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Von der dadaistischen Anti-Kunst zur politischen Aktion. Erwin Piscators Kampf gegen die Repräsentation

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Zusammenfassung

Mit dem Zusammenbruch der europäischen Staaten- und Gesellschaftsordnung infolge des von George F. Kennan als ‚Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‘ bezeichneten Ersten Weltkriegs scheint in Deutschland 1918/1919 für einen Augenblick die Stunde derjenigen gekommen zu sein, die die Idee des Staates grundsätzlich verwerfen – die Stunde der Anarchisten. An die Stelle der die bestehenden Herrschaftsverhältnisse repräsentierenden staatlichen Institutionen soll eine Assoziation freier Individuen treten. Den „Ausbruch und de[n] Sieg der Revolution – und der Ausbruch einer Revolution ist schon ihr Sieg, weil er die Entbindung einer Sehnsucht ist –“, feiert Erich Mühsam in diesem Sinne als eine Auflösung nicht nur der alten, sondern aller staatlichen Ordnung.

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Notes

  1. 1.

    Der Topos vom Ersten Weltkrieg als der ‚Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‘ geht auf den US-amerikanischen Historiker George F. Kennan zurück, der den Ersten Weltkrieg als „the great seminal catastrophe of this century“ bezeichnet hat. Kennan 1979: 3.

  2. 2.

    Auf die Verbindung der Dadaisten zur anarchistischen Theorie ist immer wieder hingewiesen worden. Vgl. z. B. Philipp (1980), 43–46.

  3. 3.

    Zitiert wird im Folgenden nach der Ausgabe Piscator (1968). Die Bandzahl wird in römischen, die Seitenzahl in arabischen Ziffern gegeben. Im Falle der im zweiten Band abgedruckten Aufsätze, Reden und Gespräche wird außerdem der Titel genannt. Hervorhebungen erfolgen, wenn nicht anders angegeben, entsprechend dem Original. Offensichtliche Druckfehler und Schreibversehen wurden stillschweigend korrigiert.

  4. 4.

    Michel Foucault spricht mit Blick auf den Menschen von einer „empirisch-transzendentale[n] Dublette“ (Foucault 1971: 384).

  5. 5.

    Zur Verpflichtung des Theaters auf das Repräsentationsparadigma vgl. Deiters (2015).

  6. 6.

    Den Begriff der „transzendentalen Obdachlosigkeit“ hat Georg Lukács in seiner Theorie des Romans geprägt, freilich nicht mit Blick auf den Ersten Weltkrieg. Dort bezeichnet er die Unmöglichkeit einer Versöhnung von Ich und Welt im modernen Roman seit Cervantes. Der Sache nach ist er hier trotzdem passend. Lukács 1916: 234.

  7. 7.

    Piscator entgeht, dass der Bühnennaturalismus den ersten kohärenten Versuch darstellt, den Bühnenraum zu öffnen und das Repräsentations- durch ein Demonstrationsparadigma zu ersetzen, was eine Revision des Rezeptionsmodus impliziert. Hierzu Deiters 2017.

  8. 8.

    Zu Felix Gasbarras erratischer Biographie siehe Schumann (1989).

  9. 9.

    In diesem Sinne merkt Erika Fischer-Lichte an: Es „kann wohl kein Zweifel daran bestehen, daß Piscators Inszenierungen den Zuschauer tatsächlich in permanente Aktivität versetzten – es bleibt allerdings fraglich, inwiefern dieser Effekt als die von ihm ausdrücklich intendierte politische Wirkung zu bewerten ist.“ Fischer-Lichte 1993: 112 f.

  10. 10.

    Piscator spricht von der „Revue, wie sie damals Haller, Charell und Klein brachten, mit der aus Amerika und Paris importierten Schauform“, wenngleich er die „Vorläufer“ der eigenen Revuen „in den bunten Abenden“ sieht, „wie ich sie zusammen mit der Internationalen Arbeiterhilfe (I.A.H.) veranstaltet hatte“ (I, 60).

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Deiters, FJ. (2019). Von der dadaistischen Anti-Kunst zur politischen Aktion. Erwin Piscators Kampf gegen die Repräsentation. In: Magerski, C., Roberts, D. (eds) Kulturrebellen – Studien zur anarchistischen Moderne. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22275-8_10

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