Zusammenfassung
Dieser Beitrag setzt sich mit der Dethematisierung von Erziehung in der Erziehungswissenschaft auseinander. Exemplarisch wird dazu am Diskurs zur Familie die Vermeidung erziehungstheoretischer Perspektiven aufgezeigt. Die sichtbar werdende Randständigkeit von Erziehung als Thema der Erziehungswissenschaft lässt sich im Kontext der Dominanz eines gesellschaftlichen Bildungsdispositivs sehen, das auch in wissenschaftlichen Debatten aufgegriffen und reproduziert wird. Der Beitrag stellt schließlich auch Dimensionen und Bezüge für eine Aktualisierung erziehungstheoretischen Nachdenkens und Forschens zur Diskussion.
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12 June 2019
Im Abschnitt 3 „Erziehung als peripheres Thema der Erziehungswissenschaft oder: Auf wen sich Erziehung richtet, bleibt unterbestimmt“ wurde anstelle von
Notes
- 1.
Ich danke Edgar Forster und Carsten Bünger, die mit weiterführenden Kommentaren zur Präzisierung meiner Argumentation beigetragen haben.
- 2.
Interessanterweise spielen Kinder und Kindheit in Pranges Plädoyer für Erziehung (2000), in der die operative Bestimmung von Erziehung als Zeigen schon entfaltet ist, noch eine breitere Rolle. Diese Verschiebung der Aufmerksamkeit von den Akteur*innen zur formal-operationalen Bestimmung von Erziehung lässt sich als ein Symptom der allgemeinen Diskursverläufe interpretieren.
- 3.
„In jedem Lebensmoment soll der ganze Mensch wie er eben ist, gefördert werden. Je vollkommener in jedem Moment der ganze Mensch hervortritt desto vollkommener sein Leben. Wird aber ein Moment einem zukünftigen aufgeopfert, so ist die Aufgabe allgemein ethisch in einem solchen Moment ungelöst“ (Schleiermacher 2017, S. 580).
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Krinninger, D. (2019). Kritische Anmerkungen zur Vermeidung des Erziehungsbegriffs. In: Meseth, W., Casale, R., Tervooren, A., Zirfas, J. (eds) Normativität in der Erziehungswissenschaft. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21244-5_13
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