Zusammenfassung
Im Bereich der Disziplin und Profession Soziale Arbeit (Sozialarbeit/Sozialpädagogik) finden sich sowohl spezielle Begründungen, Diversity/Diversität zu thematisieren und zu untersuchen, als auch spezielle Ansatzpunkte, um dies in der Hochschullehre zu berücksichtigen. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit diesen Aspekten bzw. mit den damit verbundenen Fragen. Nach einer Skizze zu den Gründen, weshalb sich Soziale Arbeit mit Diversity/Diversität befassen muss, wird im Anschluss die Entwicklung und inhaltliche Ausrichtung der Fachdiskurse und die Entwicklung einer (zunächst zögerlichen, dann aber immer breiteren) fachbezogenen Aufmerksamkeit an den Hochschulen/Universitäten umrissen. Anschließend wird zunächst nach Zugangsbarrieren und Strukturen von Studiengängen gefragt, bevor ausführlicher die Lehre selbst in den Mittelpunkt gestellt wird.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Handlungsfelder, die beispielsweise von Werner Thole sinnvollerweise angeordnet werden als Lebenswelt ‚ergänzend‘ (etwa Kinder- und Jugendarbeit), Lebenswelt ‚unterstützend‘ (etwa Wohnungslosenhilfe), Lebenswelt ‚ersetzend‘ (etwa Fremdunterbringung) bis hin zu Praxis Sozialer Arbeit ‚unterstützend‘ (etwa Supervision oder Coaching, vgl. Thole 2010, S. 22).
- 2.
In Wirtschaftsunternehmen soll etwa in Bezug auf Personal, Kundschaft und Produkt eine größere Aufmerksamkeit für Vielfalt geschaffen werden, um entsprechende ‚Passungsverhältnisse‘ zu verbessern. Dies muss allerdings mit dem Business Case des jeweiligen Unternehmens in Einklang gebracht werden und hat bei der Erreichung von Unternehmenszielen seinen Nutzen zu erweisen, wobei Kriterien wie Durchsetzung in der Konkurrenz gegenüber anderen Unternehmen, Leistungs- und Produktivitätssteigerung, Gewinnmaximierung etc. im Vordergrund stehen (vgl. Kirton & Greene 2005).
- 3.
Komplexere Prüfverfahren werden vermieden, da für die Arbeit in den Zulassungsausschüssen der Institute/Fakultäten/Fachbereiche und den Immatrikulationsämtern der Verwaltung meist zu wenig Personal zu Verfügung steht. Auch wird für das wissenschaftliche Personal die Arbeit in einem Zulassungsausschuss in aller Regel nicht hoch bewertet und trägt so wenig bis nichts zur akademischen ‚Karriere‘ bei.
- 4.
Das Markieren und Thematisieren einer systematischen Zugangs- oder Zulassungsbarriere ist an sich bereits wichtig, allerdings sollte mit ‚Lösungen‘ nicht zu lange gewartet und/oder die Verantwortung auf ‚höhere‘ Instanzen abgeschoben werden.
- 5.
Die Ergebnisse dieser empirischen Studie entsprechen zu großen Teilen leider auch aktuelleren Untersuchungen. So zeigt etwa eine neuere Publikation, dass nur etwa einem Drittel der zugewanderten Akademiker/innen die Bildungsabschlüsse aus ihren Herkunftsländern anerkannt werden (vgl. Beinke & Bohlinger 2011, S. 21).
- 6.
Man könnte dies auch als Nachwuchsförderung begreifen, wobei der Begriff ‚Nachwuchs‘ für (potentiell) Studierende, die oft eher das mittlere Lebensalter erreicht und eine Familiengründung mit eigenen Kindern längst hinter sich haben, wenig passend erscheint.
- 7.
Dies gilt zweifellos für alle Fächer, allerdings ist die Spezifik des Faches Soziale Arbeit, dass die inhaltlichen ‚Gegenstände‘ meist selbst mit davon direkt Betroffenen zu haben. Dennoch muss in allen Fächern – auch wenn es um Physik oder Architektur geht – damit gerechnet werden, dass in den Lehrveranstaltungen z.B. Care Leaver anwesend sind.
- 8.
Und hier bietet sich das Analyseinstrument Intersektionalität an, da hierdurch sowohl eine Aufmerksamkeit für Überschneidungen und Überlagerungen unterschiedlicher Differenzlinien bzw. Differenzordnungen als auch eine Aufmerksamkeit für das Verhältnis von Privilegierung und Deprivilegierung erzeugt wird.
- 9.
Allerdings ist die Konstellation noch komplizierter als es zunächst aussieht: Der sexuelle Missbrauch von Jungen durch Männer stellt ein großes Tabu dar, und auch hierfür braucht es geeignete Räume und Ansprechpersonen.
Literatur
Andresen, S., & Heitmeyer W. (Hrsg.) (2012). Zerstörerische Vorgänge: Missachtung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutionen. Weinheim: Beltz/Juventa.
Beinke, K., Bohlinger, S. (2011). Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen. Ungenutzte Potenziale zur Fachkräftesicherung. Zeitschrift des Bundesinstituts für Berufsbildung 3/2011, 20–24.
Hadeed, A. (2004). Sehr gut ausgebildet und doch arbeitslos. Zur Lage höher qualifizierter Flüchtlinge in Niedersachsen. Oldenburg: BIS.
Heitmeier, T., & Bojack, B., (Hrsg.) (2016). Sexuelle Gewalt: Internationale Studien, Folgen und Versorgung, Erfahrungsberichte. Coburg: Zks.
Hunger, Steffen (2017). Thema: Teamteaching. Internes Diskussionspapier für die Fachgruppe Diversitätsbewusste Sozialpädagogik am Institut für Pädagogik (Universität Oldenburg). Oldenburg: Unveröffentlichtes Papier.
Kirton, G., Greene, A.-Marie (2000/2005). The Dynamics of Managing Diversity. A Critical Approach. Oxford: Butterworth-Heinemann/Elsevier.
Köngeter, S., Schröer, W., & Zeller, M. (2012). Transitioning out of Care: Bildungserfolge und Lebenslagen von ‚Careleavers‘. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, Heft 3/2012, 257–259.
Lamp, F. (2010). Differenzsensible Soziale Arbeit – Differenz als Ausgangspunkt sozialpädagogischer Fallbetrachtung. In F. Kessl & M. Plößer (Hrsg.), Differenzierung, Normalisierung, Andersheit. Soziale Arbeit als Arbeit mit den Anderen (S. 201–217) Wiesbaden: VS Springer.
Leiprecht, R. (2008). Eine diversitätsbewusste und subjektorientierte Sozialpädagogik: Begriffe und Konzepte einer sich wandelnden Disziplin. Neue Praxis. Zeitschrift für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 38. Jg., 427–439.
Leiprecht, R. (2013). ‚Subjekt‘ und ‚Diversität‘ in der Sozialen Arbeit. In S. Wagenblass & C. Spatscheck (Hrsg.), Bildung, Teilhabe und Gerechtigkeit – Gesellschaftliche Herausforderungen und Zugänge Sozialer Arbeit (S.184–199). Weinheim: Beltz/Juventa.
Leiprecht, R. (2018). Diversitätsbewusste Perspektiven für eine Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. In B. Schramkowski, S. Gögercin, K. Sauer & B. Blank (Hrsg.), Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: VS Springer (in Druck).
Leiprecht, R., & Willems, E. (2017). „Aber kämpfen musst Du schon ….“ Universitäre Bildungsangebote für Geflüchtete und Migrierte. Ein Dokumentarfilm, ca. 30 Min. Amsterdam: JOB Produkties.
Lutz, H. (2001). Differenz als Rechenaufgabe: Über die Relevanz der Kategorien Race, Class und Gender. In H. Lutz & N. Wenning (Hrsg.), Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft (S. 215–230). Opladen: Leske & Budrich.
Mecheril, P., & Plößer, M. (2011). Diversity und Soziale Arbeit. In H. U. Otto & H. Thiersch, (Hrsg.), Handbuch Soziale Arbeit 5. Auflage des Bandes (S. 278–287). München: Reinhardt.
Middendorff, E., Apolinarski, B., Poskowsky, J., Kandulla, M., & Netz, N. (2012). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks; durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Berlin: HIS
Perko, G., Kitschke, D. (2014). Kompetenzmessung in der Hochschullehre? Eine Studie über die Vermittlung und Einschätzung von Gender/Queer- und Diversity-Kompetenzen für soziale Berufe im Hochschulkontext. Weinheim: Beltz/Juventa.
Plößer, M. (2010). Differenz performativ gedacht. Dekonstruktive Perspektiven auf und für den Umgang mit Differenzen. In F. Kessl & M. Plößer (Hrsg.), Differenzierung, Normalisierung, Andersheit. Soziale Arbeit als Arbeit mit den Anderen (S. 218–232). Wiesbaden: VS. Springer.
Retkowski, A., Treibel, A., & Tuider E. (Hrsg.) (2018). Handbuch Sexualisierte Gewalt und pädagogische Kontexte: Theorie, Forschung, Praxis. Weinheim: Beltz/Juventa.
Schulz-Kaempf, W. (2018). Akademische Weiterbildung für Migrant*innen und die Rolle der Hochschule. In I. Gereke, W. Schulz-Kaempf & F. Walther (Hrsg.), Kontaktstudium als Anerkennungsraum: „Es wurde eine Tür geöffnet, hinter der ich jetzt andere Türen öffnen kann“. Oldenburg. Bis.
Thiersch, H. (2011). Diversity und Lebensweltorientierung. In R. Leiprecht (Hrsg.), Diversitätsbewusste Soziale Arbeit (S. 45–60). Schwalbach im Taunus: Wochenschau.
Thole, W (2010). Die Soziale Arbeit – Praxis, Theorie, Forschung und Ausbildung. Versuch einer Standortbestimmung. In: W. Thole. (Hrsg.), Grundriss soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. 3. überarb. u. erw. Aufl. (S. 19–73). Wiesbaden: VS Springer.
Thompson, N. (1992/2016). Anti-discriminatory practice. London: Palgrave.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2019 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Leiprecht, R. (2019). Diversitätsbewusste Lehre in der Sozialen Arbeit. In: Kergel, D., Heidkamp, B. (eds) Praxishandbuch Habitussensibilität und Diversität in der Hochschullehre. Prekarisierung und soziale Entkopplung – transdisziplinäre Studien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22400-4_17
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-22400-4_17
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-22399-1
Online ISBN: 978-3-658-22400-4
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)