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„Normalarbeitsverhältnis“ – Ein langer Abschied oder: Zeit für einen neuen Aufbruch?

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Book cover Sozialstaat unter Zugzwang?

Zusammenfassung

Ist das „Normalarbeitsverhältnis“ (NAV) ein Auslaufmodell, das seit den 1980er-Jahren (nicht nur) in Deutschland schrittweise an Bedeutung verliert – oder kann es als Ausgangspunkt für die Diskussion über eine neue, emanzipatorische Politik der Arbeit dienen? Zur Annäherung an eine Antwort auf diese Frage wird zunächst skizziert, wie sich das „Normalarbeitsverhältnis“ unter den spezifischen zeit-räumlichen Bedingungen der Nachkriegsjahrzehnte in Westdeutschland herausbildete – und zugleich Ausdruck einer weltweiten Tendenz zur Formalisierung und sozialpolitischen Absicherung von Lohnarbeit war. Seit den 1980er-Jahren hingegen setzte auch in Westdeutschland eine „Erosion des NAV“ ein, die sowohl einen empirischen Bedeutungsverlust der damit bezeichneten Form von Lohnarbeit als auch die Aushöhlung normativer Standards und den Übergang zu unternehmerischen wie staatlichen Politiken der Prekarisierung umfasste. Abschließend wird diskutiert, inwiefern aktuell (in empirischer wie normativer Hinsicht) Ansatzpunkte für eine Revitalisierung des „Normalarbeitsverhältnisses“ zu erkennen sind, und warum es notwendig ist, neue universelle Normen für „gute Arbeit“ zu etablieren.

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Notes

  1. 1.

    Theoretisch ausgearbeitet und empirisch angewandt wurde der Begriff des Regulierungsszenarios in Mayer-Ahuja (2011).

  2. 2.

    Die Angaben des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes zu „atypischer Beschäftigung“, die seit 1991 für die gesamte Bundesrepublik vorliegen, zeichnen folgendes Bild: Die Zahl der sozialversichert Teilzeitbeschäftigten (unter 20 Wochenstunden) stieg von 2,6 Mio. im Jahr 1991 auf 4,8 Mio. (2014); die Zahl der „geringfügigen“ Beschäftigungsverhältnisse nahm von 654.000 (1991) auf 2,3 Mio. (2014) zu (wobei die Einkommensgrenzen schrittweise erhöht worden waren). Die Zahl der Leiharbeiter_innen lag 2006 (als erstmals offizielle Zahlen erhoben wurden) bei 563.000 Personen, 2014 hingegen bei etwa 700.000. Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse ist im gleichen Zeitraum von 2 Mio. auf 2,5 Mio. gestiegen. Die Zahl der „Solo-Selbstständigen“ in der Grauzone von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung belief sich 1991 auf 1,2 Mio., 2014 hingegen auf über 2 Mio. Personen. Vgl.: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/TabellenArbeitskraefteerhebung/AtypKernerwerbErwerbsformZR.html.

  3. 3.

    Im Jahr 1950 waren 1,3 Mio. Vollbeschäftigte im unmittelbaren öffentlichen Dienst (frühere Bundesrepublik) beschäftigt. Die Zahl stieg bis 1982 kontinuierlich auf 2,84 Mio. an. Nach einigen Jahren des leichten Rückgangs bzw. der Stagnation erreichte sie 1991 mit 3,1 Mio. ihren Höhepunkt und ging dann bis 1996 (Ende der Datenerhebung für das frühere Bundesgebiet) auf 2,6 Mio. zurück. Betrachtet man die Zahlen für das vereinigte Deutschland, so waren laut Statistischem Bundesamt 1991 noch insgesamt 4,3 Mio. Vollbeschäftigte im Öffentlichen Dienst tätig, 2010 hingegen nur noch knapp 2,5 Mio. Vgl.: Sensch (2012).

  4. 4.

    Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (im Rahmen des „Hartz IV“-Gesetzes) erfolgte im Jahr 2005. Die in Fußnote 3 zitierten Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen alleine zwischen 2004 und 2008 eine Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen um knapp 800.000, von „kleiner Teilzeit“ (unter 20 Wochenstunden) und von Minijobs um jeweils knapp 600.000.

  5. 5.

    Vgl. zur zeitgenössischen Diskussion die Veröffentlichungsreihe „Zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen“, die der Hauptvorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr seit Mitte der 1970er Jahre herausgab.

  6. 6.

    Dieser Eindruck stammt vor allem aus Diskussionen mit den Studierenden der Autorin. Der Shell-Jugendstudie 2015 (Albert et al. 2015) zufolge nannten zudem 71 % der befragten Jugendlichen auf die Frage, was eine berufliche Tätigkeit bieten müsse, „damit Du zufrieden sein kannst“, an erster Stelle „einen sicheren Arbeitsplatz“ – die Möglichkeit, Ideen einzubringen bzw. „etwas zu tun, das ich sinnvoll finde“, belegten mit 58 und 52 % die Plätze 2 und 3.

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Mayer-Ahuja, N. (2019). „Normalarbeitsverhältnis“ – Ein langer Abschied oder: Zeit für einen neuen Aufbruch?. In: Baumgartner, A., Fux, B. (eds) Sozialstaat unter Zugzwang?. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22444-8_8

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