moderiert und motiviert die Umsetzung im Bundesland, kanalisiert Informationen der beteiligten Ressorts, verwaltet den Kontakt zwischen allen beteiligten Akteuren und koordiniert die Flussgebietsbeiräte und Arbeitsgruppen. Für die Arbeit in den Arbeitsgruppen der Bearbeitungsgebiete und für die Flussgebietsbeiräte sind die Wasser- und Bodenverbände ähnlich einflussreich. Diese Stellung haben die WBV vor allem aufgrund ihrer Kompetenzen erworben, was vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass in den Arbeitsgruppen viele Ehrenamtliche mit unterschiedlichem Kenntnisstand partizipieren, wichtig ist für eine effiziente und effektive Bearbeitung (Bruns 2010, S. 153 f.). Die bis heute im bundesdeutschen Vergleich hohe Bereitschaft zur Kooperation und ambitionierten Umsetzung der WRRL-Vorgaben in der schleswig-holsteinischen Umweltpolitik schaffen gute Bedingungen für die Vorbereitungen des dritten Bewirtschaftungszeitraums (2022–2027), wozu für Dezember 2018 formale Beteiligungsverfahren an Planung und Umsetzung angesetzt sind.
In Betrachtung der Implementierung der WRRL in Schleswig-Holstein zeigt sich eine große Bereitschaft zur innovativen Governance im Sinne der Ressource – auch wenn dies nicht immer der einfachste Weg ist, wie die komplexe Neuorganisation von Wassermanagement auf Flussgebietseinheit zeigt. Charakteristisch für umweltpolitische Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse ist die Implementierung der WRRL insofern, als dass sie einerseits die hohe Verflechtung verschiedener administrativer Ebenen, die Beteiligung der Öffentlichkeit und die damit verbundenen Lernprozesse sowie die verschiedenen Implikationen von Interessenskonflikten und Aushandlungsprozessen verdeutlicht, die Umweltpolitik allgemein kennzeichnen.
Notes
- 1.
Vgl. UFZ Newsletter (2010): Die ehrgeizigen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie – es ist noch viel zu tun, http://www.ufz.de/export/data/global/28837_ufz_newsletter_06_2010_.pdf, S. 8. Zugegriffen: 3. April 2012.
- 2.
Für eine ausführliche Darstellung aller unternommenen Maßnahmen und deren Wirkung: vgl. MELUR 2016 sowie die Webseite des MELUND.
Literatur
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Bülow, F. (2019). Wasserpolitik in Schleswig-Holstein: Ein Beispiel von Umweltpolitik im Mehrebenensystem. In: Knelangen, W., Boyken, F. (eds) Politik und Regieren in Schleswig-Holstein. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25748-4_14
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