Zusammenfassung
Nachdem der Kalte Krieg zu Ende gegangen und mit ihm die Kulisse einer buchstäblich auf Knopfdruck erfolgenden nuklearen Totalvernichtung abgebaut worden war, schienen viele unbequeme Fragen, die über mehr als vier Jahrzehnte Staat und Gesellschaft beschäftigt hatten, keiner Antwort mehr zu bedürfen. Hierzu gehört die Frage, ob und wie die Staatsfunktionen der Gesetzgebung, der Regierung und Verwaltung sowie der Rechtsprechung unter den extremen Bedingungen von Krise und Krieg – in einer Situation also, die nicht Normal-, sondern Ausnahmezustand ist – aufrechterhalten werden können. Sedes materiae solcher sperrigen Fragen ist die Zivile Verteidigung.
Daher mögen diejenigen, auf deren Schultern die schwere Last der Verantwortung ruht, sich vorsehen, dass nicht das Recht der Krise zu einer Krise des Rechtes führe.
(Haab 1936, S. 24)
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Die KZV behält die Einteilung in die vier Teilbereiche bei, spricht bei der ersten Säule jedoch, leicht abgewandelt, von „Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen“.
- 2.
Im Gesetzgebungsverfahren war man sich bewusst, dass nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG der Bund für den Zivilschutz, nicht aber für den Katastrophenschutz zuständig ist. In der Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ wird die Kompetenz des Bundes deshalb aus einer Zusammenschau von Art. 87 Abs. 3 und Art. 35 Abs. 2, 3 GG hergeleitet (BT-Drs. 15/2286, S. 6–7). Kritisch Kloepfer (2015, S. 33). Im Ergebnis positiv: Meyer-Teschendorf (2009, S. 1221–1229).
- 3.
Durch das 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24.06.1968 wurden Art. 12a, 53a, 80a, 115a-115l GG eingefügt. Zugleich wurden zahlreiche bestehende Vorschriften geändert oder aufgehoben. Allgemein zur Notstandsverfassung: Erkens 2017, S. 485–510.
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Der Tagungsband „Resilienz des Rechts“ ist 2016 erschienen. Vgl. die Nachweise im Literaturverzeichnis.
- 5.
Die dortigen Spekulationen gehen sogar dahin, dass der Ausweichsitz dem biologischen Überleben einer Elite und damit der „Wiedergeburt“ der deutschen Nation nach einem Krieg diene.
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Erkens, H. (2018). Staat extrem: Der Ausweichsitz als Anschauungsobjekt rechtlicher Resilienz im Ausnahmezustand. In: Jäger, T., Daun, A., Freudenberg, D. (eds) Politisches Krisenmanagement. Sicherheit – interdisziplinäre Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20811-0_5
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