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Purpose-Marketing: Unternehmen als Sinn- und Wertelieferanten

Zu einer neuen und alten Entwicklung im Marketing

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Book cover Marken als politische Akteure

Zusammenfassung

Dieser Beitrag geht am Beispiel des aktuellen Purpose-Marketings der Frage nach, ob es für Unternehmen sinnvoll ist, öffentlich mit Sinn zu werben. Bei dieser Art des Marketings wird nicht nur vom Konsumenten eine bestimmte Werthaltung (Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit, Anstand etc.) erwartet, sondern man reklamiert, selbst diese Werte aus innerem Antrieb heraus zu vertreten und auch zu leben. Dies tun die Unternehmen, so die These von Jo Reichertz, um eine vertrauenserweckende Firmenidentität und auf diesem Wege einen Marktvorteil gegenüber Konkurrenten zu erlangen. Konnte diese Marketingstrategie in den 1990er Jahren noch gewisse Erfolge verbuchen, so kann angesichts des offensichtlichen Fehlverhaltens vieler großer Unternehmen seit den 2010er Jahren diese Art des Marketings immer weniger Kommunikationsmacht entfalten. Die Kunden betrachten moralisch aufgeladene Marketingstrategien nämlich zunehmend als Fassadenkommunikation, als besondere Form von Fake News.

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Notes

  1. 1.

    Wenn hier von „Sinn“ gesprochen wird, ist nicht der Sinn oder die Bedeutung von Wörtern oder Äußerungen gemeint (Frege 1976; auch Rommerskirchen 2018b), sondern ein symbolischer, übergreifender, die Transzendenz berührender gemeinschaftlicher Sinn gemein (siehe hierzu meine Ausführungen im Folgenden).

  2. 2.

    Da es sich hier um sozialtheoretische Überlegungen handelt, tauchen die Faktoren „Macht“ und „Geld“ nur indirekt auf. Im Rahmen einer konkreten Gesellschaftstheorie müssen diese Größen natürlich behandelt und berücksichtigt werden: Werte und natürlich auch Normen werden in konkreten Gesellschaften nur im Ausnahmefall auf einer Agora, also auf einem Marktplatz, auf dem jeder gleiches Rederecht hat, ausgehandelt. In der Regel werden sich stattdessen die Gruppen, die über Macht und finanzielle Mittel verfügen, massiver und nachhaltiger an der Debatte beteiligen (können), während andere Gruppen sich ihr entziehen beziehungsweise einen anderen Diskurs eröffnen.

  3. 3.

    Der aktuelle Purpose von Volvo lautet: „Autos werden von Menschen gefahren. Das Leitprinzip hinter allem, was Volvo tut, ist daher die Sicherheit der Fahrzeuginsassen und aller anderen Verkehrsteilnehmer. Dieses Statement der Volvo Gründer bestimmt unser Denken und Handeln bis heute – und beeinflusst viel mehr als nur unsere Sicherheitskonzepte.“ (https://www.volvocars.com/de/volvo/mehr-volvo/markentradition [Zugegriffen: 20.10. 2018]).

  4. 4.

    Der Anteil der LOHAS und derer, die weitgehend die Werthaltungen und die Konsumorientierung übernommen haben, betrug im Jahr 2015 zusammen 28,4 %. Damit ist deren Anteil seit 2007 um rund ein Viertel gewachsen (Statista 2018).

  5. 5.

    Da die LOHAS im High-End-Segment konsumieren, ist es verständlich, dass sie mit öffentlicher Entschiedenheit KIK wegen des Einsatzes von Kinderarbeit boykottieren, bei Daimler und Audi aber stillschweigend eine Ausnahme machen. Auch bei der Bewertung der oben zitierten GfK-Studie, laut der etwa die Hälfte der Kunden*innen die Ethik und Moral der Anbieter bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen, sollte man skeptisch sein: Das Ergebnis könnte Resultat des in der Umfrageforschung bekannten Phänomens der sozialen Erwünschtheit (Social-Desirability-Response-Set) sein. Demnach tendieren Befragte dazu, Fragen nicht nach der „wahren“ persönlichen Einstellung zu beantworten, sondern entsprechend der sozialen Normen, von denen die Antwortenden annehmen, dass sie von ihnen erwünscht sind.

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Reichertz, J. (2019). Purpose-Marketing: Unternehmen als Sinn- und Wertelieferanten. In: Kemming, J., Rommerskirchen, J. (eds) Marken als politische Akteure. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25364-6_4

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