Zusammenfassung
„Familienbetriebe haben einen ganz großen Vorteil und einen ganz großen Nachteil, nämlich die Familie. Eine Familie in Frieden ist das Beste, was es für ein Unternehmen geben kann, eine Familie in Unfrieden dagegen das Schlimmste.“
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Der hier verwendete Begriff von Familie grenzt sich durch folgende Eigenschaften von anderen Lebensformen ab: die biologisch-soziale Doppelfunktion (gesellschaftliche Reproduktion und Sozialisation), die Differenzierung zwischen verschiedenen Generationen sowie das spezifische Kooperations- und Solidaritätsverhältnis zwischen den Familienmitgliedern (Nave-Herz 2006). Familie konstituiert sich demzufolge „[…] durch die Gestaltung der grundsätzlich lebenslangen Beziehungen von Eltern und Kindern im Generationenverbund sowie – daran orientiert – der Beziehungen zwischen den Eltern […]“ (Lüscher 2003, S. 539).
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Die empirischen Daten stammen aus einer qualitativen Untersuchung von 10 Einzelfällen, die im Rahmen der Dissertation der Autorin durchgeführt wurde. Das vorrangige Forschungsziel bestand darin, aus narrativen Familien-Interviews mit Vorgängern und Nachfolgern Muster intergenerativer Aushandlung zur Übernahme und Weiterführung des Familienbetriebs in der reflexiven Moderne abzuleiten. Die Datenerhebung erfolgte zwischen Januar 2011 und September 2011. Alle Unternehmerfamilien haben ihren Sitz im Bundesland Tirol, Österreich.
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Unternehmensnachfolge sei hier verstanden als dynamischer Prozess, „[,,,] in dessen Verlauf sich die Rollen und Aufgaben der Hauptakteure, sprich des Vorgängers und des Nachfolgers, verschieben, überschneiden und weiter entwickeln mit dem übergeordneten Ziel, den Betrieb nicht nur in Bezug auf Besitzanteile und Eigentum (materieller Transfer) sondern auch in Bezug auf Führung und Werte (soziokulturelle Transmission) an die nächste Familiengeneration weiterzugeben.“ (Leiß 2014, S. 63).
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In der Familie „entsprechen Generationen sozialen Rollen, die das Verhältnis von Eltern und Kindern umschreiben und über die Lebensphasen hinweg strukturieren“ (Lüscher 1993, S. 22). Eine spezifische Generationenidentität entsteht dadurch, dass Familienmitglieder eine für ihr Alter und ihren sozialen Kontext zeitlich und räumlich relevante Perspektive einnehmen, die sich gleichzeitig von mindestens einer anderen Generation abgrenzen lässt (Lüscher und Liegle 2003, S. 59 f.).
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Das realisierte Sample umfasst Familienunternehmen aus den Bereichen Dienstleistung, Baugewerbe, Energie, Handel, Tourismus, Produktion und Handwerk, Übergaben vom Gründer an die zweite Generation ebenso wie Mehrgenerationen-Übergaben. Drei Fälle decken unterschiedliche Gender-Konstellationen ab (Vater-Tochter, Mutter-Sohn, Vater-Tochter-Sohn). In den meisten Fällen lag die Übergabe zum Zeitpunkt der Datenerhebung schon mehr als fünf Jahre zurück.
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Die Primogenitur gibt männlichen Nachfolgern den Vorrang, also ältester Sohn vor ältester Tochter oder jeder erwachsene Sohn vor ältester Tochter oder entfernte(re) männliche Verwandte vor ältester Tochter oder Schwiegersohn vor Tochter oder externer männlicher Geschäftsführer vor ältester Tochter (Haubl und Daser 2006). Gemäß dem in der Landwirtschaft weit verbreiteten Anerbenrecht geht der gesamte Betrieb an einen einzigen Erben, damit er geschlossen erhalten bleibt. Geschwister werden in der Regel mit dem Pflichtanteil ausbezahlt.
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Durch regelmäßige berufliche Kontakte mit Familie Solinger kann der weitere Verlauf des Übergabeprozesses an dieser Stelle ergänzt werden: Bedingt durch Kürzungen staatlicher Subventionsleistungen für erneuerbare Energien geriet das Unternehmen über die letzten Jahre in eine ernsthafte Krise, die dazu führte, dass Sebastian seinen Vater vor die Wahl stellte, entweder die alleinige Führung zu übernehmen oder das Unternehmen zu verlassen. Sepp übertrug daraufhin die Entscheidungskompetenz zu 100 % an Sebastian, der durch eine radikale strategische Neupositionierung bereits im ersten Jahr einen deutlichen Turnaround bewirken konnte.
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Leiß, G. (2019). Gesellschaftliche Pluralität und familiäre Identität: Zur Evolution der Unternehmerfamilie am Beispiel der Nachfolge in Familienunternehmen. In: Kleve, H., Köllner, T. (eds) Soziologie der Unternehmerfamilie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22388-5_7
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