Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund der in diesem Band vorgestellten Beispiele polizeilicher Netzwerkarbeit wird in diesem abschließenden Kapitel nochmals deutlich gemacht, dass kooperative Sicherheitsarbeit nachhaltig nur gelingen kann, wenn sie in den Dienststellen, d. h. ihrer formalen Organisation aber auch ihrer Organisationskultur, gut verankert werden. Dies zu gewährleisten ist die Aufgabe des mittleren Managements, des höheren Dienstes. Auf der Grundlage eines soziologisch informierten Organisationsverständnisses wird deshalb das Konzept der „Dienststellen-Entwicklung“ vorgeschlagen. Es wird zugleich deutlich gemacht, dass dieses Unterfangen anforderungsvoll ist. Im Rahmen einer Typologie von Führungskräften des höheren Dienstes wird auf realistische Art und Weise nachvollziehbar, dass die Dienststellen-Entwicklung durch „proaktive-professionelle Führungskräfte möglich, aber durchaus nicht flächendeckend vorfindbar sein wird“.
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Notes
- 1.
„Anschlussfähig sein“ bedeutet „verstehen bzw. nachvollziehen können“ – nicht aber zwingend zu kooperieren, Folge zu leisten usw., sondern auch sich begründet abgrenzen zu können.
- 2.
Insbesondere wenn diese besondere Zielgruppen-, Milieu- oder Raumkenntnisse haben.
- 3.
Von „Baustellen“ wird gesprochen, weil es sich hier um Gestaltungsfelder der Führungskraft handelt, die einer kontinuierlichen Aufmerksamkeit bedürfen und eigentlich nie abschließend fertig gestellt werden können.
- 4.
Diese schlichte Lehre der Organisationssoziologie macht überdies deutlich, dass die Rede von der „hegemonialen Männlichkeit“ in der Polizei (s. Behr 2018) zu falschen Schlüssen führen kann. Die in der Tat „hegemoniale Männlichkeit“ hat seine Ursache weniger in den Männern oder der Polizeiarbeit an sich, sondern zumindest auch in der Organisationsform der Arbeit. Wenn Polizei ausschließlich reaktiv, d. h. im Modus des Einsatzes agiert (und proaktives Polizeihandeln nurmehr an die Peripherie der Alltagsorganisation verbannt), dann setzt sich auch die hegemoniale Männlichkeit durch. Würde hingegen proaktives Polizeihandeln auch angemessen organisatorisch ausgestaltet werden, würde sich die Dominanz des hegemonialen, reaktiven Polizeiverständnisses in dieser Dominanz nicht zeigen.
- 5.
Im Sinne einer „negotiated order“, einer ausgehandelten Arbeitsteilung zwischen den Mitarbeitern, wie Anselm Strauss es formuliert – s. Strauss, s. Pongratz.
- 6.
Dabei zeigt es sich mitunter, dass gerade dort, wo exzessiv vom „Team“ gesprochen wird („Wir sind ein Team!“), die strukturell gegebenen Bereichs-Differenzen verleugnet und unsichtbar gemacht werden; dies mit der Folge, dass eine solche Dienststelle im Laufe der Zeit geradezu unführbar wird.
- 7.
Zumeist in der verdeckten, defensiven Form wie dies Argyris in seinen Forschungen zu „Defensiven Abwehrroutinen“ und der Unfähigkeit zum Lernen dargestellt hat – s. Argyris.
- 8.
… und den regelmäßigen Treffen des Führungsteams auch außerhalb der Regelkommunikation, etwa anlässlich einer jährlichen Strategiesitzung (bei der alle bisher genannten „Baustellen“ Thema sein können) ….
- 9.
Rafael Behr unterscheidet zwischen Polizeikultur und Polizistenkultur. Polizeikultur, eher anzutreffen beim Leitungspersonal, orientiert sich an den offiziellen Werten der Organisation: Zielen, Leitbildern, Managementkonzepten usw.; Polizistenkultur – eher das Wertesystem der operativen Ebene – orientiert sich an informellen Werten, die in der „Gefahrengemeinschaft“ entstehen und stark am exklusiven „Wir“ der eigenen Gruppe orientiert ist. Sie entwickelt sich exemplarisch bei der sog. „Cop Culture“ in Spezialeinheiten mit robusten Einsatzaufgaben.
- 10.
Für die verdichtete Bezugnahme auf Selznick verwende ich Bernd Kleimanns Überblick.
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Barthel, C. (2019). Schlussbetrachtung: Kontextmanagement, Dienststellenentwicklung und die Professionalität der polizeilichen Führungskräfte im höheren Dienst. In: Barthel, C. (eds) Polizeiliche Gefahrenabwehr und Sicherheitsproduktion durch Netzwerkgestaltung. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23574-1_12
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