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Zusammenfassung

Im Kapitel werden die ‚sensitizing concepts‘ (Blumer) zur Analyse problematisierter sozialer Gruppen vorgestellt. Zentrale Aspekte in der Personifizierung sozialer Gruppen – das Moralunternehmertum (Becker), das Stigma-Management (Goffman), die Moralpanik (Cohen) und das Doing Social Problems (Miller/Holstein; Gusfield) – werden hinsichtlich ihrer Anschlusspunkte skizziert und mit zwei konzeptuellen Schärfungen zu einer analytischen Rahmenkonzeption ausgearbeitet. Dazu wird die soziale Gruppe als kategoriale Mitgliedschaft (Hirschauer, 2017) gegenüber jener Gruppenkonzeptionen, die mit einem Wir-Gefühl operieren, bestimmt. Gleichzeitig ist gerade eine problematisierte soziale Gruppe von allerlei Aktivismus geprägt, in dem sich die Personifizierung sozialer Probleme Bahn bricht. Die soziale Gruppe erfährt vielmehr einen Objektcharakter, aus dem mit Bezug zu Rheinberger (1997) Potenzial geschöpft werden kann. Die Herstellung problematisierter sozialer Gruppen wird abschließend in den Kernelementen und ihrer produktiven Wendung skizziert.

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Notes

  1. 1.

    Diese sozialen Phänomene werden nach Best bereits seit den 1920er Jahren in den USA diskutiert (2006, S. 20). In Deutschland bieten Bellebaum und Braun (1974) mit dem Reader Soziale Probleme einen umfassenden Überblick, ohne ein Kapitel zur Jugend und mit nebeneinander genannten problematisierten Gruppen und sozialen Problemen.

  2. 2.

    Cohen hat in seiner Studie zu den ‚folk devils‘ (1972) auf die audience verwiesen.

  3. 3.

    Soziale Gruppe wird hier verwendet im Sinne einer sozialen Kategorie (Goffman 1980, S. 304). Mit Hirschauer richtet dies den Blick auf die Kategorisierung, die eine kategoriale Zugehörigkeit (Geschlechter, Ethnie, Blutgruppe) oder relationale Zugehörigkeit (Gruppe, Organisation) bezeichnen kann (Hirschauer 2017, S. 30).

  4. 4.

    Ein Beispiel zeigt Hess (1978) für die Apartment-Prostituierten auf.

  5. 5.

    Dass Problem- und Risikogruppen in einem Atemzug genannt und häufig synonym verwendet werden, liegt an ihrem Zuschnitt als Potenzialträger: Die Problemgruppe fällt in abweichenden, überwiegend gewalthaften Ereignissen auf, die sich verdichten, wiederholen und ausweiten könnten. Dies macht die Zugehörigen gleichsam zur Risikogruppe, die die Anlagen zur Abweichung besitze.

  6. 6.

    Ich danke den Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises politische Ethnografie für die gemeinsamen Diskussionen, die zur Verfeinerung der Begrifflichkeiten beigetragen haben.

  7. 7.

    Die Arbeit thematisiert die Entwicklungselemente problematisierter Zuschreibungen im Strafvollzugsalltag hinsichtlich der Frage, wie kategoriale Zugehörigkeiten entstehen, stabilisiert werden und Wirkungsmächte für die Beteiligten entfalten können. Entstehungshintergrund sind die Darstellungen über russischsprachige Inhaftierte in den 2000er Jahren, die bundesweit massive Gefährdungs- und Problemlagen im Strafvollzug proklamierten (vgl. Negnal 2016).

  8. 8.

    Ein aktuelles Beispiel bietet der Jugendwiderstand (siehe u. a. https://www.tagesspiegel.de/berlin/gewalttaetige-politsekte-jugendwiderstand-maos-schlaeger-aus-berlin-neukoelln/23729980.html und http://jugendwiderstand.blogspot.com/.

  9. 9.

    Die sozialstrukturelle Grundlegung sozialer Probleme hat Merton (1966) formuliert.

  10. 10.

    Daher wird auch kein Randgruppen-Konzept anschlussfähig, denn dieses würde die Marginalisierung als Folgen von Fremdzuschreibungen deuten (ausführlich Negnal 2016, S. 282 ff.).

  11. 11.

    Eine erste Fassung dieser Überlegungen findet sich auch bei Negnal (2017).

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Negnal, D. (2019). Die Problematisierung sozialer Gruppen. In: Negnal, D. (eds) Die Problematisierung sozialer Gruppen in Staat und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22442-4_2

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