Zusammenfassung
Communities sind spezielle Netzgemeinschaften, die sich zu allen erdenklichen Themen bilden. Ihre Kommunikationsbedingungen sind labil und das sichtbare Kommunikationsverhalten hinterlässt häufig einen paradoxen Eindruck. Anhand von zehn ausgewählten Merkmalen werden Besonderheiten der in Communities gepflegten Kommunikation sowie die veränderten raum-zeitlichen Bedingungen telemedialer Kommunikation vorgestellt. Die Abhandlung betont die emanzipierende Wirkung telemedialer Settings. Die den Beratungsprozess moderierenden Fachkräfte sehen sich mit veränderten Rollenerwartungen und den erheblich anderen Wirkungen schriftlicher Kommunikation konfrontiert. Kompetenzen im Umgang mit Text sind vorgängig, wenn es zu Überlegungen kommt, welche Interventionstechniken in den Schriftraum übersetzt (transponiert) werden sollen.
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Notes
- 1.
Funiok und Schmälzle (1999). Mit der Wahl des Antonyms ‚physikalisch – virtuell‘ wird die Problematik des Begriffspaares ‚real – virtuell‘ umgangen, das zur Bildung der (bedeutungsleeren) Tautologie ‚reale Realität‘ beitrug und im allgemeinen Sprachgebrauch dazu führte, ‚virtuell‘ mit ‚irreal‘ gleichzusetzen.
- 2.
Indem bei der Registrierung geprüft wird, ob der gewünschte Nickname bereits existiert.
- 3.
Die Metapher bleibt auch bei telemedialer Kommunikation passend, weil es die Hand ist, die schreibt.
- 4.
Shannon und Weaver (1976) betonen in ihrer technisch-mathematischen Kommunikationstheorie, dass jeder Kanal eine potentielle Störquelle ist. Folglich ist die f2f-Kommunikation wegen des gleichzeitigen Einbezugs aller Kanäle (media richness) störanfälliger als die auf den Schriftkanal ‚reduzierte‘ Kommunikation. Reduktion führt nicht zwangsweise zu defizitären Verhältnissen, sondern zu reduzierter Komplexität.
- 5.
Ausnahmen bilden Foren, die nur den Startbeitrag zeigen, während das Lesen der Antworten eine Registrierung erfordert.
- 6.
„Schon allein das Wort ‚behandeln‘ impliziert eine Ungleichheit“ (Yalom 2003, S. 310).
- 7.
„Der Klientbegriff wird keinem Menschen gerecht“ (Eugster 2000, S. 97).
- 8.
Etymologisch geht die Metapher vermutlich auf das Verhalten der Mönche zur Zeit des Mittelalters zurück, die die deutsche Übersetzung lateinischer Ausdrücke zwischen die Zeilen zu schreiben pflegten.
- 9.
Die hier formulierten Einschränkungen gelten auch für gesprochene (Beratungs-)Kommunikation, wenn in Anspruch genommen wird, im Anderen lesen zu können wie in einem Buch. Es gilt: jede/r liest anders.
- 10.
Einen Überblick über die wichtigsten Methoden liefert Tepe (2011).
- 11.
- 12.
z. B. durch das von den 16 Bundesländern finanzierte Online-Beratungsangebot für Eltern und Jugendliche (www.bke-beratung.de).
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Thiery, H. (2019). Fachliches Neuland: Psychosoziale Beratung in Communities. In: Rietmann, S., Sawatzki, M., Berg, M. (eds) Beratung und Digitalisierung. Soziale Arbeit als Wohlfahrtsproduktion, vol 15. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25528-2_11
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