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Semantische Rahmung: Freie Alternativschulen als Schulen in ‚freier‘ Trägerschaft

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Freie Alternativschulen in Deutschland
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Zusammenfassung

Die Freien Alternativschulen (FAS) gehören überwiegend zu jener Gruppe von Schulen, die nicht nur juristisch und statistisch, sondern auch wissenschaftlich und forschungslogisch unter der Kategorie einer ‚Privatschule‘ geführt – und dort auch entsprechend erforscht werden. Die entscheidenden Rechtsvorschriften sind dabei im Grundgesetz enthalten und werden durch die sogenannten ‚Privatschulgesetze‘ der Länder spezifiziert. Aus ihnen müssen daher auch Stellung und Bedeutung der FAS hergeleitet werden.

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Notes

  1. 1.

    Eine gewisse Ausnahme bilden die Glocksee-Schule in Hannover sowie die KS Bremen, die zwar dem Bundesverband Freier Alternativschulen angehören, recht eigentlich jedoch als staatliche Modellschulen mit besonderer pädagogischer Prägung eingerichtet wurden.

  2. 2.

    Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849, S. 1064: „Das Unterrichts = und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staats, und ist, abgesehen vom Religionsunterricht, der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben.“ (Art. VI, Abschn. VI, § 153) – Gesetz, betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts= und Erziehungswesens (1872), S. 120: „§ 1. Unter Aufhebung aller, in einzelnen Landesteilen entgegenstehenden Bestimmungen, steht die Aufsicht über alle öffentlichen und Privat=Unterrichts= und Erziehungs = Anstalten dem Staate zu. Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betrauten Behörden und Beamten im Auftrage des Staates.“ – Die Verfassung des Reichs vom 11. August 1919, S. 31: „Artikel 144. Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates, er kann die Gemeinden daran beteiligen. Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich tätige, fachmännisch ausgebildete Beamte ausgeübt“.

  3. 3.

    Eher in den Bereich deftiger Rhetorik gehört entsprechend der Versuch von Oehlschläger (1994, S. 38  f.), durch den Verweis auf die ‚freien‘ Lernformen an Freien Alternativschulen das Attribut ‚frei‘ ausschließlich für die 300 Schüler der seinerzeit acht FAS zu reklamieren, den übrigen 1800 Schulen in freier Trägerschaft mit ihren 182.000 Schülerinnen und Schülern dagegen das Etikett ‚Privatschule‘ zuzuschieben. Auch den konfessionellen Schulträgern und Waldorfschulen scheint Oehlschläger wegen der ihnen unterstellten engen weltanschaulichen Bindungen das Attribut ‚frei‘ offensichtlich nicht zuzukommen lassen zu wollen. Dass durch den enorm hohen Identifikationszwang, den sie auf ihre Klientel ausüben, gerade die FAS zumindest in dieser Hinsicht weit ‚unfreier‘ sind als jede noch so konservative Konfessionsschule, kam Oehlschläger damals noch nicht in den Sinn.

    Durchaus ähnlich hat später die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (1999, S. 15) wegen ihrer ‚öffentlichen‘ Bedeutung die Bezeichnung ‚privat‘ abgelehnt und statt dessen die Bezeichnung ‚frei‘ für ihre Schulen proklamiert; zugleich empfand man es als „zutreffend“ (ebd.), dass nicht von ‚öffentlichen‘, sondern von ‚staatlichen‘ Schulen gesprochen werden solle. Ähnlich beanspruchen auch die Freien Alternativschulen bei Wendeln (2005, S. 13  f.) für sich – im Gegensatz zu den ‚staatlichen Schulen‘ oder gar „Staatsschulen“ (ebd., S. 41, 77) – das Prädikat ‚frei‘, während sie die Bezeichnung ‚Privatschule‘ allein den Mitgliedern des Verbands Deutscher Privatschulen zuschieben.

    Eine wahrhaft ‚freie Schule‘, so wird man also wohl folgern dürfen, ist immer nur die eigene!

  4. 4.

    Einer internen Studie des BFAS zufolge betrachten nur noch 39  % der FAS ihre Trägervereine als ausgesprochene „Elternvereine“, während 1,7  % sie als „Pädagoginnen/Pädagogenverein“ angesehen und 52,5  % ihren Träger ganz neutral und unbestimmt nur als „Verein“ im Allgemeinen bezeichnen. Zur Bezeichnung der FAS als ‚Elternschulen‘ hatte sich bereits Maas 1999, S. 11, eher zurückhaltend geäußert. Durchsucht man die Websites der Schulen, scheint die Bedeutung der Eltern für die Trägervereine allerdings faktisch höher auszufallen, was jedoch einer gesonderten Untersuchung bedürfte.

    Entsprechend kann die Anbindung der Eltern an den Trägerverein vereinzelt sogar noch so weit gehen, dass mit dem Schuleintritt eines Kindes die Mitgliedschaft mindestens eines Elternteils in ihm verbindlich wird, wie es etwa beim Trägerverein Freie Aktive Schule Stuttgart e. V. (http://www.fas-stuttgart.de/verein.html) der Fall zu sein scheint.

  5. 5.

    Es sind dieses: die Jugend- und Sozialwerk gGmbH für die Mosaik Grundschule Oranienburg, die Freie Aktive Schulen Wülfrath gGmbH für die dort ansässige Gesamtschule, die Gemeinnützige Gesellschaft ASK mbH für die AS Köln sowie die Riesenklein gGmbH als Trägerin der Freien Schulen Riesenklein und Bildungsmanufaktur in Halle.

  6. 6.

    Es sollte aber zugleich auch bedacht werden, dass diese Geltung aus historischer Perspektive stark einzuschränken ist. Bereits in der Weimarer Republik existierten neben den privaten Reformschulen auch zahlreiche Versuchsschulen und -klassen in öffentlicher Trägerschaft, an denen ebenfalls mit reformpädagogischen Prinzipien experimentiert wurde (Amlung 1993). Es sind darum „an der Selbstlegitimation privater Schulen, pädagogische Alternativen mit Modellfunktion für die Reform des öffentlichen Schulwesens zu sein, […] schon sehr früh und bis heute andauernd Zweifel geäußert worden“ (Ullrich & Strunck 2012, S. 16; vgl. auch Koinzer & Leschinsky 2009, S. 677  f.).

  7. 7.

    Als aktuelles Beispiel sei die Freie Schule Berkenroth genannt, die – obschon sie in der aktuellen Mitgliedsliste nicht auftaucht – auf der Website des BFAS als Gründungsinitiative aufgeführt wird. Sie entstand aus einer Elterninitiative, nachdem die „Außenklassen“ der Gemeinschaftsgrundschule Nümbrecht wegen zu geringer Schülerzahlen geschlossen werden mussten (http://www.fs-berkenroth.de/start/schulgeschichte/).

    Ein besonderes Angebot kann sich aber auch auf bestimmte Schülergruppen beziehen, wie es in der FS Offenburg der Fall ist, die als einzige Schule im BFAS als Schule für Erziehungshilfe – und dementsprechend zugleich unter den Anforderungen von SGB VIII – arbeitet. Ihre Klientel besteht darum in der Hauptsache aus Kindern und Jugendlichen, die „aufgrund familiärer und sozialer Schwierigkeiten nicht in der Lage sind, eine Regelschule zu besuchen“ (http://www.freieschulespatz.de/wir/wir_02.html).

  8. 8.

    So heißt es etwa auf der Website der FS Seligenstadt ausdrücklich: „Die Inhalte der schulischen Ausbildung sind mit den Bildungsstandards des Landes Hessen abgestimmt.“ (http://www.freie-schule-seligenstadt.de/DatenFakten) Und ähnlich betont auch die FS Altenriet: „Unsere Schule erfüllt den Erziehungs- und Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg.“ (http://www.schulwerkstatt.com).

  9. 9.

    ‚Weitgehend‘ unabhängig von den faktischen Besitzverhältnissen ist der Besuch einer Privatschule deshalb, weil er der gängigen Rechtsprechung gemäß nicht ausschließt, dass Eltern entsprechend ihrem Wunsch nach einer Privatschule einen angemessenen Eigenanteil zu den entstehenden Kosten beitragen müssen. Umstritten ist jedoch, bis zu welcher Höhe dieser Eigenanteil zumutbar ist, ohne dass er das ‚Sonderungsverbot‘ verletzt.

  10. 10.

    Es gibt zahlreiche Indizien dafür, dass sich auch der oft behauptete Leistungsvorsprung freier Schulen – wenn man diese Homogenität statistisch kontrolliert – durchaus in einen Leistungsnachteil verwandeln kann (Weiß 2011, S. 41  f.). Das bestätigt die Notwendigkeit, die Arbeit der freien Schulen nicht nur unter dem Aspekt der rein ökonomischen Situation der Eltern (wie etwa nach Beruf und Einkommen) zu betrachten, sondern auch die Frage nach dem von den Kindern und Jugendlichen jeweils mit eingebrachten Sozialkapital (wie eigenes Bildungsniveau, entsprechende Bildungsaspirationen und aufwendbares Zeitbudget der Eltern, deren Prestige, Sozialkontakte oder Wertvorstellungen) mit zu berücksichtigen, zumal dieses möglicherweise sogar die Chancengleichheit der Bildung stärker unterläuft als das jeweilige Einkommen und die Berufsstellung der Eltern (Hradil 2005, S. 168).

  11. 11.

    Auch bei den FAS scheint dieses Verständnis durchaus noch verbreitet zu sein, wie z. B. die Konzeption der FS Bredelem nahelegt: „Es gibt in der Region eine hinreichend große Gruppe von Kindern, für die eine Schule nach dem von uns im Folgenden dargelegten Konzept von besonderem pädagogischem Interesse ist. […] Aus diesen Gründen besteht in der Region für eine bestimmte Gruppe von Kindern ein besonderes pädagogisches Interesse an einer Freien Schule“.

  12. 12.

    Mit Verweis auf die Ausführungen des Art. 7 Abs. 5 GG zu den Regelungen im Volksschulbereich schränken Pieroth & Barczak ihre These allerdings ausdrücklich auf den Bereich der weiterführenden Schulen ein (Pieroth & Barczak 2012, S. 7  f.), zumal das Bundesverfassungsgericht in dem bereits erwähnten Urteil zur FS Kreuzberg auch mehrmals ausdrücklich vom „Vorrang der öffentlichen Schule“ in dieser Hinsicht spricht (BVerfG 1992, Rn. 27  f., 32, 35 u. ö.).

  13. 13.

    Die meisten Kommentare weisen darauf hin, dass die Gewährleistungspflicht des Staates zur Erhaltung des Privatschulwesens im Wesentlichen auf deren institutionellen Bestand beziehe, keinesfalls aber auf die Unterstützung bestimmter Einzelschulen, die einen Teil des unternehmerischen Risikos selbst zu tragen hätten (Hömig 2013, S. 146  f., Rn. 15). Sowohl die Begrenzung der Finanzzuweisungen als auch die gesetzlichen Wartefristen bis zum Beginn der Finanzierung seien daher als grundsätzlich verfassungskonform anzusehen (Sachs 2002, S. 362  f., Rn. 41  ff.; Umbach 2002, S. 614  f., Rn. 207  ff.; Ennuschat 2012, S. 52).

  14. 14.

    Einer internen Umfrage des BFAS ist zu entnehmen, dass die 100  %-ige Refinanzierung freier Alternativschulen mit der Rekordzustimmung von 98  % aller Befragten zu den zentralen Themen der FAS gehört, dass aber zugleich weit über 90  % der Schulen zugleich ausdrücklich diejenigen Schüler und Eltern bewusst auswählen, die jeweils aufgenommen werden. Dagegen müsste hier ausdrücklich betont werden, dass sich voraussichtlich die Fragen nach der Vollfinanzierung und der sozialen Intergration in Zukunft nur gemeinsam lösen lassen werden – und zwar wahrscheinlich auch jenseits der sowieso schon üblichen Inklusionsdebatte, die in dieser Hinsicht viel zu kurz zu greifen scheint, weil sie nur einen sehr speziellen Problemfall behandelt.

  15. 15.

    Auch hier sind freilich den elterlichen Rechten Grenzen gesetzt, indem der Staat etwa bei Verletzung der Elternverantwortung gemäß § 42 Abs. 1 SGB VIII (KJHG) nicht nur intervenieren darf, sondern zum Wohle des Kindes – wenngleich bei Beachtung der Verhältnismäßigkeit – ggf. auch intervenieren muss. Das schließt nicht aus, dass die Hauptaufgabe der freien wie öffentlichen Jugendhilfe – die hier bei allen Schwierigkeiten doch oftmals vorbildlich im Sinne von § 4 Abs. 1 „partnerschaftlich zusammenarbeiten“ – in der Beratung und Unterstützung der Eltern nach § 1 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII in Verbindung mit § 2 Abs. 1 SGB VIII steht. Die willentliche Offenheit der Familien zur Wahrnehmung von Beratungsangeboten und damit die Freiwilligkeit der Teilnahme an den Maßnahmen der Jugendhilfe, ist dabei selbstverständlich vorauszusetzen.

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Lischewski, A. (2018). Semantische Rahmung: Freie Alternativschulen als Schulen in ‚freier‘ Trägerschaft. In: Freie Alternativschulen in Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22428-8_2

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