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Usability ist keine Eigenschaft von Technik

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Berliner Schlüssel zur Techniksoziologie

Zusammenfassung

Mit der zunehmenden Technisierung und Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt wird Usability zu einem immer bedeutsameren Maß für die Qualität von Technikbenutzung. Dennoch durchzieht die Fachliteratur ein zentraler Widerspruch. Usability wird hier entweder auf ein feststehendes Attribut von Technik reduziert oder aber in recht unterschiedlichen Verfahren empirisch ermittelt. Die interaktionistische Soziologie, als Wissenschaft von den sozialen Beziehungen, stellt hilfreiche Konzepte zur Verfügung, um Usability als spezifisches Merkmal der Beziehung zwischen Mensch und Technik zu definieren. Durch eine Übertragung von Konzeptualisierungen sozialer Beziehungen gelingt es, die Mensch-Technik-Interaktionen in ihren sinnhaften und wirksamen Dimensionen zu erfassen. Damit eine Mensch-Technik-Beziehung eine hohe Usability aufweist, muss ihre Sinnhaftigkeit und ihre Wirksamkeit für den Nutzer jeweils besonders zugänglich sein. Anhand von vier Beispielen wird dieses soziologische Verständnis von Usability, als Merkmal der Beziehung zwischen Mensch und Technik, schließlich demonstriert und geprüft.

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Notes

  1. 1.

    In Analogie zur sozialen Realität sind die weiblichen und männlichen Formen der Subjekte in diesem Text uneinheitlich vermischt.

  2. 2.

    Der Begriff des Feldes orientiert sich an demjenigen von Andrew Hoffman (1999) und versteht das hier relevante Feld rund um Usability als eine veränderliche Formierung von unterschiedlichen Akteuren rund um ein spezifisches Thema (Issue).

  3. 3.

    Es ist bemerkenswert, dass Usability zumeist allein in Bezug auf EDV thematisiert wird, eine Beziehung zum Menschen oder bestimmte Merkmale sind schließlich keine originären Eigenschaften der Benutzung elektronischer Datenverarbeitung. Viele sachtechnische Artefakte, ja geradezu jedes Objekt ermöglicht eine Beziehung zur Nutzerin, die von durchaus unterschiedlicher Qualität sein kann. Die Ergonomie verlegt sich auf die Optimierung von Arbeitsabläufen, eine Engführung, die der Relevanz technischer Objekte in jedwedem Handeln nicht gerecht wird. Die zumeist implizite Engführung von Usability auf EDV trage ich nicht mit. Usability wird hier breiter verstanden, nämlich als eine Eigenschaft, welche jeder Techniknutzung innewohnt.

  4. 4.

    Nielsen ist bereits seit den 1990er Jahren einer der zentralen Autoren zur Frage der Usability, ebenso agiert er als Leiter der Nielsen Norman Group, einer bekannten Beratungsfirma zum Themenfeld im Silicon Valley.

  5. 5.

    Google Scholar listet für dieses frühe Buch zu Usability mehr als 17.000 Zitationen (scholar.google.de 17.07.2017).

  6. 6.

    Im Einzelnen teilt sich die 17-teilige Norm wie folgt auf: Ein- und Ausgabegeräte wie Bildschirme und Tastaturen werden in ihren Eigenschaften als Mensch-Technik-Schnittstellen beschrieben (vgl. DIN EN ISO 9241-3 2002, DIN EN ISO 9241-4 1999). Derartige Spezifikationen beinhalten fünf Teile der 17-teiligen Norm. Zwei weitere Teile erläutern Eigenschaften der Umgebung, die relevant sind für die Körperhaltung oder Eigenschaften wie die Helligkeit von Bildschirmen und die Lautstärke einer Audioausgabe (vgl. DIN EN ISO 9241-5 1999, DIN EN ISO 9241-6 2001). Sechs Teile enthalten Angaben zur Gestaltung von Software. Hierbei ist das Ziel, die Eigenschaften von Informationsdarstellung oder Merkmale wie z. B. die Dialogführung genau zu beschreiben (vgl. DIN EN ISO 9241-12 2000, DIN EN ISO 9241-13 2000, DIN EN ISO 9241-14 2000, DIN EN ISO 9241-15 1999, DIN EN ISO 9241-16 2000, DIN EN ISO 9241-17 2000). Weitere vier Teile der Norm enthalten allgemeinere Angaben. Darunter fallen eine Übersicht, die Gestaltung der Arbeitsaufgaben, Grundsätze der Dialog-Gestaltung und auch Angaben zur Gebrauchstauglichkeit und zur Messung derselben (vgl. DIN EN ISO 9241-1 2002, DIN EN ISO 9241-2 2002, DIN EN ISO 9241-10 1999, DIN EN ISO 9241-11 1999).

  7. 7.

    Hans Linde formulierte 1972 einen ersten deutlichen Appell, diesen Fokus auf das Soziale zugunsten des Technischen zu erweitern (vgl. Linde 1972).

  8. 8.

    Joas sieht die Ursache für diese Fähigkeit in zwei bestimmten Dispositionen. Erstens ist beim Menschen die Hand freigestellt von der Fortbewegung, sie konnte sich so zu einem sensiblen Tastorgan entwickeln. Zweitens erlaubt die Bedürfnishemmung eine Reflextion des eigenen Handelns (vgl. Joas 1980, S. 147).

  9. 9.

    Schulz-Schaeffer unterscheidet prinzipiell zwischen Experten und Laien. Experten wissen um die Funktionsweise der Zusammenhänge etwa eines Autos oder eines Medikamentes, Nutzer hingegen kommen allein durch die Befolgung von Regeln in den Genuss der Ressource Auto oder Medikament (vgl. Schulz-Schaeffer 1999, S. 416 ff.). Ich sehe diese prinzipielle Unterscheidung kritisch, da a) die Kenntnislagen nicht so verschieden zu sein scheinen und b) zur Nutzung von Technik Regelbefolgung nicht ausreicht. Probieren, Experimentieren und Annähern scheinen mir oft wichtiger als die Bedienungsanleitung, welche heute etwa bei Geräten von Apple nicht mehr existiert.

  10. 10.

    Der Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty prägte unter dem Begriff der Veränderung des Körperschemas drei eingängige Beispiele zur totalen Beherrschung und Verbundenheit mit Technik. Er führt eine Dame mit Hut an, die selbst stets genau spürt, wo die Feder ihres Hutes endet und niemals damit anstößt (vgl. Merleau-Ponty 1966, S. 172 f. und Thomas 1996, S. 108 f.). Auch der Autofahrer und ein Blinder, deren Körper quasi bis zur Stoßstange bzw. bis zum Ende des Blindenstocks ausgedehnt sind, bieten treffliche Anschauungen, wie ein körperlicher Zugang zu Technik so gut funktioniert, dass die Technik darüber praktisch unsichtbar und zum Teil des menschlichen Leibes wird (vgl. Merleau-Ponty 1966, S. 173).

  11. 11.

    Lucy Suchman spricht sich dafür aus, die analytischen Methoden der Soziologie und Wissenschafts- und Technikforschung so einzusetzen, dass eben genau jene Situation der Nutzung analysierbar und auch verbesserbar werden kann (Suchman et al. 1999). In jüngerer Zeit findet auch aufseiten des Designs dieses analytische und situative Vorgehen Anklang, der Sammelband „Design Anthropology: Theory and Practice“ gibt einen Einblick in das Feld des empirisch und situativ orientierten Designs (Gunn et al. 2013).

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Janda, V. (2019). Usability ist keine Eigenschaft von Technik. In: Schubert, C., Schulz-Schaeffer, I. (eds) Berliner Schlüssel zur Techniksoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22257-4_13

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