Zusammenfassung
Gegenstand des Beitrags sind die Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Projekten, die darauf ausgerichtet sind, die soziale Integration von Geflüchteten zu verbessern. Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit der Bedeutung sozialer Integration für die Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe werden Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt dargelegt, in dem Begegnungsprojekte für Einheimische und Geflüchtete evaluiert wurden. Dabei wird deutlich, dass sich zwar durchaus generelle Erfolgsbedingungen für solche Projekte angeben lassen, zugleich aber die Besonderheiten der jeweiligen lokalen Kontexte sowie der Akteure in den Blick zu nehmen sind. Denn Projekte der sozialen Integrationsförderung sind auf die lokal verfügbaren Ressourcen sowie darauf verwiesen, möglichst passgenau auf die spezifischen Gelegenheitsstrukturen und Schwierigkeiten in ihrem lokalen Kontext zu reagieren.
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Notes
- 1.
Siehe dazu etwa die Beiträge im Heft 27–29/2017 der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ der Bundeszentrale für politische Bildung.
- 2.
Auf die Kontroversen dazu, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, dass Aufenthaltstitel vielfach zunächst befristet werden, etwa in Hinblick auf den Familiennachzug, kann hier nicht eingegangen werden.
- 3.
Das Forschungsprojekt ist Teil des Programms „Vielfalt gefällt! Orte des Miteinanders“ der Baden-Württemberg-Stiftung.
- 4.
Für eine grundlegende Kritik der Best-Practice-Konzepts vgl. etwa Dethloff (2010).
- 5.
Diese Einschätzung basiert auf Beobachtungen im Rahmen eines laufenden Feldforschungsprojekts. Hinzuweisen ist auch darauf, dass die positive Würdigung von Integrationsbemühungen auch im Flüchtlingsrecht vorgesehen ist, z. B. in den Regelungen zum Bleiberecht in den § 25a und 25b des Aufenthaltsgesetzes.
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Die Bedeutung des lokalen Kontextes, von Dörfern, Gemeinden, Stadteilen oder Städten, resultiert diesbezüglich daraus, dass für die alltägliche Lebensführung zentrale soziale Zusammenhänge zu einem erheblichen Teil ortsgebunden situiert sind; lokale Kontexte können insofern als ein lebensweltliches Umfeld charakterisiert werden, „das für das alltägliche Zusammenleben, für die Begegnung mit Fremdem und Bekanntem, für die individuellen Handlungsspielräume und die Möglichkeiten der Teilhabe bei vielen Menschen eine besondere Rolle spielt“ (Schnur 2018, S. 374). Vorliegende Studien weisen auf die insgesamt zentrale Bedeutung der lokalen Ebene und der Kommunen als Integrations- und Interventionsebene und die je spezifischen lokalen Potenziale und Ressourcen für bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement und Partizipation hin (Bommes 2006; Gesemann und Roth 2018; Schnur et al. 2013; Schnur 2018).
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Siehe dazu die Programmdarstellung unter https://www.bwstiftung.de/gesellschaft-kultur/programme/integration/vielfalt-gefaellt-orte-des-miteinanders/; Für das Programm im abgeschlossenen Förderungszeitraum 2012–2015 liegt eine Evaluation vor (vgl. Held et al. 2015).
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- 9.
Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund beträgt insgesamt 51,7 %. Von Beginn bis Mitte der 1990er Jahre hatte Pforzheim durch Zuzüge aus dem In- und Ausland einen starken Einwohnerzuwachs von Spätaussiedler_innen und Bürgerkriegsflüchtlingen. Im Umland Pforzheims, dem Enzkreis, leben 2800 Geflüchtete in „vorläufiger Unterbringung“. Etwa weitere 230 Menschen befinden sich in einer Anschlussunterbringung (www.enzkreis.de/Kreis-Verwaltung/Familie-Soziales-und-Integration/Amt-f%C3%BCr-Migration-und-Fl%C3%BCchtlinge/Fl%C3%BCchtlinge-im-Enzkreis/Zahlen-Daten-Fakten).
- 10.
Bei der Landtagswahl 2016 erhielt die AfD in Pforzheim – bei einer im Landesdurchschnitt niedrigen Wahlbeteiligung von 64,2 % – mit 24,4 % die meisten Stimmen und erreicht ein Direktmandat. Die Grünen erhielten 24,1 % und die CDU 22,4 % der Stimmen (http://wahlen.pforzheim.de/wahlen2016/LTW_2016.html). Ihr bestes Ergebnis erzielte die AfD jedoch bereits bei der Wahl des EU-Parlaments in 2014. So gaben bspw. in dem überwiegend von Spätaussiedler/innen bewohnten Stadtteil Haidach 44,2 % der Wahlbeteiligten der AfD ihre Stimme (bei der Landtagswahl waren es im gleichen Stadtteil 43,2 %) (www.tagesspiegel.de/themen/-reportage/afd-in-baden-wuerttemberg-pforzheim-wo-die-rechten-waehler-wohnen/13027622.html).
- 11.
Vor allem folgende Gruppierungen sind nach Auskunft der Projektverantwortlichen in und um Pforzheim aktiv: „Zusammen sind wir stark“, „Männer schützen Frauen“, „Partei Einheit“, „Die russlanddeutschen Wölfe“, „Deutsch-Russische Bruderschaft“.
- 12.
Die Zitate zu den Projekten sind einer schriftlichen Befragung der Projektverantwortlichen entnommen.
- 13.
Bezüglich der Bevölkerungsanteile mit Migrationshintergrund gibt es große Differenzen zwischen den Stadtteilen. Deutlich mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben in den innenstadtnahen Stadtteilen, während in den neueren Stadtteilen der Anteil der migrantischen Bevölkerung deutlich geringer ausfällt. Aktuell leben noch ca. 800 geflüchtete Personen in den Pforzheimer Gemeinschaftsunterkünften – ein weiterer Teil in Anschlussunterkünften.
- 14.
Die Projektverantwortlichen haben daraus Konsequenz gezogen, zunächst stärker politische Dialoge innerhalb der Gruppe der Spätaussiedler/innen anzuregen. Ob das ursprüngliche Projektziel im weiteren Verlauf wieder aufgegriffen und realisiert werden kann, ist aktuell noch unsicher.
- 15.
Der Main-Tauber-Kreis wird mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) gefördert. Damit verfolgt die Landesregierung das Ziel, die ländlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erhalten und fortzuentwickeln, der Abwanderung entgegenzuwirken und den landwirtschaftlichen Strukturwandel abzufedern (https://www.main-tauber-kreis.de/Wirtschaft-Tourismus/Wirtschaft/F%c3%b6rderprogramme/ELR).
- 16.
- 17.
Vgl. dazu etwa das einwanderungspolitische Manifest des Rats für Migration: https://rat-fuer-migration.de/manifest/.
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- 19.
Bei den folgenden Zitaten handelt es sich, sofern nicht anders angegeben, um wörtliche Zitate aus Interviews mit den jeweiligen Projektdurchführenden.
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Scherr, A., Yüksel, G. (2019). Soziale Integration von Geflüchteten in lokalen Kontexten ‒ Chancen, Herausforderungen und Risiken von Begegnungsprojekten. In: Arslan, E., Bozay, K. (eds) Symbolische Ordnung und Flüchtlingsbewegungen in der Einwanderungsgesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22341-0_20
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