Zusammenfassung
Anhand von Aufführungsbeispielen der Oper Leipzig und des Theaters Hagens untersucht der Beitrag das gegenwärtig scheinbar unkomplizierte Zusammenkommen von klassischem Bühnentanz und Popmusik. Das Phänomen eröffnet einer praxistheoretisch orientierten Beobachtung einige Fragen: Wann und wie ist es zur Begegnung von Popmusik und Ballett gekommen und wie wird dieses Zusammenkommen im Prozess seiner historischen Entwicklung sichtbar? Zu welchen Formen der Verknüpfung kommt es überhaupt, wenn Popmusik und Ballett sich begegnen, und was bedeutet die Entwicklung für beide Kunstformen? Erprobt wird damit die These von der besonderen Wirkkraft und gesellschaftlichen Vervielfältigung der Popmusik in einem anderen kulturellen Bereich.
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Notes
- 1.
Der Begriff Ballett wird in diesem Artikel – wie allgemein üblich – in mehrerer Weise gebraucht: Als Genre-Begriff für die Kunstform, als Bezeichnung für den sich auf einer Bühne durch die Körper der Tanzenden vollziehenden klassischen Tanz, im korporativen Sinne als Benennung von Ballett tanzenden Ensembles bzw. Kompanien und als Bezeichnung von Tanzwerken, die sich im Repertoire des klassischen Tanzes befinden.
- 2.
Clark tanzte u. a. für das Ballet Rambert und das English National Ballet und wirkte in Kinofilmen und bei internationalen Ausstellungen mit. In zahlreichen Projekten verbindet er klassische Tanztechnik und Popkultur. to a simple, rock’n‘roll… song wurde 2016 im Londoner Barbican Centre uraufgeführt, Deutschland-Premiere war am 09.08.2017 auf Kampnagel in Hamburg. Für eine ausführliche Kritik siehe Foellmer (2016).
- 3.
Für die Erstellung dieses Beitrags haben wir Bild- und Videomaterial benutzt, das uns vom Theater der Stadt Hagen und von der Oper Leipzig zur Verfügung gestellt wurde. Für das freundliche Entgegenkommen danken wir am Theater Hagen Frau Ina Wragge, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, und Herrn Ballettdirektor Ricardo Fernando (jetzt Augsburg). An der Oper Leipzig danken wir Frau Evelyn Richter, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit, sowie dem Leitungsteam des Leipziger Balletts.
- 4.
Die mittlerweile sehr zahlreichen Begegnungen von Popmusik und Bühnentanz können nicht vollständig erfasst werden. Unter Auslassung vieler weiterer erwähnenswerter Beispiele werden sie hier nur skizziert und dabei entlang den im Tanz üblichen Stil- und Genrebezeichnungen sortiert – auch wenn sich der gegenwärtige Bühnentanz gerade durch die Mischung von Tanzstilen auszeichnet und feste Begriffe fragwürdig werden.
- 5.
Siehe z. B. die Stücke Primitive Mysteries und Primitive Canticles von Martha Graham, 1931.
- 6.
Z. B. arbeiten ChoreografInnen und MusikerInnen zusammen und agieren gemeinsam auf der Bühne – etwa in Stücken von Sasha Waltz, Meg Stuart, Anne Teresa de Keersmaeker, Boris Charmatz oder Fabrice Mazliah.
- 7.
My Rock wird inzwischen international aufgeführt: Deutschland-Premiere war am 04.01.2018 im Opernhaus Bonn.
- 8.
Zur Musik von Bach z. B. die Stücke Artifact (1984) und Steptext (1985), zu elektronischer Musik z. B. In The Middle, Somewhat Elevated (1987) und The Second Detail (1991).
- 9.
Das Stück wurde 2014 anlässlich des 50. Jubiläums seiner Uraufführung vom Béjart Ballet in Tokyo neu aufgeführt. Die Proben zur Wiederaufnahme des Spektakels dauerten neun Monate und wurden von der spanischen Regisseurin Aranxta Aguirre im DVD-Film Dancing Beethoven dokumentiert.
- 10.
Das Stück wurde von der Kompanie Béjart Ballet Lausanne weltweit über 350 Mal aufgeführt, so etwa an der Deutschen Oper Berlin und der Philharmonie Köln im Juli 2015.
- 11.
Das Pink Floyd Ballet wurde 2010 vom Mailänder Teatro alla Scala Ballet in der Megaron Athens Concert Hall und 2015 von der Kompanie der Oper Rom in den Caracalla Thermen neu aufgeführt.
- 12.
Das Stück wurde von vielen anderen Kompanien übernommen, z. B. von der Rambert Dance Company, Newcastle (1994, 2014), und vom Ballett des Aalto Theaters Essen (2012).
- 13.
A Day in the Life wird 2017 auch vom Ballett der Oper Kiel einstudiert.
- 14.
Uraufführung 2012, Wiederaufnahme in der Spielzeit 2016/17.
- 15.
The Wall von Mario Schröder wurde 1999 in Würzburg wiederaufgeführt, 2002 von den Ballettkompanien in Kiel und Essen einstudiert und auch von der Oper Berlin aufgenommen.
- 16.
Tanzhommage an Queen wurde 2004 in Wiesbaden ur- und 2009 in Essen wiederaufgeführt. Das Stück läuft seitdem fast ununterbrochen und verzeichnete in Essen am 28.10.2016 seine 100. Vorstellung. Es wurde vom Aalto Ballett in Spanien und Korea aufgeführt und z. B. vom Ballett Chemnitz übernommen.
- 17.
Unter Stela Korljan wurde in Flensburg zuvor schon das Ballett Einstürzende Neubauten (2002) getanzt, in dem zur Musik der gleichnamigen Band das Überleben einer Apokalypse thematisiert wurde.
- 18.
Es handelt sich um eine Neu-Inszenierung, die an ein früheres Morrison-Ballett anknüpft, das Schröder 2001 für das das Mainfranken Theater Würzburg produziert hatte.
- 19.
Dabei handelte es sich bei der Hagener Aufführung um die Stücke Heros-H von Marguerite Donlon und Drift von James Wilton. In Augsburg wurden zusammen mit Club 27 die Ballette Heros-A von Donlon und Together von Ricardo de Nigris gezeigt.
- 20.
Die Fotografin/Reporterin Gloria Stavers lichtete Morrison in den 1960er Jahren u. a. im Pelzmantel für das Teenager-Magazin „16 Magazine“ ab. Auch durch ihre Aufnahmen wurde Morrison zur Pop-Ikone.
- 21.
Zitiert wird eine Passage aus Friedrich Nietzsches autobiografischer Schrift Ecce homo (1889), in der es um die „Entselbstungs-Moral“ als einer Niedergangs-Moral und als Verneinung des Lebens geht.
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Rempe, S., Hamp, A. (2019). Die Popmusik und das Ballett. In: Daniel, A., Hillebrandt, F. (eds) Die Praxis der Popmusik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22714-2_5
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