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Nachbetrachtung: ein Blick zurück, ein Blick nach vorne und wohl auch ein kleiner Blick zur Seite

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Entering the Battlefield

Part of the book series: Erlebniswelten ((ERLEB))

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Zusammenfassung

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit einer Thematik, welche auf den ersten Blick wohl als eher unkonventionell zu bezeichnen ist: Musikkulturen wie der Heavy Metal sind in der üblichen Fachliteratur wohl kaum als Standard-Anwendungsfall für soziologische Betrachtungen zu sehen. Auf einen zweiten Blick jedoch handelt es sich dabei um ein Phänomen neben anderen, welches vor dem Hintergrund einer theoretischen Betrachtung als Szene im dargestellten Sinne durchaus zum spannenden Betätigungsfeld für Sozialwissenschaftler und Sozialwissenschaftlerinnen wird. Schon immer bildeten solche Erscheinungen etwas, bei dem ein zweiter Blick sich als lohnend erwies.

Anmerkung der Herausgeber: Alois Hahn begleitet seit Jahren unsere Forschungen nicht nur mit großen Interesse, sondern auch immer durch vielfältige Diskussionen. Dies gilt auch für die hier gesammelten Überlegungen. Als der Band konkretere Gestalt annahm, haben wir Alois Hahn gebeten, eine zusammenfassende und kritische Nachbetrachtung zu verfassen. In vielen Diskussionen in der gewohnt produktiven und Heimat vermittelnden Atmosphäre in Wintersdorf kam dann der Gedanke auf, diese Überlegungen durch eine Skizze aktueller Forschungen von Alois Hahn zur Gourmetszene und damit zu einem nur auf den ersten Blick vollständig anderen Kultur zu ergänzen und zu kontrastieren. Wir freuen uns, dass diese Überlegungen hier publiziert werden können.

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Notes

  1. 1.

    Wie immer sind derartige Aussagen zur Nichtexistenz soziologischer Überlegungen zu einem bestimmten inhaltlichen Anwendungsfeld nahezu umgehend falsifiziert. So sei in diesem Zusammenhang nur an die Arbeiten im direkten Trierer Umfeld von Vogelgesang (1998) und Diaz-Bone (2002) erinnert. Nahezu jedes Feld lässt sich soziologisch betrachten, hier sei nur an die Studie von Jeff Wiltse (2010) erinnert, der die historischen Veränderungen öffentlicher Badeanstalten und privater Swimming-Pools in den Vereinigten Staaten unter den Aspekten der sozialen und ethnischen Ungleichheiten und deren Zusammenspiel in einer beispielhaften Studie untersucht.

  2. 2.

    Um einen ersten ethnographischen Einblick in diese Szene zu erhalten, sei die Speisefolge des insgesamt 17 kleine Gänge umfassenden Seafood-Wintermenüs im Noma hier teilweise aufgelistet, die sich in dem zuerst genannten Heft findet: „Brühe aus Meeresschnecken mit eingelegtem Zitronenthymian und Oregano, serviert im Schneckengehäuse – in der Schale gedämpfte Herzmuscheln mit Rosenöl-Mousse-Topping – „Das Beste der Miesmuschel“: würziges Muschelpüree, in den Schalenhälften serviert – (…) – Qualle mit gedünsteten Algen – verschiedene große dunkelschalige Herzmuschelsorten, das Fleisch in Streifen geschnitten; Felsenaustern mit eingelegten grünen Stachelbeeren und isländischem Wasabi (Paste und Blüten); kleine Kammermuscheln (pétoncles) mit einer Paste aus reduziertem Gurkenfleisch, schwarzem Johannisbeeröl und winzigen karamellisierten Corailles (Rogen der Muscheln) – (…) – Birnen-„Leder“ mit Algen-Eiscreme – gezuckerte Seetang-Tarte – Plankton-Kuchen“.

  3. 3.

    Eine Auszählung ergab, dass dies bei den wohl 68 Spitzenrestaurants im Varta-Führer 2020 für 47 und somit knapp 70 % zutrifft.

  4. 4.

    Belege finden sich in Diaz-Bone und Alois Hahn (2007).

  5. 5.

    Dass diese ideale Regel allerdings häufig nicht eingehalten wird, sondern statt des gesitteten „take and turn“ oft alle durcheinanderreden, hat Angela Keppler (1994) bei der Analyse ihrer Tischgespräche in Familien sehr anschaulich belegt, aber das widerlegt die Regel nicht.

  6. 6.

    In der Mitte zwischen diesen beiden Formen des Sprechens beim Essen dürften Konversationen in Familien, vor allem bei Festen, stehen. Wie das Material von Angela Keppler (1994) zeigt, ist auch hier nicht das Essen die Hauptsache, sondern Anlass zur Vergemeinschaftung der Familiengruppe. Es geht auch nicht eigentlich um die jeweiligen Themen oder kommunikativen Gattungen. Im Gegenteil: Die Tischgespräche können sich virtuell jedes Themas bemächtigen, auch der heiklen. Voraussetzung für das Gelingen ist aber in jedem Falle, dass die rituelle Funktion der Mahlzeit nicht zerstört wird. Man kann dann auch Strittiges oder Kontroverses aufgreifen, wenn nur die (wenigstens fiktive) Übereinstimmung über die Gemeinschaft stiftende Aufgabe des Verfahrens als solchen nicht gesprengt wird. Hier haben Gespräche zur Folge, dass die Mahlzeiten sich in die Länge ziehen. Der Grund ist aber die Fortsetzbarkeit der Geselligkeit, nicht die Mahlzeit. Diese dient fast als Vorwand ihrer Fortsetzbarkeit, die ansonsten bei reiner Konzentration auf verbale Kommunikation – zumal bei erheblicher Divergenz der Interessen der Familienmitglieder – ihrer thematischen Ressourcen verlustig ginge. Sie hätten einander nichts mehr zu sagen. Es ginge ihnen wie dem von Wilhelm Busch apostrophierten alten Ehepaar, das als es noch ein Liebespaar war unendlich viel sich zu erzählen wusste. „Jetzo, bei eine Strumpfes Bereitung, sitzt sie im Morgenhabit, und er liest die Kölnische Zeitung und teilt ihr das Nötige mit“.

  7. 7.

    Seit der Ära Schröder wohl eher: mit Curry. Überhaupt wäre es eine soziologische Studie wert, warum der ehemalige Kanzler sich zwar zu Havanna-Zigarren und Brioni-Anzügen bekennt, nicht aber zu häufigen Besuchen in Feinschmeckerlokalen (wenn die denn privat überhaupt stattgefunden hätten). Die seinem Vorgänger bisweilen mit norddeutschem Hochmut vorgeworfene proletenhafte Liebe zum „Saumagen“ übersah dabei (geflissentlich oder ignorant?), dass diese Speise nicht nur in einem Restaurant eingenommen wurde, das sich seit Jahren eines Michelin-Sterns rühmen kann, sondern auch mit Trüffeln und ähnlichen Finessen gefüllt war. Vermutlich befinden sich die Leser einschlägiger Hamburger Journale noch immer in dem Glauben, bei diesem Gericht würden Saumägen verzehrt. Die gleichen Leute vermutlich, die bei Salami darauf bestehen, dass sie in „Naturdarm“ gefüllt sind. Soll man sie in Zukunft als Darmesser apostrophieren? Hätte die besagte kulinarisch verfeinerte pfälzische Speise als „Cartoccio naturale di truffi, maroni e funghi con maiale“ firmiert, wären besagte Hamburger „Feinschmecker“ vielleicht in Ehrfurcht erstarrt. Allenfalls würden sie noch Kuhmägen zulassen, aber nur, wenn die sich hinter dem Etikett „Tripes à la mode de Caen“ verbergen. Schon der Ausdruck „Kutteln“ würde alle Nicht-Schwaben oder Nicht-Badener schaudern lassen. Dabei ginge ihnen, wie ihrem gastronomischen Leitwolf, vermutlich nicht auf, dass im diesbezüglich besten Pariser Restaurant, dem Pharamond, die Pointe gerade darin besteht, dass die verschiedenen Kuhmagenarten, vier davon sind kulinarisch interessant, je differenziell gegart sind und auch einen unterschiedlichen Geschmack entfalten. Besagter Kritiker hatte nur Kutteln an sich wahrgenommen. Manchmal hilft vielleicht doch Lektüre. In diesem Fall bei dem schon erwähnten „La Reynière“ alias Robert Courtine. Man vergewissere sich lieber nicht bei Wolfram Siebeck (1998, S. 44 f.), einem im Übrigen lesenswerten und schön aufgemachten Buch. Es sei hier nicht unterschlagen, dass Wolfram Siebeck einer der ersten großen Gastronomiekritiker in Deutschland war. Manche Kenner der Szene würden ihn vielleicht sogar als Mitbegründer einer regelmäßigen gastronomischen Berichterstattung ansehen. Seine Kolumnen in der Zeit waren in gewisser Weise bahnbrechend.

  8. 8.

    Für eine ebenso gelehrte wie vergnügliche Analyse der poetologischen Verarbeitung solcher Katastrophen bei Boileau greife man zu Ulrich Schulz-Buschhaus (1997).

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Hahn, A. (2020). Nachbetrachtung: ein Blick zurück, ein Blick nach vorne und wohl auch ein kleiner Blick zur Seite. In: Richter, N., Kopp, J. (eds) Entering the Battlefield. Erlebniswelten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22384-7_10

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