Zusammenfassung
Ausgehend von der allgemeinen Einschätzung der Transformationsforschung, wonach die Welt sich in einem tief greifenden Übergangsprozess befindet, zeigt dieser Beitrag, dass und wie sich nicht nur Technologien verändern, sondern auch Kulturen und Institutionen. Diese Reflexion der Lebensweise in den reichen Ländern, vereinfacht als westliche Lebensweise bezeichnet, beinhaltet auch die Kritik ebendieser. Der Beitrag setzt sich intensiv mit der Kritik der „imperialen Lebensweise“ (Brand und Wissen 2017a) auseinander und ordnet diese ein. Dabei wird auf die Kritik der Lebensformen (Jaeggi 2014) Bezug genommen. Es wird deutlich, dass die Kritik imperialer Lebensweise einen wichtigen Aspekt übersieht, nämlich die große Bedeutung der Freiheit für die Attraktivität und Veränderbarkeit von Lebensweisen. Eine diese Dimension berücksichtigende Kritik ist eine essenzielle Voraussetzung für eine umfassende gesellschaftliche Transformation, die nicht nur auf den technischen Fortschritt setzt, sondern weiter reicht, indem real existierende Lebensweisen hinterfragt und verändert werden.
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Notes
- 1.
Jaeggi (2014, S. 70 ff.) grenzt das Konzept der Lebensformen von diversen anderen wie Lebensführung, Lebensgewohnheiten, Lebensweise, Lebensstil, Sitte und Brauch, Tradition, Institution und Kultur ab.
- 2.
Ich verwende den Begriff synonym mit dem der Lebensweise, der in der sozial-ökologischen Transformationsforschung wichtig ist, wiewohl Letztere tendenziell verschiedene Lebensformen umfasst.
- 3.
Von den 65 Mio. Pkws, die 2015 hergestellt wurden, wurden über 21 Mio. in China produziert (Brand und Wissen 2017a, S. 112).
- 4.
In diesem Sinne ist das Konzept der imperialen Lebensweise irreführend, was auch daran erkennbar wird, dass die Lebensweise in der aufstrebenden Weltmacht China als „subimperial“ (Brand und Wissen 2017a, S. 15) bezeichnet wird, obwohl im Jahr 2014 „schätzungsweise 40 % der weltweit verkauften Luxusgüter von Chinesen erworben“ wurden (Brand und Wissen 2017a, S. 112 f.). Demzufolge müsste auch an der Peripherie Europas eine „subimperiale“ Lebensweise vorherrschen.
- 5.
Mill geht es auch um die „protection against the tyranny of the political rulers“ (Mill 1985, S. 59). Wirklich bedrohlich ist aber „the tyranny of the majority“ (Mill 1985, S. 62). Und Hajek fürchtet vor allem den „doctrinaire democrat“ (Hayek 1978, S. 104), der den Geltungsbereich demokratischer Gestaltung mit Verweis auf „popular sovereignty“ (Hayek 1978, S. 106) ausdehnen will. Umgekehrt gilt: „it is conceivable that an authoritarian government may act on liberal principles“ (Hayek 1978, S. 103).
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Novy, A. (2019). Kritik der westlichen Lebensweise. In: Luks, F. (eds) Chancen und Grenzen der Nachhaltigkeitstransformation . Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22438-7_3
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